Der Freiwirtschaftsbund tritt an die Öffentlichkeit


Leitartikel in der Erstnummer der "Liechtensteinischen Volkswirtschaftlichen Zeitung" [1]

12.9.1931

Zum Geleite

Wo ein Wille zum Guten ist, da ist auch der Weg, das Gute durchzuführen; wo der Wille zum Guten fehlt, deckt man seine Ansichten durch verschiedene Ausflüchte und Ausreden.

Wohl die meisten Leser dieser neuen liechtensteinischen Zeitung haben etwas über den Freiwirtschaftsbund gehört oder irgend ein Kommentar in einer unserer Zeitungen gelesen. Viele waren an Versammlungen, die derselbe in letzter Zeit an einigen Orten gehalten hatte, oder haben sonst irgendwelche Aussagen gehört. Wie jede Sache, ob gut oder schlecht, wird auch unser Programm, ob mit Wissen oder mit Unwissenheit, von verschiedenen Seiten verdreht oder so arg verstümmelt, dass der einfach denkende Mann darüber nur den Kopf schütteln kann.

Zum Geleite sei jedoch schon klar und deutlich gesagt:

Wir wollen keine Parteipolitik; wir wollen keinen Sozialismus und keinen Bolschewismus; wir stellen keine Land- und Leute verhetzenden Forderungen, sondern wir wollen eine gesunde Volkswirtschaft in unserem kleinen Ländchen auf sittlich einwandfreiem Wege erreichen, eine natürlich-vernünftige Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. -

Es wird sich mancher fragen, ja womit, wodurch? Unsere ganze Volkswirtschaft geht seit Jahren immer mehr abwärts. Bauern, Handwerker und Handel sind meistens durch die heutigen sozialen Zu-, besser gesagt, Misstände verschuldet. Alles Arbeiten nützt nichts; alles sich regen und wehren macht die Schulden nicht kleiner, sie drücken weiter. - Keiner weiss recht, wo denn die Ursachen dieses Übels zu suchen sind. -

Wir haben es zu unserem Programm, zu unserer Pflicht gemacht, zu untersuchen, wie diesen Übelständen abgeholfen werden kann und wie es möglich sein wird, unsere gesamte Volkswirtschaft wieder zu heben und neu zu beleben und werden mit aller Gewissenhaftigkeit auf alle die brennenden Punkte aufmerksam machen. Darum will der Liechtensteinische Freiwirtschaftsbund und nicht nur dieser, sondern auch sämtliche Standes- und Berufsgruppen, die unter der heutigen Wirtschaftslage zu leiden haben, eine vollständige, lückenlose Aufklärung der heutigen Wirtschaftslage durch Wort und Schrift, eine gründliche Reform der Volkswirtschaft und zwar im Sinne auf das Recht des vollen Arbeits- und Unternehmerlohnes; Bekämpfung des Zinses als kapitalistisches System, wir wollen das arbeitslose Einkommen abgeschafft wissen! - [2]

Darum Mitbürger, studiere eifrig die Folge unserer Wochenzeitung, denke über alles recht gründlich nach. - Und kommst Du zur Überzeugung, dass die Sache gut ist, so sage nicht, es wäre schon recht, die Sache ist gut, aber es geht nicht, es ist nicht durchführbar; es ist durchführbar, es geht, wenn wir wollen! -

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[1] L.Volksw.Z., Nr. 1, 12.9.1931, S. 1.
[2] Zum Programm des Freiwirtschaftsbunds vgl. auch L.Freiw.Z., Nr. 47, 26.11.1932, S. 2-3 ("Das freiwirtschaftliche Manifest").