Verfassungsentwurf von Peter Kaiser


Verfassung[1]

vom März 1848

  

I. Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Das Gebiet von Liechtenstein ist deutsches Bundes-Land.

§ 2. Das Land ist von allen Feudallasten frei: es ist nicht mehr grundherrlichen Diensten oder  Lasten unterworfen.

§ 3. Das Land kann nie ein Majorat oder Fiedeicommiß des liechtensteinischen Hauses sein; nie veräußert oder anderen Staaten einverleibt werden, ohne freie Einwilligung aller stimmfähigen Bürger.

§ 4. Das Land erkennt als erbliches Oberhaupt den jetzt regierenden Fürsten und dessen männliche Nachkommen nach der Successionsordnung des fürstlichen Hauses.

§ 5. Da das Land ein souveränes Land geworden, haben die Domänen auch aufgehört Dominikalgut zu sein: sie sind Staatsdömänen, bleiben aber im Genuß des jedesmal regierenden Fürsten, wofür dieser auf alle und jede Civilliste oder derartige Ansprüche für sich und ihr Haus für immer zu verzichten hat.

§ 6. Indem das Land zu klein und wenig ergiebig an Hilfsquellen ist, so vermag es eine monarchische Verwaltung nach dem Muster der größern deutschen Bundesstaaten nicht zu ertragen. Es ist daher durch seine Natur und Gewohnheiten auf eine ganz einfache, wenig kostspielige und auf der Theilnahme des Volks beruhende Verfassung angewiesen.

§ 7. Die höchste Gewalt wird daher von dem Fürsten in Verbindung mit dem Volke ausgeübt und zwar so:
a. Die vollziehende Gewalt ist beim Fürsten, welche er durch einen Landesstatthalter ausüben läßt, der in Verbindung mit einem Ausschuß des Landrathes die Regierung bildet und die Verwaltung.
b. Die gesetzgebende Gewalt übt mit dem Fürsten ein vom Volk frei erwählter Landrath.
c. Die richterliche Gewalt üben die vom Landrath erwählten und vom Fürsten bestätigten Richter unter dem Vorsitz des Landstatthalters.

 

II. Vom Landstatthalter

§ 8. Der Landstatthalter ist der Stellvertreter des Fürsten. Der Fürst ernennt ihn, jedoch mit Berücksichtigung der Wünsche des Volkes.

§ 9. Er ist die vollziehende Behörde. Alle Verwaltungsgegenstände unterliegen seiner Aufsicht: er ist am Landtag der fürstliche Commissär, hat aber nur berathende Stimme.

§ 10. Er ist Richter in allen Verwaltungsstreitigkeiten. Beigegeben sind ihm 2 – 3 Männer, welche der Landrath bezeichnet als berathende und beschließende Mitglieder.

§ 11. Der Landstatthalter ist Präsident des Gerichts und der Untersuchungsrichter in allen Straffällen.

III. Der Landrath

§ 12. Der Landrath besteht aus 24 Mitgliedern, welche aus allen Gemeinden frei gewählt werden.

§ 13. Zum Eintritt in den Landrath erfordert es ein Steuervermögen von 1000 fl. für die Hälfte und das zurückgelegte 30. Jahr; für die andere Hälfte ist kein Vermögensausweis nöthig, wohl aber Kenntniße und Tüchtigkeit des Charakters.

§ 14. Der Landrath ist die gesetzgebende Behörde in Verbindung mit dem Fürsten. Er hat über Ausgaben und Einnahmen allein zu entscheiden. Er prüft den Rechenschaftsbericht der gesamten Verwaltung. Ihm sind alle Beamten verantwortlich.

 

IV. Das Gerichtswesen

§ 15. Es besteht in der obern und untern Herrschaft ein Friedensgericht, dessen Competenz näher bestimmt wird durch das Gesetz.

§ 16. Sechs vom Landrath erwählte und vom Fürsten bestätigte Richter bilden unter dem Vorsitz des Landstatthalters die I. Instanz.

§ 16.[2] Das gleiche Gericht mit Zuzug von 7 Richtern bildet die II. Instanz. Die Appellation geht an den Fürsten, das Appellationsgericht in Innsbruck fällt weg.

§ 16. In peinlichen Sachen ist der Landstatthalter der Untersuchungsrichter. Die Urtheilspersonen (Jury) werden frei gewählt.

 

V. Verwaltung und Polizei

§ 17. Für die verschiedenen Zweige der Verwaltung sind dem Landstatthalter Gehülfen bei gegeben und zwar

  1. Actuar (Landschreiber),
  2. ein Grundbuchführer,
  3. ein Seckelmeister.

§ 18. Die Gehülfen haben ihre Funktion nach der Anweisung des Landstatthalter zu verrichten.

§ 19. Zu Gehülfen sollen Liechtensteiner gewählt und zu ihrer Verrichtung gebildet werden.

§ 20. Die Besoldung sämmtlicher Gehülfenstelen dürfen 1000 fl. nicht übersteigen.

§ 21. Der Geschäftsgang für alle Zweige soll vereinfacht werden.

 

VI. Erziehung und Unterricht

§ 22. Es besteht ein Schulrath für das Land aus 5 Mitgliedern, den der Landrath wählt und der Fürst bestätigt.

§ 22. Der Schulrath bezieht für seine Dienste keine Vergütung. Er versammelt [sich] wenigstens 2 Mal des Jahrs.

§ 23. Er sorgt für Vollziehung der Schulgesetze und läßt die sämmtlichen Schulen durch Mitglieder aus seiner Mitte inspizieren.

§ 24. Der Schulrath legt jährlich dem Landrath und zu Handen des Fürsten Berichte über den Zustand des Schulwesens ab, macht Vorschläge zur Verbesserung etc. Er prüft die Lehrer und schlägt sie zur Wahl den Gemeinden vor. Die Bestätigung erfolgt durch den Fürst.

 

VII. Gemeindeverfassung.

§ 24. Wird durch ein Gesetz geregelt.

 

VIII. Polizei

§ 25. Durch Gesetz geregelt.

 

IX. Rechte der Bürger

  1. Auf Anordnung des Haushalts, daß die Verwaltung weniger kostspielig und doch angemessen wird.
  2. Das Bezeichnungs- und Unterrichtswesen (muß ganz reorganisiert werden)
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[1] LI LA SchäU 305. Originaltitel, unvollendeter Verfassungsentwurf in der Handschrift von Peter Kaiser.
[2] Falsche Nummerierung im Original.