Die Polizei ermittelt gegen Oskar Gantner und Hans Weilenmann wegen Fluchthilfe


Bericht des Sicherheitskorps, gez. Wachtmeister Josef Brunhart, an die Regierung [1]

12.9.1938

Gantner Oskar, Beherbergung v. Flüchtlingen, u. Weilenmann Hans, Beföderung derselben.
Bericht

Oskar Gantner, geboren am 30. Juli 1913, von Planken, Landwirt, ledig, ein Sohn des Heinrich und der Berta, geborene Beck, wohnhaft in Planken HNr. 3, hat am 23. Aug. 1938 4 jüd. Emigranten (3 Männer u. 1 Frau), die mit Umgehung der Grenzkontrolle aus Deutsch-Österreich angekommen waren, über die Nacht und den folgenden Tag beherbergt und verpflegt und war ihnen ferner für das illegale Weiterkommen behilflich, indem er ihnen H. Weilenmann als Taxi für die Fahrt in die Schweiz empfahl und die Flüchtlinge bis zur Abholung durch Weilenmann am Abend in der elterl. Wohnung versteckt hielt.

Hans Weilenmann, Garagist, wohnhaft in Schaan, hat am 24. Aug. 1938 um ca. 21 Uhr die fraglichen Emigranten vom Hause des O. Gantner in Planken mit dem Auto FL 114 abgeholt und nach Zürich geführt.

Gantner hat angeblich als Belohnung eine silberne Uhr und 10 RM entgegengenommen.

Hans Weilenmann verlangte für die Fahrt nach Zürich 75.- Fr. und erhielt dazu noch 10.- Fr. Trinkgeld.

Beweismittel

Am 5.9.1938 erstattete Korp. Ladner des schw. Grenzwachtposten in Planken die Anzeige, dass Grenzw. Hartmann durch Drittpersonen erfahren habe von der Beherbergung von Emigranten durch Gantner und den Weitertransport durch H. Weilenmann. [2]

Bei der diesbezüglichen Einvernahme durch Schtzm. [Hermann] Meier gab Oskar Gantner an: "Ich gebe zu, dass ich vier Juden, drei Männer und eine Frau in unserem Hause über Nacht gehalten und am folgenden Tage verpflegt habe. Die Frau war etwa 25 Jahre alt, die Herren etwa 30 Jahre. Ich habe die Leute am Vorabend von Planken aus ein Stück ob den Häusern durchgehen gesehen und dann auch beobachtet, wie diese auf unser Heuhüttchen, in welchem wir Heu haben, zugegangen sind. In meinem Interesse ging ich zu diesem Hüttchen und traf die Leute dort ganz durchnässt, ermüdet und heruntergekommen an. Sie baten mich, ob sie nicht hier in diesem Hüttchen bleiben könnten, und ich gestattete dies ihnen. Ferner bat mich die Frau, sie hätten alle einen furchtbaren Hunger, ich möge ihnen Milch und Brot bringen. Ich ging dann heim und besorgte ihnen Milch und Brot. Als ich wieder zurückkam, erklärten die Leute mir, sie seien ganz nass und hier in der Hütte frieren sie, ob sie nicht mit mir ins Dorf kommen könnten. Auch dies sagte ich ihnen zu und nahm sie mit zu uns nach Hause. Sie waren dann bei uns zu Hause die Nacht und den folgenden Tag hindurch bis am Abend, wo sie Weilenmann von Schaan etwa um 21 Uhr mit dem Auto abholte. Sie stiegen vor unserem Hause in das Auto ein. Wohl habe ich ihnen den Weilenmann als Taxichauffeur genannt, denselben aber nicht herbestellt, dies machte die Frau selber. Sie hat vom Gasthaus zu den Drei Schwestern aus telefoniert.

Ich habe die Leute nicht aus eigenem Interesse oder etwa um von ihnen eine Belohnung zu erhalten in unserer Wohnung beherbergt, sondern lediglich aus Erbarmen. Sie haben dann wohl vor dem Fortgehen mir eine silb. Taschenuhr dagelassen und meiner Mutter noch 10.- RM gegeben. Wir wollten dies nicht annehmen, aber sie taten nicht anders."

Auf die Frage an Gantner, ob er sich nicht einer strafbaren Handlung schuldig fühle, erklärte er nur, er habe in Anbetracht der misslichen Lage der Emigranten keine Anzeige erstatten wollen und habe ihnen nur aus Erbarmen die Pflege zuteil werden lassen.

Hans Weilenmann gab an: "Im Aug. an einem Nachmittag hat eine Frau telefoniert und mich für eine Fahrt nach Wattwil engagiert. Sie bestimmte die Zeit, um 9 Uhr abends. Ich fuhr dann um die vereinbarte Zeit nach Planken, habe die vier Personen, drei Herren und eine Frau, die hoch schwanger war, auf der Strasse in der Nähe des Gasthauses "Drei Schwestern" abgeholt. Die Leute haben im Auto fast nichts geredet und ich wusste überhaupt nicht, um wen es sich handelt. Da ich unterwegs doch Bedenken bekam, dass es sich um Flüchtlinge handeln könnte, zog ich ein dahingehendes Gespräch an, worauf mir einer sagte, dass sie aus der Schweiz wären. Als wir dann in Wattwil angekommen waren, ersuchten sie um Weiterfahrt bis nach Zürich. In Zürich angekommen verlangte ich für die Fahrt 75.- Franken. Ich erhielt diesen Betrag in Franken und noch 10.- Fr. Trinkgeld dazu. Sie hatten Rucksäcke bei ihnen und ich musste annehmen, dass die Leute von einer Bergtour kämen."

Ferd. [Ferdinand] Beck, Jagdaufseher, wohnhaft in Planken, gab an, dass er am fraglichen Abend, wo die Flüchtlinge nach Planken gekommen seien, dieselben bei der alten Säge ob Planken herunterkommen gesehen habe. Er sei dort mit Holzladen beschäftigt gewesen und sei von ihnen angeredet worden, er solle sie nach Buchs bringen, sie würden dafür mehr bezahlen, als dieses Holz wert sei. [3]

 

 

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[1] LI LA RF 183/033/001. E.Nr. 1067. Ein weiteres Exemplar in LI LA V 005/1938/1067.
[2] LI LA V 005/1938/1067, Eidgenössisches Grenzwachtkorps an Sicherheitskorps, 5.9.1938.
[3] Die Regierung erteilte Gantner und Weilenmann mit Schreiben vom 16.9.1938 eine scharfe Rüge (LI LA RF 183/033/002). Die schweizerische Fremdenpolizei verhängte zudem eine Einreisesperre über Gantner (LI LA RF 183/033/004), die erst Anfang 1940 wieder aufgehoben wurde (LI LA RF 183/033/007).