Der Landtag beschliesst, das Washingtoner Abkommen zu genehmigen


Protokoll der nicht-öffentlichen Landtagssitzung, ungez. [1]

26.6.1946

Präsident [David Strub]: eröffnet die Sitzung und begrüsst die Abgeordneten.

Wie sie wissen, hätte vor der endgültigen Stellungsnahme zum Finanzabkommen von Washington Reg.Chef [Alexander] Frick nach Bern fahren sollen und zwar am gestrigen Tage. [2] Zu dieser Fahrt ist es dann nicht gekommen. Ich möchte den Reg. Chef ersuchen, uns zu orientieren.

Reg. Chef: Sofort nach der letzten Sitzung habe ich mich telephonisch mit unserem Gesandten [Prinz Heinrich] in Bern in Verbindung gesetzt. Ich habe ihn ersucht, eine Vorsprache bei der Schweizer-Regierung für heute vormittag vorzubereiten. Eine diesbez. Vorsprache hat jedoch der Gesandte als unmöglich bezeichnet. Ich habe mich sofort mit dem Präsidenten und Vizepräsidenten [Alois Ritter] in Verbindung gesetzt. Beide Herren haben hierauf noch mit dem Gesandten gesprochen, dieser war jedoch nicht zu bewegen, die Sache in die Wege zu leiten. Er führte insbes. aus, dass die Bundesräte zu diesem Zeitpunkt nicht zu sprechen wären, dass sie selber mit dem Abkommen voll beschäftigt seien und sie infolgedessen nicht anzutreffen wären. Auch wäre es kaum möglich, vor der Ratifizierung schweizerischerseits eine verbindliche Antwort zu erhalten. Ich habe heute mit Legationsrat [Alfred] Zehnder telephoniert und ihm folgende Fragen vorgelegt: [3]

  1. wegen der 50 % Landesanteil: Er erklärt, das sei selbstverständlich, dass wir diese 50 % bekommen (also Liechtenstein, nicht die Schweiz)
  2. die spezielle Frage: wenn einer, der unter die Liquidation fällt, sein Domizil in Liechtenstein, sein Vermögen hingegen in der Schweiz habe: Hierauf antwortete Zehnder, dass er hier keine Antwort geben könne, das sei eben eine Grenzfrage. Aber auch der Bundesrat könne diese Frage nicht ohne weiteres beantworten.
  3. Betr. dem Gold von 250 Mill. Franken: Hierauf wurde mir mitgeteilt: Nachdem Liechtenstein mit dem belgischen Gold nichts zu tun hatte, würde auch dieser Teil vom Abkommen Liechtenstein nicht betreffen.
  4. Vertretung in der gemischten Kommission: Diese Frage konnte auch nicht beantwortet werden. Es hange natürlich von den alliierten Mitgliedern der Kommission ab, wie sich diese zu dieser Sache stellen. Zehnder hält es jedoch für möglich, dass wir unsere Stimme auch in dieser Kommission abgeben könnten in Fragen, die unser Land betreffen.

Im weiteren bestätigte Leg. Rat Zehnder, dass er in Bern zu treffen gewesen wäre, hingegen die Bundesräte [Ernst] Nobs und [Max] Petitpierre nicht.

Ich meinerseits wäre nach Bern gefahren, aber der Gesandte wollte es durchaus nicht haben.

Wahrscheinlich hat der Gesandte den schweizerischen Behörden irgend eine Zusicherung gegeben betr. Zusage des Landtages, das ist natürlich möglich.

Abg.H. [Heinrich Andreas] Brunhart: Der Ansicht bin ich auch, dass der Gesandte bereits eine Zusage in Bern gegeben hat.

Abg. [Philipp] Elkuch: Ich möchte fragen, wie ist es jetzt eigentlich mit dem Doppelbürgerrecht?

Reg. Chef: Über diese Frage ist Leg. Rat Zehnder nicht so im Bild. Die Frage sei teilweise erledigt durch das Abkommen, indem laut diesem das Domizil entscheidend sei. Ein Liechtensteiner in Deutschland wird somit als Deutscher behandelt. Nach dem Völkerrecht ist ja diese Frage bereits mit dem Domizil gelöst. Aber wie gesagt, eine komplette Auskunft konnte Zehnder nicht geben.

Abg. Elkuch: Wir haben einen Fall. Ein Doppelbürger wohnt z. B. in Feldkirch. Ist es nun besser, wenn er hier wohnt oder draussen.

Reg. Chef: Für Deutschland ist der 17. Februar massgebend. Österreich ist hingegen nicht als Deutschland zu taxieren. Im weiteren ist zu sagen, dass das deutsche Vermögen bis 1.1.1948 gesperrt ist. Die Alliierten behalten sich vor, was bis zu diesem Zeitpunkt diesbez. noch gemacht werden soll.

Abg. [Josef] Sele: Laut den Angaben vom Reg. Chef wurde erklärt, dass wir, da wir nichts von den 250 Mill. Raubgold besessen haben, nicht unter diese Bestimmung fallen. Es ist aber nicht ausdrücklich erklärt, dass wir nichts bezahlen müssen.

Reg. Chef: Leg. Rat Zehnder hat mit voller Überzeugung gesagt, das uns diese Sache nichts berühre, das sei eine Schweizerangelegenheit. Ohne weiteren Bedenken hat er mir diese Auskunft gegeben, obwohl ich ihm ausdrücklich erklärt habe, dass seine Auskünfte für den Landtag bestimmt seien.

Abg. Sele: Wegen den Österreichern, wie ist es wegen der Freigabe, wenn z.B. einer sich nationalsozialistisch betätigt hat, ist dann das Vermögen dahin.

Reg. Chef: Nein, die politische Einstellung spielt hier keine Rolle. Auch z.B. Schweizerinnen, die einen Deutschen geheiratet haben, erfahren für den Teil ihres Vermögens Berücksichtigung.

Abg. Sele: Wie ist es mit den 50 Millionen, die sofort bezahlt werden müssen.

Reg. Chef: Ich habe diese Frage Zehnder auch vorgelegt, doch kann er nicht ohne weiteres sagen, ob wir anteilmässig etwas zahlen müssen oder nicht. Nach seinem Dafürhalten handelt es sich bei diesen Zahlungen um Vorauszahlungen aus dem gesperrten Vermögen, also nicht um Zahlungen aus dem Staats-Säckel. Aber wie gesagt, diese Frage ist noch nicht abgeklärt. In unserem Fall würde es sich um ca. 125 000.- Franken handeln.

Abg. Dr. Ritter: Wahrscheinlich ist es so, dass die Schweiz bezahlt und uns mit der entsprechenden Quote belastet. Im weiteren kann ich bemerken, dass mich die Ausführungen des Reg. Chef zum Teil befriedigt haben und mit mehr Beruhigung als gestern kann ich meinerseits an die Sache herantreten. Es war mein Standpunkt, die Sache nicht zu unterschreiben, bevor wir nicht über die wichtigsten Punkte klare Sicht bekommen haben. Wie z. B. II/2. Wir haben nun versch. Erklärungen von der Schweiz. Somit steht der Annahme des Abkommens meinerseits nichts mehr im Wege, obwohl wir leider keine schriftliche Erklärung des Bundesrates in Händen haben.

Präsident: Wie wir vernommen haben, hat der Nationalrat das Washingtoner-Abkommen ratifiziert und zwar mit 142 gegen 29 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Das Abkommen ist somit mit grossem Mehr angenommen worden. Wir unsererseits wissen ziemlich klar, was wir vorzunehmen haben. Auf alle Fälle ist es für uns angenehm, dass wir die Ratifizierung nach Kenntnis der Annahme durch die Schweiz vornehmen können, als wenn wir bedingungsweise ratifizieren hätten müssen. Die Meisten haben die Debatte im Nationalrat gelesen und sind orientiert von der Einhelligkeit der schweizerischen Nationalräte, dass es nicht leicht ist, dieser Sache zuzustimmen. Aber auch uns wird wie der Schweiz keine andere Wahl übrig bleiben, als dem Abkommen zuzustimmen. Die Folgen einer Ablehnung würden für uns unabsehbar sein. Wir werden also die Angelegenheit im öffentlichen Landtag erledigen. In der Schweiz wurde lt. Radiobericht mit Namensaufruf über die Sache abgestimmt.

Abg. H. Brunhart: Das können wir auch machen.

Präsident: Soll die Abstimmung öffentlich oder geheim vorgenommen werden. Es muss natürlich keine einheitliche Simpatie zum Ausdruck kommen.

Abg. Dr. Ritter: Der Landtag gibt seine Zustimmung. Der Fürst [Franz Josef II.] hat ja letzten Endes die entscheidende Zustimmung zu geben. Vielleicht hat der Gesandte vom Fürsten vorsorglicherweise die Zustimmung bereits erhalten.

Reg. Chef: Auch nach der Ratifizierung werden wir sofort an die Schweiz eine entsprechende Note schicken, damit die versch. Punkte abgeklärt und schriftlich bestätigt werden.

Präsident: Betr. der Ratifizierung, muss hier ein Text verlesen werden oder wie ist die Sache Herr Doktor?

Abg. Dr. Ritter: Nach der Verfassung handelt es sich hier um eine reine Zustimmung des Landtages ohne besondere Formel.

Abg. Elkuch: Wollen wir nicht einen Abstimmungsversuch machen, damit wir ein Bild haben, wie die Sache im öffentlichen Landtag herauskommt.

Ers. Abg. [Oswald] Bühler: Ich war bei den Vorbesprechungen nicht dabei, und habe nur die Akten kurz durchgesehen. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, dass wir unsere Zustimmung geben müssten, wenn die Bedingungen noch viel ungünstiger wären. Wir könnten einfach nicht nein sagen. Denn wenn wir die Konsequenzen ziehen wollten, wir können uns von diesbez. Folgen kein Bild machen. Ich möchte dann im weiteren den Herren Abgeordneten doch noch ans Herz legen, dass unser Abstimmungsergebnis doch annähernd herauskommen sollte wie dasjenige der Schweiz. Die Sache ist sehr ernst zu nehmen. Wir können nicht nein sagen. Die Schweiz hat in unserem Namen verhandelt und von der Schweiz wurde ratifiziert, was würde es da für ein Bild machen, wenn wir nicht ratifizieren würden.

Abg. Dr. Ritter: Es ist schon öfters vorgekommen, dass vereinbarte Abkommen von der Kommission angenommen wurden und dann aber von der Regierung abgelehnt wurden. In diesem Falle sind wir aber der allerkleinste der Beteiligten und sind infolgedessen gezwungen, dem Abkommen zuzustimmen. Ich bin persönlich auch der Meinung, das unser Abstimmungsergebnis nicht unter dem in der Schweiz sein sollte. Mir meinerseits geht es schon vom juristischen Standpunkt aus gegen den Strich.

Präsident: Dieser Ansicht sind wir wohl alle. Gehen wir nun aber zur öffentlichen Sitzung. [4]

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[1] LI LA LTP 1946/079.
[2] Dies beschloss der Landtag in seiner Sitzung vom 25.6.1946 (LI LA LTP 1946/073). Im Washingtoner Abkommen vom 25.5.1946 wurde die Liquidation deutscher Vermögenswerte in der Schweiz sowie die Frage des Goldes, das die Schweizerische Nationalbank von der Deutschen Reichsbank übernommen hatte, geregelt. Zum Vertragstext vgl. dodis.ch/1725.
[3] LI LA RF 231/052l/II, Vermerk über das Telefongespräch zwischen Zehnder und Frick, 26.6.1946.
[4] LI LA LTP 1946/083.