Alois Rheinberger an Emma Rheinberger über die dreimalige Versehung mit dem Sterbesakrament, seine körperliche Schwäche und das Schwinden der Seh- und Hörkraft sowie die Abbestellung des Liechtensteiner Volksblattes


Handschriftliches Originalschreiben des Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois), an Emma Rheinberger, Vaduz [1]

10.05.1914, Nauvoo (Illinois)

Sehr liebe Base –

Fräulein Emma Rhbrgr. [2]

Ich danke für Ihre theilnamsvolle Liebe
Karte. Sie sechen, ich lebe noch, ein
armes Leben –. Ich habe meinem lieben
Gott versprochen, den Tod anzunehmen, wie
er ihn schickt. Wie und so lange er will, und
so nehme ich Tag für Tag, wie er komt.
Seit November 1912 bin ich schon 3 mal mit
den Sterbsakamenten versechen worden und
immer habe ich mich wieder erholt. – Einmal
wusste [3] ich gar nichts davon, bis man mir am
andern Tag es sagte. Vor einigen Tagen starb
hier ein Mann, nachdem er 23 Jahre hilflos gewesen. –

Da mag ich mich wohl glücklich schätzen.
Noch bin ich nicht ganz hilflos. Ich kan mich noch
auf 2 Stützen durch die Stube bewegen und 10 Fuss
vor die Türe bis zum Brunnen, und zurück.
Mehr als 6 Zoll misst mein Schritt nicht.
Manchmal nehmen mich die Frauen meine
[4] Meine Sepha [Josefa Rheinberger] und ihre Tochter Maria, vom
Boden auf –. Mein Gefühl ist stumpf, mein
Gedächtniss kurz. Gedanken kommen und
schwinden, eche sie ausgedacht. [5]
Meine Sechkraft hat nachgelassen, doch kann ich
gewöhnlichen Druck noch ohne Brille lesen.
Hören kann ich nicht mehr. –

Ich danke Gott aufrichtig für seine Wohltaten, wie für
Kreuz und Leid, den – ohne Kreuz – kein Heil.

Ich sende Ihnen Photographien, sobald ich sie erlangen
kan von der Famielie Rheinberger im Norden,
in St. Paul und Duluth in Minnesota.

Wenn ich den 5t Juni erlebe, fängt das
88 Jahr meines Lebens an.

Nehmen Sie vorlieb mit dem Vorstechend.
Es ist kurz und ungenügend, aber ich bin müde.
Haben Sie Dank für Ihre Freundschaft.

Stellen Sie die Zusendung der Zeitung, so lieb
sie mir geworden, ein, den bald bin ich nicht mehr
und die Nachkommen ziechen englisches allem vor.

Gruss Ihnen, der Fräulein Olga [Rheinberger], dem
Herrn Bruder [Egon Rheinberger] und Frau [Aloisia Maria Rheinberger [-Schädler]] und Kinder [Hans Rheinberger, Peter Anton Rheinberger]

A. Rheinberger

______________

[1] LI LA AFRh Ha 17/23. Brief in Kurrentschrift.
[2] Die Personen-, Orts- und Monatsnamen sowie die Fremdwörter, für die Alois Rheinberger die lateinische Schrift verwendete, werden im Editionstext kursiv gesetzt. Auf weitere einschlägige Fussnoten wird verzichtet.
[3] Ursprüngliche Fassung: „wuẞte“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Durchstreichung.
[5] Seitenwechsel.