Alois Ritter erkundigt sich, ob Liechtenstein in das deutsch-schweizerische Transferabkommen einbezogen wird


Schreiben von Alois Ritter an die Regierung [1]

17.11.1933, Vaduz

Verschiedene hiesige Sitzgesellschaften, die ich vertrete, haben Vermögenswerte in Deutschland liegen und beklagen sich darüber, dass sie nur 75% ihrer Zinsen überwiesen bekommen, weil eben Liechtenstein in dem zwischen Deutschland und der Schweiz getroffenen Transferabkommen nicht inbegriffen sei. [2] Von verschiedenen Seiten ist bereits die Absicht geäussert worden, das hiesige Unternehmen zu liquidieren und den Sitz in die Schweiz zu verlegen. [3] Wie ich höre, sind zwischen der fürstlichen Regierung und dem schweizerischen Bundesrate Verhandlungen im Gange mit dem Zwecke, Liechtenstein in das Transfer-Abkommen einzubeziehen und damit die Gleichbehandlung mit der Schweiz zu erwirken. [4] Ich bitte um Mitteilung, in welchem Stadium sich diese Verhandlungen befinden bezw., ob und wann mit einem günstigen Abschlusse zu rechnen sein wird. Da Liechtenstein seinerzeit in das Clearing-Abkommen Schweiz-Österreich und Schweiz-Ungarn ohne weiteres einbezogen wurde, [5] sollte man wohl erwarten dürfen, dass auch das deutsch-schweizerische Transferabkommen ohne weitere Umstände auf unser Land angewendet wird.

Ihren Nachrichten mit Interesse entgegensehend zeichne ich

hochachtungsvoll

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[1] LI LA RF 136/459/006r.
[2] Mit dem Reichsgesetz vom 9.6.1933 über die Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland (RGBl., 1933, I, S. 349f.) erliess das NS-Regime ein Transfermoratorium. Devisentransfers für Zinsen aus mittel- und langfristigen Auslandsschulden wurden eingestellt. Deutsche Schuldner wurden verpflichtet, die fälligen Zinsen und Tilgungszahlungen in Reichsmark an die mit diesem Gesetz gegründete Konversionskasse für deutsche Auslandschulden zu zahlen, die dann die Ansprüche der ausländischen Gläubiger nach einem bestimmten Schlüssel befriedigte. Der Schweiz gelang es im Herbst 1933, eine befristete Vereinbarung auszuhandeln, die schweizerischen Gläubigern einen vollständigen Transfer der Kapitalerträge zugestand, während die übrigen Gläubiger lediglich 75% der Kapitalerträge transferieren konnten (DDS, Bd. 10, Nr. 335, 339).
[3] Ähnliche Klagen wurden von anderen Akteuren auf dem Finanzplatz geäussert, vgl. z.B. LI LA RF 136/387/001 (Steuerverwaltung); LI LA RF 136/459/001 (Bank in Liechtenstein); LI LA RF 136/459/002 (Walter Probst).
[4] Die Regierung fragte mit Note vom 17.10.1933 beim Eidgenössischen Politischen Departement an, ob ein Einbezug Liechtensteins in Transferabkommen möglich sei (LI LA RF 136/387/002).
[5] Das schweizerisch-österreichische Abkommen für die Zahlungsregulierung aus dem schweizerisch-österreichischen Warenverkehr vom 12.11.1931 (AS 1931, Bd. 47, S. 775f.) und das schweizerisch-ungarische Abkommen für die Zahlungsregulierung aus dem schweizerisch-ungarischen Warenverkehr vom 14.11.1931 (AS 1931, Bd. 47, S. 779f.). Beide Abkommen galten auch für Liechtenstein (LI LA RF 125/394; LI LA V 002/0589; LI LA LTP 1932/034a; LGBl. 1932 Nr. 3).