Der Nationalsozialist Hugo Meier schiesst in Mauren auf NS-Gegner


Bericht des Sicherheitskorps, ungez., an das Landgericht [1]

28.3.1941

Meier Hugo, Gefährdung der körperlichen Sicherheit [2]

Nationale

Hugo Meier ist am 24.6.1918 in Mauren geboren, dahin zuständig, r. kath., ledig, Schreiner, ein Sohn des Eugen und der Josefine, geb. Ritter, besitzt kein Vermögen, hat Volksschulbildung und wohnt sonst in Mauren H.Nr. 76, ist aber zur Zeit flüchtig.

Tatgeschichte

Hugo Meier gefährdete am 26. März 1941 um ca. 20 Uhr auf der Hauptstrasse (Gensenbachplatz) vor dem Hause des Emilian Matt, Eisenhandlung, in Mauren, die dort um diese Zeit auf der Strasse stehenden Personen, an ihrer körperlichen Sicherheit, indem er ihnen eine geladene Pistole vorhielt und sagte: "Verschwinden oder es wird scharf geschossen" und gab dann kurz darauf auf die vor und neben ihm stehenden Personen zwei Schüsse ab, doch ohne sie zu treffen bzw. zu verletzen.

Beweismittel

Adrian Matt, Hilfspolizist, wohnhaft in Mauren erstattete am 26.3.1941 um ca. 20.05 Uhr über den in der Tatgeschichte bereits erwähnten Vorfall hierorts die telefonische Anzeige.

Die zur Einschreitung und Abklärung des Vorfalles sofort ausgerückten Schutzl. [Hermann] Meier u. [Ernst] Kaiser konnten nach dem Eintreffen in Mauren folgendes feststellen:

Auf dem Gensenbachplatz, wo sich der Vorfall abgespielt hatte, waren ca. 100 Personen versammelt. Diese Leute waren über das Vorgehen des Hugo Meier sehr empört und aufgeregt. Nachdem die Schutzl. Meier u. Kaiser einige Zeugen des Vorfalles verhört hatten, begaben sich Meier u. Kaiser in das Haus des Eugen Meier, Schreinermeister, Vater des Hugo Meier. Auf Befragen, wo sich Hugo befinde, sagte Eugen Meier, dass Hugo vor kurzer Zeit noch im Hause gewesen sei und er müsse jetzt sehr wahrscheinlich draussen sein. Wohin er gegangen sei wisse er nicht. Da angenommen werden musste, Hugo Meier befinde sich noch im Hause und habe sich vor der Polizei versteckt, wurde von Schutzm. Meier u. Kaiser eine Hausdurchsuchung vorgenommen, die jedoch ergebnislos verlief. Auch wurde vermutet Hugo Meier könnte sich im Nachbarhaus des Rudolf Matt, Schlossermeister aufhalten und es wurde dann auch dort etwas später von Schutzm. Kaiser u. [Gottfried] Sele im Beisein des Rudolf Matt eine Hausdurchsuchung vorgenommen, die aber ebenfalls ergebnislos verlief.

Angaben der Zeugen

Adrian Matt, Hilfspolizist, wohnhaft in Mauren gibt am 26.3.1941 um 22 Uhr am hiesigen Posten an: "Ich war ausserdienstlich in Mauren unterwegs und stand noch vor dem Hause des Aurel Matt, Kaufhaus, in Mauren. Es standen noch zwei jüngere Burschen dort und zwar: Xaver Marxer und Werner Jäger, beide von Mauren.

Gebhard Marxer von Mauren–Oberberg fuhr gerade mit dem Fahrrad von der Sennerei her auf den Gensenbachplatz und kehrte dort wieder um und fuhr gegen das Haus Nagel, [3] also einige Schritte in den Dunkel zurück, kam aber gleich wieder zu Fuss auf den Platz zurück. Als dieser auf den Platz kam, kam auch Emil Mündle daher. Als Mündle den Marxer sah, sagte er: 'Jetzt müssen die Buben einmal Heim, das geht nicht, dass solche Bürschchen die ganzen Nächte herumstreichen.' So etwas war der Wortwechsel. Gebhard Marxer hat glaublich nichts gesagt. Anscheinend muss Mündle schon vorher gereizt gewesen sein. Im gleichen Augenblick kamen Georg Matt, Hugo Meier und Eduard Oehri daher. Georg Matt und Hugo Meier sagten zu Emil Mündle: 'Ja das wollen wir jetzt sehen wer Ordnung macht.' Mündle hat auch in dieser Art und Weise geantwortet. Sie kamen dann näher zusammen, dann ging auch ich hin und es kamen dann gleich noch mehrere Leute dazu. Die ersten waren Hugo Ritter und Dominikus Marock. Hugo Meier sagte dann noch einmal: 'Jetzt wollen wir grad schauen wer Ordnung macht' und griff in die innwendige Rocktasche und zog etwas heraus. Ich konnte es zuerst nicht erkennen was er in der Hand hielt und glaubte es wäre irgend ein Werkzeug. Er hatte dann das Ding herum geschwungen und dabei gesagt: 'Platz gemacht oder es wird scharf geschossen.' Bei seinem Hin- und Herschwingen ging dann ein Schuss nach hinten, also hinter dem Hugo Meier los. Er schwang wieder eine Weile weiter und drückte dann den zweiten Schuss los, diesmal aber nach vorwärts. Dabei stand Emil Mündle und Hugo Ritter direkt vor Hugo Meier. Ich konnte auch deutlich sehen, dass das Feuer von der Schusswaffe beim Fuss des Mündle vorbei gegangen ist. Zu gleicher Zeit als der zweite Schuss abgegangen war, kam der Vater des Hugo Meier und sie gingen gleich darauf heimwärts zu. Ich ging dann sogleich zum Gemeindevorsteher [David Meier] hinüber und telefonierte von dort aus der Polizei."

Georg Matt, Schlosser, geb. am 24.2.1907 in Mauren, dahin zuständig, verheiratet, ein Sohn des Rudolf und der Cäzilia, geb. Lingg, wohnhaft in Mauren, H.Nr. 142 gab am 27.3.1941 um 14.35 Uhr durch Schutzm. Meier einvernommen an: "Ich war am Abend des 26.3.1941 um etwas 19.45 Uhr bei Eugen Meier im Hause. Ich ging nach dem Nachtessen dorthin, wo ich abends öfters bin. Dort befanden sich Eduard Oehri, Eugen Meier und dessen Sohn Hugo und noch andere Familienangehörige. Ich habe dann dort Eduard Oehri gefragt, wie habens die Patienten, sein Bruder [Fridolin Oehri] ist nämlich am 25. März abends vor dem Cafe Freiendorf in Mauren geschlagen worden, sodass er ziemlich stark verletzt wurde. [4] Eduard Oehri sagte mir, dass man sein Bruder Fridolin heute noch mit dem Krankenauto holen werde, er müsse ins Spital. Ich sagte dann zu Oehri, dann gehen wir ihn noch besuchen und ich fragte auch Hugo Meier ob er mit gehe. Hugo Meier erklärte sich bereit mitzugehen und sagte noch, er müsse noch einen Rock anziehen. Eduard Oehri und ich gingen bei Eugen Meier zur Haustüre hinaus und Hugo Meier kam auch gleich nach, er muss hinten hinaus gegangen sein und kam über den Hausplatz zu uns auf die Strasse. Ich und Oehri hatten die Fahrräder und ich sagte noch zu Hugo Meier, warum nimmst du das Fahrrad nicht. Wir gingen alle drei zu Fuss, Oehri und ich schoben die Fahrräder neben uns her. Als wir zum sogenannten Gensenbachplatz kamen (Gensenbachplatz liegt etwa 100 Meter vom Hause des Eugen Meier entfernt und es befindet sich dort eine Strassenkreuzung, die von einer Strassenlampe beleuchtet wird), kam gerade Emil Mündle um die Kurve und sagte zu uns: 'Da kommen schon wieder solche Lausbuben, macht dass ihr nach Hause kommt, das muss jetzt aufgehört haben' oder so ähnliches. Wir haben natürlich auch zurückgegeben und sagten, das geht dich nichts an, du bist nicht Polizist, wir gehen auf der Strasse wann wir wollen. Der Wortwechsel hat nicht lange gedauert aber mittlerweile waren schon einige andere Personen anwesend, den es war gerade zu einer Zeit als die Leute zur Sennerei gingen. Der Wortwechsel war ja auch ziemlich laut. Es ist auch gesagt worden man haut euch ein paar an den Grind und wie es etwa geht. Da nahm ich meine Radfahrpumpe vom Fahrrad, doch habe ich mit dieser nicht geschlagen. In diesem Augenblick sind dann zwei oder drei Schüsse gefallen, ich weiss nicht zuverlässig wieviel, mehr als drei glaub ich aber nicht. Ich habe auf mich selber acht gegeben und habe das Fahrrad vor mich hingehalten. Hugo Meier habe ich dann bei den vielen Leuten nicht mehr gesehen. Ich hörte dann noch einer rufen 'ich lasse mir nicht neben den Tschaken (Beinen) vorbeischiessen.' Eugen Meier kam dann auch noch dazu, worauf ich dann gleich mit ihm in sein Haus zurückkehrte. Als wir dorthin kamen war Hugo Meier schon daheim. Ich habe bei Hugo Meier vor und nach dem Zwischenfall kein Waffe gesehen. Hugo Meier sagte auch nichts zu mir, dass er geschossen habe. Ich telefonierte auch sogleich der Polizei. Hugo Meier sagte dann etwas später zu mir, dass er verschwinden werde und ich hatte den Eindruck, dass er sich aus dem Staube machen wolle, dass ihn die Polizei nicht finde. Wo er hingegangen ist weiss ich nicht, er hat zu mir nichts gesagt."

Emil Mündle, wohnhaft in Mauren H.Nr. 148, gibt an: "Am 26.3.1941 um ca. 19.50 Uhr ging ich von zuhause fort und wollte zum Gemeindevorsteher hinüber. Auf der Strasse traf ich dann noch Erwin Schreiber, der gerade mit der Milch in die Sennerei ging. Es ist bei uns üblich, dass sich die jungen Burschen am Abend vor dem Kaufhaus, Aurel Matt versammeln bzw. dort zusammen kommen. Es kam in letzter Zeit vor, dass einige von diesen Burschen: 'Heil Hitler' riefen oder sonst die Leute belästigten. Ich sagte dann zu Erwin Schreiber, während wir gegen den Gensenbachplatz gingen: "Jetzt werden wir dann dort einmal Ordnung machen." Als wir zum Gensenbachplatz kamen sah ich dort einige Burschen stehen und ein junger Bursche namens Gerhard Marxer fuhr mit dem Fahrrade ebenfalls daher. Ich sagte zu Gebhard Marxer und zu den anderen Burschen: 'So jetzt müssen diese Burschen einmal Heim, das geht nicht, dass diese die ganzen Nächte herumstreichen.' Währendem ich dies sagte, kamen Hugo Meier und Georg Matt um die Ecke vom Hause des Emilian Matt und sagten zu mir: 'Was du willst Ordnung machen.' Es kam dann zu einem Wortwechsel und Hugo Meier kam dann auf mich zu und sagte: 'So Platz gemacht oder es wird scharf geschossen.' Inzwischen kamen dann noch mehr Leute dazu. Hugo Meier gab gleich darauf zwei Schüsse ab, doch habe ich bei ihm allerdings keine Pistole gesehen. Ich weiss auch nicht ob Hugo Meier auf uns gezielt hat, ich habe nur gesehen, dass Hugo Meier geschossen hatte. Ich war so aufgeregt, dass ich heute den Vorfall nicht mehr genau schildern kann."

Hugo Ritter, geb. am 12.2.1922, wohnhaft in Mauren H.Nr. 45, gibt an: "Ich kam am Abend den 26.3.1941 um ca. 20 Uhr auf den Gensenbachplatz hinunter. Emil Mündle kam ebenfalls aus der entgegengesetzten Richtung zum Gensenbachplatz. Mündle sagte zu den auf der Strasse herumstehenden Burschen, sie sollen Heim. Im gleichen Augenblick kam Hugo Meier und Georg Matt gegen den Gensenbachplatz und sagten zu Mündle, sie lassen sich von ihm nicht heimschicken. Hugo Meier sagte: 'So jetzt verschwinden, wir haben die Macht.' Ich sah, dass Hugo Meier etwas aus der innwendigen Rocktasche zog, doch konnte ich es nicht erkennen was es war. Ich ging um ihn herum und sah dann, dass er eine Pistole in der Hand hielt. Hugo Meier hielt mir dann die Pistole vor das Gesicht und sagte: 'So jetzt verschwinden oder es wird scharf geschossen.' Ich sagte dann noch zu Hugo Meier, er solle nur schiessen. Meier schoss mir dann tatsächlich am Fuss vorbei, worauf dann Mündle zu ihm sagte: 'Hier wird nicht geschossen.' Kurz darauf gab Hugo Meier einen zweiten Schuss, welcher an mir und Mündle vorbei ging. Nach dem zweiten Schuss kam dann auch Eugen Meier, Vater des Hugo Meier, worauf sich dann Hugo Meier mit seinem Vater gleich entfernte und Richtung heimwärts ging."

Gebhard Marxer, des David Marxer, geb. am 4.2.1922, wohnhaft in Mauren, H.Nr. 175, gibt an: "Am 26.3.1941 um ca. 20 Uhr fuhr ich mit dem Fahrrade zum Gensenbachplatz hinunter und wollte dort gerade wieder umkehren. Es kam dann Emil Mündle dorther und rief mir zu: 'Heim mit dir.' Ich sagte dann zu Mündle, ich habe doch auch so viel Recht auf der Strasse, wie jeder andere. Währendem kam Hugo Meier und Georg Matt und diese hatten gleich einen regen Wortwechsel miteinander. Ich ging dann gleich etwas abseits von diesen weg und habe nicht alles gehört was dort gesprochen wurde. Ich hörte wohl, dass dort ein Schuss fiel, kann aber nicht sagen, wer geschossen hat. Als der zweite Schuss fiel, war ich schon ziemlich weit weg und ging heimwärts."

Eduard Oehri, geb. am 4.9.1918, wohnhaft in Mauren H.Nr. 12, gibt an: "Ich war am Abend den 26.3.1941 um ca. 20 Uhr bei Eugen Meier, Schreinermeister, in Mauren. Georg Matt und Hugo Meier wollten dann mit mir nach Hause um den verletzten Bruder, der ins Spital überführt werden sollte, zu besuchen. Als wir zum Gensenbachplatz kamen, rief Emil Mündle dem Gebhard Marxer zu, er solle nach Hause gehen. Mündle wollte uns dann ebenfalls nach Hause schicken und sagte: 'Wir machen heute selbst Ordnung, wir brauchen keine Polizei und keine Regierung.' Wir sagten dann zu ihm, dass wir uns von ihm nicht heimschicken lassen werden. Es kamen dann gleich mehr Leute dazu und einige von diesen machten Anstalten uns Schläge zu geben, worauf dann Hugo Meier zwei Schüsse abgab. Dies waren glaublich nur Blindschüsse, ansonst ja jemanden verletzt worden wäre, da Hugo Meier direkt auf die Leute geschossen hat. Erst nachdem die Leute mehr auf uns eindrängten, uns mit Schläge drohten, sagte Hugo Meier zu ihnen: 'Heute Abend wird nicht geschlagen, wie am 25. März, es solle ihn keiner anrühren andernfalls werde scharf geschossen.' Die Leute gingen dann auch etwas zurück, worauf wir dann den Platz verliessen."

Der Beschuldigte, Hugo Meier ist zur Zeit flüchtig und konnte nicht vernommen werden.

Eine abgeschossene Patronenhülse, die kurz nach dem Vorfall von Felix Batliner, Friseur, wohnhaft in Mauren, auf der Strasse (in der Nähe wo Hugo Meier die Schüsse abgab) gefunden wurde, legen wir der Anzeige bei.

Eine Patronenhülse als Blg.

______________

[1] LI LA J 007/S 074/067/001. E.Nr. 356. Eingangsstempel des Landgerichts vom 31.3.1941. Auf der Rückseite Vermerke zum weiteren Geschäftsgang: Der Bericht wurde am 3.4.1941 vom stellvertretenden Landrichter Hermann Risch weitergeleitet an Staatsanwalt Ferdinand Nigg und von diesem am 9.4.1941 mit Antrag auf Einleitung eines Strafverfahrens zurückgesandt. Eine Durchschrift des Berichts in LI LA V 005/1941/0356.
[2] Handschriftlich ergänzt: Gefährliche Drohung.
[3] Das Haus der Familie von Urban Nagel in der Nähe der Kirche.
[4] Am 25.3.1941 wurden in Mauren die Brüder Paul und Fridolin Öhri von NS-Gegnern überfallen und zusammengeschlagen (LI LA V 005/1041/383; LI LA J 007/S 074/070).