Ein Mann erinnert die jungen Frauen daran, dass gerade in schwierigen Zeiten in erster Linie die Hausfrau die Not im Haus lindern kann, und erklärt, wie sich junge Mädchen am besten auf ihre künftige Rolle als Hausfrauen und Müttern vorbereiten


Beitrag in den Oberrheinischen Nachrichten, nicht gez. [1]

15.5.1915

Hauswirtschaftliches.

In dieser schweren Zeit, da die Lebensmittelpreise in drängender Folge sprunghaft steigen, hört wohl jeder Familienvater fast täglich die Klage seiner Frau: Mein Wirtschaftsgeld reicht mir nicht mehr, unser Einkommen langt kaum fürs Essen. Wo soll ich die Mittel für die so teuren Kleider, Schuhe und andere Bedürfnisse hernehmen?

Die Antwort auf diese Frage fällt dem Familienoberhaupte allerdings schwer; ist sein Verdienst wenn nicht kleiner geworden, so doch gleich geblieben. „Einschränken, sparen", wird er sagen. „Ja einschränken", wird die Hausfrau erwidern, „das habe ich schon lange getan und endlich muss auch das Einschränken eingeschränkt werden. Unsere Kinder brauchen kräftige Nahrung und was man ihnen in dieser Hinsicht entzieht, ist ein Verbrechen an ihnen, an dessen Folgen sie ihrer Lebtag zu leiden haben."

Nun hilft aber alles Jammern und Zetern nichts, die Lage ist nun einmal die. Unsere Aufgabe ist es, dem Nebel zu begegnen: wenn es auch nicht aufgehoben werden kann, so soll es doch gemildert werden. Wie kann dies aber geschehen?

Jedenfalls auf mancherlei Weise, hauptsächlich aber durch Führung eines geordneten Haushaltes. Da ist es in erster Linie die Hausfrau, welcher die erste Rolle zufällt. Ja, die Hausfrau sollte und muss heute eine Künstlerin sein. Künstlerin wird man nicht von heute auf morgen, das braucht grossen Fleiss und viel Übung. Inwiefern soll die Hausfrau eine Künstlerin sein? Sie soll es verstehen mit wenigem, d. h. mit einem kleinen Kostenaufwand genügend und gut zu kochen. Das ist nichts unmögliches, liebe Leserin; es gibt tatsächlich viele Hausfrauen, die das können, und dazu gehörst auch du, schöne Leserin; ich schreibe das aber für die andern, für diejenigen, die das nicht gelernt haben. Diese sind aber meistens auch nicht schuld daran.

Ordnung und Reinlichkeit müssen die obersten Grundsätze jeder Hausfrau sein; sie sind die Grundpfeiler jedes Hauswesens. Sie sparen den Gliedern der Familie Zeit, Ärger, Verdruss und namentlich viel Geld. Eine Hausfrau, die Ordnung hält, versteht auch die erste Kunst einer sparsamen Köchin, nämlich das richtige Einteilen. Da geht nichts verloren, da stehen keine Speisereste tagelang in den Schüsseln herum, bis sie verdorben sind, sondern die werden wieder in einer Fassung zu Tische gebracht, dass jedermann sie mit Appetit isst. Da wird nicht noch eine Masse Holz in den Herd gelegt, wenn die Speisen schon fast gar sind und so nachher noch unnütz Wasser gesotten und zwecklos Holz verbrannt. So liesse sich noch manches anführen aus der Küche. Diese Beispiele aber sollen genügen. Wie viel kann eine Frau in der Küche vernachlässigen! Wie viel aber kann sie ersparen durch Nähen, Flicken, Stricken, beim Waschen, Bügeln usw. Das Sprichwort sagt ja: „Ein Mann bringt mit Ross und Wagen nicht soviel ins Haus, wie eine Frau in der Schürze hinaus." Was nützt es da den Mann, wenn er noch soviel verdient, es wird ihm doch nirgends reichen. Drum sollen unsere Mädchen und angehenden Frauen es als ihre erste Aufgabe betrachten, sich die notwendigen Kenntnisse zur Führung eines Haushaltes anzueignen. Leider fehlt bei uns eine hauswirtschaftliche Schule; es haben solche Schulen aber häufig den Fehler, dass sie zuviel Theorie treiben und darum die Praxis vernachlässigen und dem gewöhnlichen bürgerlichen Hauswesen wenig entsprechen. Nicht feines Backwerk verlangt der gewöhnliche Bürger, sondern kräftige Hausmannskost. Junge Mädchen sollen nicht bis zu ihrer Verehelichung in die Fabrik gehen, sondern sollen bei einer tüchtigen Hausfrau in Dienst treten; hier lernen sie oft mehr für ihr späteres Leben als im feinsten Institut oder in der größten hauswirtschaftlichen Schule. Wenn auch der Lohn gering ist, so hat doch ein solches Mädchen sich eine grosse Mitgift erworben, die erst später nach und nach, aber sicher zur Auszahlung gelangt.

Die Vorbereitung unserer weiblichen Jugend auf den Beruf als Mutter und Hausfrau ist von eminent wichtiger volkswirtschaftlicher Bedeutung. In dieser Erkenntnis ist denn auch an unseren Fortbildungsschulen für Mädchen ein Büchlein eingeführt, das sehr praktisch ist und unseren Töchtern, soweit es die Zeit und die Umstände erlauben, die Anfangsgründe der Hauswirtschaft vermitteln soll. Trachten wir auch auf diesem Gebiete vorwärts zu kommen!

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[1] O.N. 15.5.1915, S. 1