Die "Neuen Zürcher Nachrichten" kommentieren das Ende der Regierungskrise in Liechtenstein


Bericht in den "Neuen Zürcher Nachrichten", nicht gez. [1]

2.10.1926

Beendigung der politischen Krise in Liechtenstein

Bekanntlich bestund in Liechtenstein seit letzten Winter eine politische Krise, weil die Landtagsmehrheit (9 der Volkspartei angehörende Abgeordnete des Oberlandes) für die Besetzung des dem Unterlande zustehenden Mandates eines Regierungsrates den Vorschlag der Landtagsminderheit (6 der Bürgerpartei angehörende Abgeordnete des Unterlandes) nicht annahmen, deswegen den im Januar gewählten Landtag durch die der Volkspartei angehörende Regierung auflösen und im April Neuwahlen durchführen liess, die aber keine Änderung in dem Verhältnisse der Parteien zu einander brachten. Weil bei der Einberufung des am Ostermontag neugewählten Landtages Mitte April die Unterländer bei ihrem Vorschlag für die Regierungsratsstelle blieben und die Wahl ihres Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Ludwig Marxer aus Eschen, erreichen wollten, ging der Landtag wieder auseinander, ohne sich zu konstituieren. Seither bestund ein verfassungswidriger Zustand. Da auf ein Nachgeben der Mehrheit nicht zu rechnen war – obwohl der Kampf gegen Dr. Marxer einen persönlichen Anstrich hatte – erklärte vor zwei Wochen Dr. Marxer, aus der Überzeugung, dass die Verhältnisse im Lande unbedingt einen arbeitsfähigen Landtag erfordern, und in der Einsicht, dass infolge eines persönlich gegen ihn geführten Kampfes eine Einigung in der Regierungsratsfrage derzeit nicht möglich erscheine, die ihm übertragene Kandidatur als Regierungsrat unbedingt zurückzulegen. Daraufhin haben die unterländischen Abgeordneten und mit ihnen die Bürgerpartei den Landtagsabgeordneten Peter Büchel als Kandidaten für den Regierungsratsposten aufgestellt. Sohin wurde dann auf Donnerstag den 30. September der Landtag wieder einberufen und in dieser Sitzung nach Bestellung des Landtagsbureaus Peter Büchel als unterländischer Regierungsrat und Altgemeindekassier Josef Oehri aus Ruggell (Bürgerpartei) als dessen Stellvertreter gewählt. Der oberländische Regierungsrat und dessen Stellvertreter wurden der Volkspartei entnommen. Hiemit erscheint nun die seit 8 Monaten bestandene Krise erledigt.

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[1] "Neue Zürcher Nachrichten", 2.10.1926 (LI LA SgZS 1926).