Die Thurgauer Zeitung berichtet (in ironischer Form) über die "nicht verfassungskonforme Volksabstimmung" über den Verbleib von Josef Peer im Amt des Landesverwesers


Bericht der Thurgauer Zeitung, nicht gez. [1]

31.3.1921

Liechtensteiner Politik

Auf sonderbare Art wird im Fürstentum Liechtenstein politisiert. Nachdem früher ein Revolutiönchen angezettelt worden ist, das keinen Erfolg gehabt hat und später unter der Parole „Liechtenstein den Liechtensteinern“ ein grosser Rummel gegen die Wahl des Hofrates Dr. [Josef]Peer zum Landesverweser in Szene gesetzt worden ist, wird heute aus Vaduz gemeldet:

Am 28. März fand in Liechtenstein eine „nicht verfassungsmässige Volksabstimmung“ über das vorläufige Weiteramtieren des provisorischen Regierungschefs Hofrat Dr. Peer statt. Für das vorläufige Verbleiben stimmten 993, dagegen 615 Bürger. Dr. Peer erklärte im September 1920 bei Unterhandlungen mit Parteiführern ehrenwörtlich, dass er nach sechs Monaten, d.h. Ende März, die Stelle als Regierungschef dauernd niederlege. Hiefür verpfändete auch der fürstliche Kabinettsrat [Josef] Martin sein Ehrenwort als österreichischer Offizier.

Aus dieser Meldung wäre festzustellen: Erstens, dass es in Österreich immer noch Hofräte gibt; zweitens, dass in der liechtensteinischen Politik auf das Ehrenwort von Beamten abgestellt wird und drittens, dass irgend jemand „nicht verfassungsmässige Volksabstimmungen“ veranstalten kann. Vor allem wäre interessant, zu erfahren, wer die Volksabstimmung angerichtet hat. Jedenfalls einer von den unbeholfenen Operettenpolitikern, die schon das verunglückte Revolutiönchen angestiftet haben; wenn man Revolutionen organisiert, so sollte man mit einiger Sicherheit darauf rechnen können, kein Fiasko zu machen, und wenn man eine „nicht verfassungsmässige Volksabstimmung“ anordnet, so sollte man einigermassen sicher sein, dass der Schuss nicht hinten hinaus geht. [2]

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[1]Thurgauer Zeitung 31.3.1921 (LI LA SgZs 1921).
[2] Der Verfasser war in diesem Punkt offenbar schlecht informiert: Der Antrag auf eine Volksabstimmung wurde im Landtag vom FBP-Abgeordneten Peter Büchel gestellt und von den beiden FBP-Abgeordneten Johann Hasler und Johann Wanger unterstützt (LI LA LTA 1921/L19).