Regierungskanzlist Anton Seger wird wegen unbefugter Ausstellung eines liechtensteinischen Reisepasses an einen Ausländer gerichtlich einvernommen


Protokoll der Beschuldigteneinvernahme des Regierungskanzlisten Anton Seger vor dem Landgericht, gez. Anton Seger [1]

6.9.1940

Vor dem f.l. Richter Dr. Hermann Risch und dem Schriftführer Xaver Frick

Über Vorladung erscheint Anton Seger, geb. am 10. Juli 1892 in Schaan, nach Vaduz zuständig, des Luzius und der Bertha geb. Beck, kath., ledig, Regierungskanzlist, in Schaan, und gibt als Beschuldigter vernommen an:

Es ist richtig, dass ich letztes Jahr einmal dem Wittel Karl einen Pass ausgestellt habe auf den Namen Franz Beck. Es lag mir jedoch ferne, jemand dadurch zu benachteiligen und ich habe auch keinen Vorteil davon gehabt. Ich mache das lediglich aus Gutherzigkeit, um einem armen Menschen zu helfen. Ich habe ihm anlässlich einer Vorsprache bei Reg.-Chef Dr. [Josef] Hoop kennen gelernt und in der Folge haben wir dann öfters miteinander gesprochen über die Aussichten einer eventuellen Niederlassung hier. Er sagte, er sei Ingenieur und hätte ein Patent für einen Motor, und dies werde zur Zeit beim amerikanischen oder französischen Generalkonsulat geprüft und er sollte unbedingt persönlich nach Zürich fahren und dabei anwesend sein. Er könne aber leider nicht in die Schweiz fahren und nach Deutschland getraue er sich nicht zurück, da ihm zumindest schwere Strafe drohe, wenn er nicht erschossen würde. Das war für mich umso begreiflicher, als zuvor ein Österreicher über die Grenze gestellt wurde, von dem es nachträglich hiess, er sei erschossen worden. Unter diesem Eindruck stand ich noch, als er mir das sagte. Ich habe dann allerdings gesagt, man müsste halt prüfen, ob man ihm einen Pass ausstellen könnte, damit er in die Schweiz zum Generalkonsulat und dann sofort ins weitere Ausland reisen könnte. Das hat er mir dann auch fest versprochen, denn sonst hätte ich ihm nie einen Pass gegeben. Ich wollte absolut nicht, dass der Mann etwa in der Schweiz bleiben sollte, sondern habe ihm im Gegenteil aufgetragen, mir eine Karte zu schreiben, sobald er im Ausland sei, damit ich wüsste, dass er jetzt draussen sei aus der Schweiz. Er hat mir weiter versprochen, den Pass zu vernichten, sobald er die Schweiz verlassen habe. Ich habe jedoch mit der Ausstellung des Passes immer gezögert und meine Bedenken dagegen wiederholt geäussert. Diese hat er mir jedoch zerstreut. Ich glaube sogar, dass ich zu ihm gesagt habe, wenn er in der Schweiz bliebe, würden wir ihn dort schon finden und dann hinausbringen. Ich wollte ihm dadurch drohen, dass er eben die Schweiz sofort verlasse. Er wollte dann, dass ich einen hochtragenden Namen in den Pass eintrage, was ich jedoch ablehnte. Ich habe dann den geläufigen Namen Franz Beck gewählt. Er wollte dann auch, dass ich den Pass mit einer Stempelmarke versehe, was ich ihm dann auch nicht tat. Desgleichen sollte ich ihm vorne am Pass eine Nummer anbringen, da er sagte, er könne sich erinnern, dass einmal jemand, weil diese Nummer gefehlt habe, ein Pass beanstandet worden sei. Das habe ich dann auch nicht getan.

Ich habe ihn sogar einmal gefragt, ob er nicht etwa ein Schwindler oder Gauner sei, worauf er mir erwiderte, er sei doch ein ehrlicher, redlicher Mensch.

Verlangt habe ich für den Pass nichts und habe mir auch nichts versprechen lassen. Ich liess mich lediglich durch meine Gutherzigkeit dazu bewegen, denn er befand sich tatsächlich in einer grossen Notlage, aber ich muss nochmals betonen, dass ich diesen Mann nicht wollte der Schweiz aufbürden, sondern ihm lediglich Gelegenheit geben, ins Ausland zu kommen.

Kaum hatte ich ihm den Pass ausgestellt, kamen immer stärkere Bedenken und ich wollte ihm dann den Pass abverlangen. Als ich jedoch ins Hotel Schlössle kam, wo er logierte, sagte die Wirtin, er sei bereits weg, habe jedoch noch eine Schuld von ca. Fr. 100.- bei ihr und wenn er bis zu einer gewissen Zeitz nicht zurückkehre, werde sie die Anzeige deswegen machen. Ich dachte, wenn sie Anzeige erstattet, bekommt er womöglich in der Schweiz Schwierigkeiten und sonst gelingt ihm vielleicht die Durchreise und so habe ich dann diese Schuld beglichen. Es dürfte auch richtig sein, dass ich ihm persönlich Fr. 10.- gegeben habe. Ich erstatte deswegen gegen ihn jedoch keine Anzeige, da ich glaube, dass ich es wieder bekomme, wenn andere Zeiten sind.

Ich möchte betonen, dass ich bei der ganzen Geschichte gedacht habe, so wie die Sache ist, kann man das verantworten, und fühle mich deshalb einer strafbaren Handlung nicht bewusst, da ich ja in erster Linie dem armen Menschen nur einen Liebesdienst erwiesen habe, wie ich glaubte. Hätte ich gewusst, dass er in der Schweiz zu bleiben die Absicht hätte, hätte ich ihm niemals einen Pass gegeben.

Gefertigt:

Zur Bekräftigung, dass er die Wahrheit gesagt habe, gibt Seger noch an:

Als mir die ersten Bedenken kamen, nachdem ich Wittel den Pass ausgestellt hatte, habe ich ein leeres Passformular genommen, das ich glaublich mit dem Regierungsstempel versehen hatte und ging mit diesem zu Wittel, um dieses gegen das von mir ausgefüllte Formular einzutauschen. Ich wollte, dass er dieses Formular selbst ausfülle. Wittel wollte jedoch davon nichts wissen und behielt das neue Formular, ohne das bereits ausgefüllte Formular zurückzugeben. Wittel müsste also auch dieses zweite Formular noch besitzen.

Gefertigt: [2]

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[1]LI LA J007/S073/226a. Das Einvernahmeprotokoll wurde am 6.9.1940 der Staatsanwaltschaft zur Antragstellung übermittelt. Diese beantragte am 23.9. die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Seger wegen des Verbrechens nach § 101 Strafgesetz sowie gegen Wittel wegen Anstiftung hiezu. Beantragt wurde ferner die Beischaffung der zwei Reisepässe. Am 7.10. ging der Akt erneut an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Antragstellung bzw. zur Anklageerhebung.
[2] Die Regierung teilte Anton Seger am 14. August 1941 mit, dass von einer gerichtlichen Verfolgung abgesehen werde. Seger wurde im Verwaltungswege gebüsst (LI LA RF 202/420/006).