Vereinbarung zwischen der Schweiz und Liechtenstein über die Regelung der fremdenpolizeilichen Beziehungen


Vereinbarung zwischen der Schweiz und Liechtenstein
über die Regelung der fremdenpolizeilichen Beziehungen
[1]

vom 28. Dezember 1923

Der schweizerische Bundesrat und die Fürstlich Liechtensteinische Regierung, gestützt auf Art. 33 und 34 des Vertrages über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet, haben nachstehende Vereinbarung über die Regelung der fremdenpolizeilichen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein getroffen:

Art. 1.

An der schweizerisch- liechtensteinischen Grenze wird keine Grenzkontrolle ausgeübt.

Art. 2.

Die schweizerischen Vorschriften betreffend Grenzübertritt, Wegweisung, Anmeldung, Zeitpunkt der Regelung des Aufenthaltverhältnisses, Strafen und Rekurs haben auch für das Gebiet des Fürstentums Geltung.

Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vereinbarung gelangen im besonderen folgende Bestimmungen im Fürstentum zur Anwendung:

  1. Art. 1 – 17, Abs. 1, 20 – 25 und 33, Abs. 1 und 3 der Verordnung des Bundesrates vom 29. November 1921 und die Kontrolle der Ausländer. An Stelle der eidgenössischen Zentralstelle für Fremdenpolizei, ausgenommen im Falle des Art. 9, und der Kantone bezw. der kantonalen Behörden tritt die Fürstliche Regierung. Diese teilt ihre Entscheide gemäss Art. 7 den Gesandtschaften und Konsulaten direkt mit; sie gibt von denselben, wie auch von den Entscheiden über die in Art. 18, Abs. 2, Art. 19, Abs. 1. und Art. 26, Abs. 3 beschriebenen Fälle der Zentralstelle durch die Zustellung einer Kopie Kenntnis.
  2. Ziff. 1 – 8 und 10 – 13 der Gebührenordnung vom 5. Mai 1922. Die Gebühren für die Einreisevisa fallen der Schweiz zu.

Art. 3.

Der Grenzübertritt in einen der beiden Staaten kann auch über das Gebiet des andern erfolgen. Für die Angehörigen der beiden Staaten genügt der Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit.

Der kleine Grenzverkehr Liechtenstein- Österreich wird entsprechend den Bestimmungen für den kleinen Grenzverkehr Schweiz- Österreich geregelt.

Art. 4.

Die Bestimmungen der beiden Staaten über die Regelung des Aufenthaltsverhältnisses für Ausländer bleiben vorbehalten.

Art. 5.

Das schweizerischen Arbeitsamt und die Fürstliche Regierung werden sich gegenseitig über den Stand des Arbeitsmarktes auf dem laufenden halten.

Im kleinen Grenzverkehr ist für die Arbeitsannahme die Bewilligung der zuständigen Behörde erforderlich, welche schweizerischerseits durch die Regierung der Grenzkantone bezeichnet wird.

Art. 6.

Aus der Schweiz ausgewiesenen Ausländern, Liechtensteiner ausgenommen, wird die Fürstliche Regierung Aufenthalt und Niederlassung nur mit Zustimmung des Bundesrates bewilligen. Besitzen sie schon eine Bewilligung, so wird sie ihnen auf Gesuch des Bundesrates entzogen, wenn dies nach dem liechtensteinischen Rechte zulässig ist.

Absatz 1, Satz 1, gilt auch für Wegweisungen und Einreisesperren.

Art. 7.

Aus dem Fürstentum ausgewiesenen Ausländern, Schweizer ausgenommen, wird Aufenthalt und Niederlassung in den Kantonen St. Gallen und Graubünden nur mit Zustimmung der Fürstlichen Regierung bewilligt. Besitzen sie schon eine Bewilligung, so wird sie ihnen auf Gesuch der Fürstlichen Regierung entzogen, wenn dies nach schweizerischem Rechte zulässig ist.

Art. 8.

Die beiden Staaten werden sich unerwünschte Ausländer nicht zuschieben. Wenn sich solche von dem einen Staat in den andern begeben haben, sollen sie von ersterem wieder aufgenommen werden, es sei denn, dass der andere Staat dem Ausländer Aufenthalt oder Niederlassung bewilligt hat.

Art. 9.

Die Fürstliche Regierung veröffentlicht ihre Ausweisungen und sonstigen fremdenpolizeilichen Mitteilungen im Schweizerischen Polizeianzeiger. Dieser wird der Fürstlichen Regierung unentgeltlich zugestellt.

Art. 10.

Die Fürstliche Regierung wird den Bundesrat hinsichtlich der im Fürstentum über Fremdenpolizei und Einbürgerung geltenden Vorschriften auf dem laufenden halten.

Art. 11.

Diese Vereinbarung tritt gleichzeitig mit dem Vertrag über den Anschluss des Fürstentums an das schweizerische Zollgebiet in Kraft.

Eine Kündigung des Zollanschlussvertrages erstreckt ihre Wirkung auch auf die gegenwärtige Vereinbarung.

Geschehen in Bern in doppelter Ausfertigung, den 28. Dezember 1923.

Für den schweizerischen Bundesrat:

(sig.) Motta

Für die Fürstlich Liechtensteinische Regierung:

(sig.) E. Beck


 


 

 

 

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[1]Nicht im LGBl publiziert. Rechenschaftsbericht der Regierung von 1923, S. 20-22.