Die Oberrheinischen Nachrichten fordern dazu auf, die neuzeitlichen, amerikanischen Arbeitsmethoden auch in der einheimischen Landwirtschaft anzuwenden


Zeitungsbericht, gez. „Vaterland“ [1]

17.7.1920

Moderne Arbeitsweise in der Landwirtschaft

Durch die neuzeitliche Gestaltung der Löhne wie der Arbeitszeit wird die Landwirtschaft gezwungen, auch die Arbeitsweise und -zeit zu revidieren. Heute kann man unmöglich so zuwirtschaften wie früher, als die Löhne nur einem heutigen Trinkgeld gleichkamen. Zudem zwingt die Leutenot zu tunlichster Einschränkung der Dienstboten u. Arbeiter. Arbeitersparende Maschinen und Einrichtungen genügen nicht allein, man muss auch eine rationelle Arbeitsweise einführen und alte Übelstände und Gewohnheiten aufgeben. Hierüber hier einige Angaben.

Zunächst die Übelstände beseitigen. Nur zu gern reden die landwirtschaftlichen Dienstboten und Arbeiter von den grossen Löhnen und der kurzen Arbeitszeit in den Fabriken, sie hätten er gerne auch so, wollen aber die alten Übelstände und Gewohnheiten, die in der Fabrik längstens beseitigt sind, beibehalten. So kann es nicht gehen, wenn man Kost, Logis, alle Vorteile des bäuerlichen Engagements, namentlich auch einen hohen Lohn will, muss man einigermassen die modernen Arbeitsregeln erfüllen welche sind:

Rauchverbot während der Arbeit! Auf keinem Arbeitsplatz, wo Ordnung ist, darf während der Arbeit geraucht werden: dafür genügt der Feierabend und Sonntag, und wenn einer ganz verzichtet, ist er umso glücklicher. Es ist undenkbar, dass man rauchen und richtig voll arbeiten kann, weshalb man überall das Rauchverbot aufgestellt hat. Es ist ein schwerer Unfug, dass im landwirtschaftlichen Betriebe noch ganz allgemein geraucht wird, sogar dort, wo Feuergefahr vorhanden ist. Die Bekämpfung des Rauchens im landwirtschaftlichen Betriebe geschieht wie folgt: Der Meister und seine Leute erlauben sich nie, bei der Arbeit zu rauchen, sie gehen also mit dem guten Beispiel voran. Bei jüngern Arbeitern dulde man das Rauchen unter keinen Umständen, denn sie wissen ganz gut, dass man auf andern Arbeitsplätzen auch nicht rauchen darf. Bei etwas ältern Arbeitern und Angestellten macht man das so, dass man ihnen bei Lohnaufbesserungen ohne Rauchen den Lohn mehr, im andern Fall bedeutend weniger erhöht und ihnen freistellt, es so oder anders zu halten. Wöchentlich 1 bis 2 Franken mehr Lohn beziehen und gleich viel weniger rauchen, macht einen so grossen Unterschied, dass die Leute noch balb auf das Rauchen verzichten. Eingefleischte Raucher lassen sich nicht bekehren und ziehen den geringeren Lohn vor.

Es ist ein schwerer Unfug und nicht zu dulden, dass Arbeiter, Handwerker und Monteure, die im hohen Stundenlohn beim Bauer arbeiten, sich erlauben, im Dienste zu rauchen und es braucht das niemand zu dulden.

Das unnötige Schwatzen bei der Arbeit soll eingedämmt werden. Wie auf sonst. Arbeitsplätzen beschränkt man sich auf dienstliche Worte, im übrigen soll das viele Reden, das gemeine Tratschen, das Fluchen und Lamentieren, das Verhecheln der Leute und dergleichen unterbleiben. Bei gewissen landwirtschaftlichen Arbeiten ist das viele Reden ohnehin sehr hinderlich, es nimmt Zeit und Kraft weg, macht Durst, erschöpft, verzögert und erschwert die Arbeit.

Nicht Reden verhindert zunächst die vielen Zungensünden. die andernfalls sicher unterlaufen, es gibt weniger Misshelligkeiten, der Arbeiter kommt schneller vorwärts, er kann alle Sinne der Arbeit zuwenden, sie wird daher besser und exakter verrichtet. Kurz, die Arbeitsleistung gewinnt sehr an Quantum und Qualität. Es erscheint im Anfange schwer, das Reden bei der Arbeit zu unterlassen, wenn man sich daran gewöhnt hat, fühlt man sich glücklich dabei und empfindet es sehr, wenn man Umstände halber reden muss. Namentlich für verantwortliche Leute, Meister, Monteure, Handwerker, Leute, die viel zu denken und zu besorgen haben, ist das Schweigen sehr vorteilhaft, denn sie kommen ihrer Aufgabe viel sicherer nach und können sich auf das Kommende besser vorbereiten. Für das seelische und religiöse Leben ist das Schweigen geradezu Gold! – Weitaus die meisten Arbeiter in Fabriken, Geschäften und Arbeitsplätzen können und dürfen nicht unnötig reden, warum kann man sich in der Landwirtschaft nicht drein fügen? Weniger Reden fördert und verbessert die Arbeit und vermindert das Übel!

Beseitigen der unnötigen Zwischenmahlzeiten und Trinkereien! Bekanntlich gibt es in den meisten Ländern auch bei den landwirtschaftlichen Arbeiten gar keine Zwischenmahlzeiten und dabei bleiben die Leute mindestens so leistungsfähig wie bei uns. Wenn man den bestehenden Gewohnheiten Konzessionen machen muss, so soll man doch die Zwischenmahlzeiten – Erntezeiten ausgenommen – auf eine beschränken, also am Vormittag und Nachmittag je eine. Damit kommt man auch in der Schweiz an den meisten Orten aus, es gibt also drei Mahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten, wobei im Winter da und dort die vom Vormittag noch ausfällt. Dass man zwei und mehrmals Znüni und Zimmis mit 2 oder 3 Getränken nimmt, das ist ein Übelstand, verdirbt den gesunden Appetit, auch den Magen, vermindert die Arbeit, erfordert viel Bedienung, verteuert ungemein die Lebensweise usw. Man gebe den Leuten eine richtige gute Kost und beschränke die Zwischenmahlzeiten im Tag aus höchstens zwei.

Diese bösen Übelstände sollen beseitigt werden. -

Als zweite Forderung dringe man auf rationelle Arbeit (amerikanisches System). Das Wesen dieses bewährten Systems besteht für die Bauersame ungefähr in Folgendem.

Alles, was nicht unbedingt zur Arbeit gehört, wird unterlassen; jede unnötige Massnahme und Handbewegung unterbleibt. Jeder Arbeiter arbeite mir Ernst und Eifer, unter Aufbietung seiner ganzen Kraft, er unterlasse alles, was nachteilig ist, nicht dazu gehört.

Im Laufe der Zeit haben sich eine Menge Gewohnheiten eingeschlichen, die hinderlich, unnütz, ja nachteilig sind. Alles das wird unterlassen. Für die landwirtschaftliche Arbeit ist es wichtig, dass schon die Kleiderordnung eine peinlich exakte sei, damit man sich schnell an- und umkleidet, rasch zur Arbeit komme. Alle Gerätschaften u. Materialien müssen rechtzeitig repariert und betriebsbereit am richtigen Orte sein, damit man mit Suchen und Störungen nicht hingehalten wird.

Stalldienst: Ohne Umschweife sofort und schnell mit der Arbeit beginnen, die Arbeiten, genau einteilen in richtiger Reihenfolge und genau innehalten! Bei der Arbeit keine unnötige Bewegung machen, gleich mit voller Kraft anfassen-, fortsetzen und beenden, eines nach dem andern, kurz, sauber und knapp arbeiten. Geräte darf man nie verstellen, man soll nichts vergessen, jede Handbewegung richtig zu Ende führen, nicht zweimal ansetzen, wo es in einem Male geht. Jede Arbeit ganz verrichten, damit man [sich] nicht mehrmals dran machen muss!

Felddienst: Früh anfangen, kein Geschirr vergessen. Wagen und Geräte vorher gut in Stand stellen und ausrüsten, schmieren, ausbessern usw. Ohne Zaudern ausrücken, rasch zumachen, nicht unnötig herumstehen oder herumplaudern. Arbeit zielbewusst einteilen, kräftig ausführen, rechtzeitig beenden. Leute, die nichts überdenken, schlecht vorbereiten, Geräte und Materialien in bösem Zustand belassen, überhaupt nicht mit Eifer und Vorteil schaffen, die kommen nicht vorwärts.

Halte dich tunlichst genau an die Zeit! Früh beginnen, jedes Geschäft zur günstigen Zeit erledigen, nichts verspäten, auch zur rechten Zeit ruhen, essen, sich an gute Ordnung und Gewohnheit halten! Wer sich nicht an die Zeit hält, nach Belieben plampet und trampet, bei der Sonnenhitze graset und nachts heuet, immer der hinterste ist und sich an keine Zeit hält, der hält sicher einen rückständigen Betrieb.

Immer und alle Tage soll geschäftsmässig gearbeitet werden, nur nicht an Sonn- und Feiertagen. In einem vielgestaltigen Bauerngeschäft hat man immer Arbeit, zunächst die dringliche, welche an der Tagesordnung ist, nachher alle möglichen Verbesserungsarbeiten, Reinigungsarbeiten und dergl. Wer alle Tage richtig arbeitet, alles gut vorbereitet und die Nacharbeiten nicht vergisst, der vermag mit wenig Leuten viel zu bewältigen.

Halte auf rechtzeitigen Feierabend und genügende Schlafzeit. Rasch und richtig arbeiten, aber auch zur rechten Zeit aufhören und ruhen! Wir müssen einigermassen der neuen Arbeitszeit Rechnung tragen; wenn wir auch mit so kurzer Arbeitszeit nicht auskommen können, so solle man doch auf richtigen Feierabend und möglichst volle Sonntagsruhe halten.

Zahlreiche Landwirte schimpfen und lachen über die moderne Arbeitszeit, ohne zu bedenken, dass sie mit einer schlampigen Arbeitsordnung in 12 Stunden nicht fertig bringen, was ein Fabrikarbeiter bei schneidiger Ordnung in acht Stunden arbeitet. Man studiere einmal die Arbeitseinteilung und Ausführung, vielleicht in einer Schuhfabrik, wo man es hierin am weitesten gebracht hat. Da findet man die moderne Arbeitsweise, alles fein eingeteilt, keine unnötige Bewegung, kein unnützes Wort, alles arbeitet rasch und zweckmässig, die Leistung ist gross! Gewiss können wir es nicht genau so machen, immerhin aber viel besser und rationeller, als es bis anhin war. Die moderne Arbeitszeit und die modernen Löhne erfordern auch eine Modernisierung des Arbeitsbereiches in der Landwirtschaft.

 

______________

[1] O.N. 17.7.1920, S. 1 f. - „Vaterland" weist darauf hin, dass der Artikel aus einer andern Zeitung übernommen wurde. Gemeint ist vermutlich die katholisch-konservative Tageszeitung "Das Vaterland", die von 1871 bis 1991 in Luzern herausgegeben wurde.