Dr. Albert Schädler errichtet eine Stiftung mit dem Zweck, Haushaltungskurse für junge Frauen zu organisieren, damit diese tüchtige Hausfrauen und Mütter werden


Bericht im "Liechtensteiner Volksblatt", nicht gez. ("Eingesandt") [1]

8.2.1918

Über Haushaltungsunterricht. (Einges.) Wie bekannt, hat der Herr Sanitätsrat Dr. Albert Schädler eine bedeutende Stiftung gemacht zum Zwecke der Veranstaltung von Haushaltungskursen. Für den Haushaltungsunterricht auf dem Lande haben sich besonders die Wander-Haushaltungskurse in verschiedenen Gegenden Deutschlands bewährt. Sie dauerten meistens 6 Wochen. Der Unterricht wurde von geprüften Haushaltungslehrerinnen erteilt und umfasste Kochen, Waschen, Bügeln usw. Auf Ordnung, Reinlichkeit und Sparsamkeit wird besonderes Gewicht gelegt. Die höchste Zahl der Schülerinnen, die zu den einzelnen Kursen zugelassen werden, ist 20. Das Schulgeld von 9 Mark für einen Kurs bei voller Beköstigung der Teilnehmerinnen ermöglichte den Besuch und wurde Armen zumeist erlassen. Die Kosten sind verhältnismässig gering. Die Unterrichtsmittel, wie transportabler Herd, Küchengeräte usw. brauchen nur einmal für viele Jahre angeschafft zu werden. In jeder grösseren Gemeinde wird sich auch ein Lokal finden, das mit wenigen Kosten für diesen Zweck hergerichtet werden kann.

Die Dänen haben in ihren Volksschulen längst den obligatorischen Haushaltungsunterricht eingeführt. In Japan müssen alle Mädchen, ohne Unterschied des Standes oder Ranges, nach der Schulzeit in dienender Stellung einen dreijährigen Kurs in der Hauswirtschaft durchmachen, eine Methode, die allerdings bei uns nicht durchführbar ist.

Bei unseren Verhältnissen wäre es die Lösung einer wichtigen sozialen Frage, wenn den Töchtern der kleinen Handwerker, der kleinen Bauern und der Fabrikarbeiter, welchen die Ausbildung in Pensionaten oder höheren Haushaltungsschulen schon wegen des Kostenpunktes versagt ist, die Möglichkeit geboten wird, sich im Haushaltungswesen die unbedingt nötigen Kenntnisse anzueignen und sich auf den späteren Beruf als Hausfrau vorzuarbeiten. Mancher Mann findet bei dem Eintritte in den Ehestand Enttäuschung! - Versteht hingegen die Frau den Haushalt und weiss sie mit geringen Kosten ein gesundes und kräftiges Essen zu bereiten, die Kleider ganz und sauber, die Wohnung rein und in Ordnung zu halten, dann werden Gatte und Kinder zufrieden sein und sich in ihrer Häuslichkeit glücklich fühlen.

Sind die Mädchen aus der Schule entlassen, dann bleibt ein Teil vorderhand im elterlichen Hause; ein anderer Teil geht in die Fabrik und ein Teil nimmt Dienstbotenstellen an. Diejenigen, welche im elterlichen Hause bleiben, oder als Dienstmädchen beschäftigt sind, sind wohl imstande, das Nötigste von der Hauswirtschaft zu lernen, wenn sie tüchtige Mütter oder Hausfrauen zu Meisterinnen haben und auch selbst lernen wollen. Aber für alle wäre zweifellos das Durchmachen eines gut geleiteten Wander-Kochkurses sehr vorteilhaft und würde ihre Stellung da oder dort wesentlich erleichtern. Speziell für Fabrikarbeiterinnen müssten Abendkurse eingerichtet werden.

Möchten die Verhältnisse es recht bald ermöglichen, die hochherzige Stiftung des hochverehrten Herrn Sanitätsrates ihrem segensreichen Zwecke zuzuführen! Hunderte von Familien werden ihm zu Dank verpflichtet werden.

Wir fügen diesen Bemerkungen einen Bericht an, den die "Kölnische Volkszeitung" über Haushaltungs-Wanderschulen in Bayern gebracht hat. Er lautet:

Dass die Haushaltungsschulen für Bauerntöchter nur einem geringen Teile der ländlichen Bevölkerung und nur dem vermögenden zugute kommen, ist bekannt. Der kleine Landwirt hat weder Zeit noch Geld, seine Töchter in diese Anstalten, und mögen sie noch so nützlich sein, zu. schicken. Eine tüchtige Hausfrau, die einen geordneten Haushalt zu führen versteht, hat aber der kleine Bauer ebenso nötig, wie der Grossbauer. Um nun jeder Bauerntochter, auch der ärmeren, den Nutzen eines gediegenen Haushaltungsunterrichtes zukommen zu lassen, hat sich die Zentralstelle des Bayerischen Bauernvereins entschlossen, Haus-Haltungswanderkurse einzurichten.

Den Unterricht leiten zwei Ordensschwestern, die theoretisch und praktisch vorgebildet sind. Sitz der Haushaltungswanderschule ist ein grösserer Pfarrort, wo gewöhnlich auch in einer Schwesternniederlassung, im Pfarr- oder Schulhause ein geeigneter Raum zur Verfügung steht. An dem Unterricht nehmen nicht nur die Bauerntöchter des Ortes selbst, sondern auch die der nahegelegen Dörfer teil. Der Unterricht umfasst die gut bäuerliche Kost, Krankenkost, Festtagskost, Einmachen, Käsebereitung, Hinweise auf rationelle Viehwirtschaft sowie den Gartenbau. An bestimmten Tagen kochen die Schülerinnen auf die in der Schule gelernte Art und Weise selbst zu Hause in der elterlichen Wirtschaft, während die Lehrerinnen dann in die einzelnen Häuser gehen und die Tätigkeit ihrer Schülerinnen kontrollieren. Gerade dies ist unstreitig von grösstem Nutzen. Die Bauerntöchter werden so angelernt, ihre im Unterricht erworbenen Kenntnisse den Verhältnissen in der elterlichen Wirtschaft anzupassen, und die Lehrerinnen erhalten einen gewissen Einblick in die einzelnen Hauswirtschaften und können so den Unterricht in der für die gesamten örtlichen Verhältnisse geeignetsten Weise einrichten. Es wird also hier nicht nach allgemeinen Gesichtspunkten unterrichtet, wie dies bei den Haushaltungsschulen der Fall ist und ja auch sein muss, sondern die Schülerinnen lernen nur das, was sie sofort in ihrer elterlichen Wirtschaft einführen können.

Ein weiterer Vorteil der Haushaltungs-Wanderschulen besteht auch darin, dass die Töchter nicht wie bei Haushaltungsschulen von Hause weg müssen, sondern während der ganzen Zeit des Schulbesuches im Elternhause tätig bleiben. So sind sie gewissermassen täglich auf ihrem eigenen Versuchsfelde tätig und gezwungen, das in der Schule erlernte im elterlichen Haushalte zu erproben.

Der Unterricht dauert in der Regel fünf Wintermonate. Zu einer genügenden Ausbildung der Bauerntöchter wird diese Zeit auch erforderlich sein. Die Haushaltungskurse, wie sie bis jetzt in anderen Gegenden Deutschlands abgehalten worden sind, dauern in der Regel nur zwei Monate. In dieser Zeit können verhältnismässig wenige Kenntnisse erworben werden, und selbst diese können auf Gründlichkeit keinen Anspruch machen. Dagegen wird es in fünf Monaten zu erreichen sein, den Schülerinnen einen gründlichen und auch ziemlich umfangreichen Unterricht zu erteilen.

In jedem Winter werden etwa 30 Haushaltungs-Wanderschulen eingerichtet. Auf diese Weise wird es möglich sein, nach und nach dem ganzen Lande die grossen Vorteile eines derartigen Unterrichtes zuteil werden zu lassen. Die Schulen sind sicherlich ein wichtiges Mittel zur Hebung des Bauernstandes. Sie werden, das steht zu hoffen, auch dem kleinen Bauern tüchtige Hausfrauen liefern, die er gerade heutzutage mehr wie je braucht.

In diesem Winter wird probeweise mit zwei Haushaltungs-Wanderschulen begonnen. Die Erfolge sind sehr gut. Die Lehrerinnen sprechen sich äusserst befriedigt über den Fleiss und die Aufmerksamkeit der Schülerinnen aus, und Eltern wie Schülerinnen erkennen freudig den grossen Segen der Schulen an.

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[1] L.Vo., Nr. 6, 8.2.1918, S. 2-3. In Liechtenstein kam es trotz der Stiftung von Albert Schädler nicht zur Durchführung solcher Haushaltungskurse.