Der Landtag gewährt der Gemeinde Vaduz eine Subvention zur „Rekonstruktion“ der Rheinbrücke


Handschriftliches Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Albert Schädler und Landtagssekretär Andreas Heeb [1]

5.9.1900

I. Landesbeitrag zur Rekonstruktion der Vaduzer Rheinbrücke

Die Finanzkommission legt hierüber folgenden Antrag [2] zur Beschlussfassung vor:

„Der Landtag gewährt der Gemeinde Vaduz zur Rekonstruktion der Rheinbrücke eine Subvention bis zu 2/3 der diese Gemeinde treffenden Baukosten und lässt die Lösung der Frage, ob sich die Erhebung von Brückengeldern empfiehlt, vorläufig noch offen.“

Es gelangt ein Regierungsschreiben, [3] welches die Gewährung einer Subvention von 2/3 der die Gemeinde Vaduz treffenden effektiven Baukosten befürwortet, sowie ein Gutachten einer technischen Kommission, [4] bestehend aus den Hrn. Kantonsingenieur [Fritz] Bersinger, Oberingenieur [Jost] Wey und fürstlicher Landestechniker [Gabriel] Hiener, zur Verlesung.

Aus letzterem geht hervor, dass die Rheinbrücke, besonders in den Fundamenten der Widerlager und zum Teil auch der Joche deformiert und deshalb rekonstruktionsbedürftig sei. Würde ein Joch ausgespült oder ein Widerlager durch Unterspülung zum Einsturze kommen, so würde die ganze Brücke einstürzen. Die Widerlager, besonders aber das am rechten Ufer, ermangeln eines richtigen Vorgrundes und daher sei eine Einsturzgefahr bei ihnen sehr gross.

Die Rekonstruktion der Brücke wäre notwendig und möglich. Zu diesem Behufe müssten die Widerlager einen richtigen Vorgrund erhalten und durch Entfernung der kleinen Steine und Ergiessung von Cement zu einem einheitlichen Ganzen verbunden werden. Ebenso wäre die Einschalung der Joche zu ergänzen.

In der Debatte über den Antrag der Finanzkommission weist der Präsident auf die Wichtigkeit des Nachsatzes hin. Ob die Gemeinden Triesenberg und Triesen freiwillig etwas zur Deckung der Auslagen beitragen würden, sei fraglich und es erscheine nur gerecht, wenn die Gemeinden nötigenfalls auf administrativem Wege zur Leistung billiger Beiträge verhalten werden könnten.

Zur Behebung von Brückengeldern dürfte das Für und das Gegen noch reiflich erwogen werden, da sich die Verkehrsverhältnisse seit Erbauung der Brücken ganz verändert haben. Es könne doch nur als billig angesehen werden, wenn diejenigen, welche die Brücke benützen, die Kosten der Erbauung und Unterhaltung zu tragen haben. Wenn das Land mit grossen Kosten in den letzten dreissig Jahren dem Rheine Boden aus dem Rachen erobert habe, welcher in einigen Gemeinden um niedrigen Preis in die Hände von Ausländern gelangt sei, so wäre es nur gerecht, wenn die Nutzniesser zur Erhaltung der Brücke, welche sie so vielfach benützen, auch mit herangezogen würden, während es andererseits volkswirtschaftlich doch unklug sei, wenn das Land dieselben den Einwohnern des Landes gegenüber noch bevorzuge.

Die Rheinbrücken aber ganz abgehen zu lassen, halte er jedoch deshalb für nachteilig, weil wir dadurch vom Verkehr vielfach abgeschnitten würden, da man von uns aus die Bahnzüge der Schweiz rasch erreichen wolle, was besonders in der nächsten Zeit mehr der Fall sei. Die k.k. Staatsbahn trage sich nämlich mit dem Gedanken, auf der Strecke Feldkirch-Buchs die für uns so bequemen Morgen- und Abendzüge wieder ausfallen zu lassen.

Fürstl. Cabinetsrat [Karl] von In der Maur glaubt, die Einführung des Brückengeldes würde auch bewirken, dass die Herbstweide von den Schweizern in unserem Lande weniger benützt würde und dieses wäre vom Standpunkte der Veterinärpolizei sehr wünschenswert. Wenn wir erwägen, in wie wenig zuvorkommender Weise wir nach dieser Richtung von der Schweiz behandelt werden, so dürften Vorsichtsmassregeln, welche die Verhütung der Einschleppung von ansteckenden Viehkrankheiten aus der Schweiz wirksam unterstützen, nur angezeigt erscheinen. Bei der Erhebung von Brückengeldern sei aber auch der Zoll- und der Niederlassungsvertrag mit der Schweiz mit in Erwägung zu ziehen, da wir auf Grund dieser Verträge zur Erhebung von Brückengeldern nur bis zur Abtragung der Baukosten und zu einem Brückenunterhaltungsfonde berechtigt sind. [5]

Was aber die Erschwerung des Verkehres durch Auflassung der Morgen- und Abendzüge auf der Bahnstrecke Feldkirch-Buchs betreffe, sei er hiegegen beim k.k. Eisenbahnministerium vorstellig geworden und habe dort zugleich unter Darlegung wichtiger Gründe ersucht, es möchten auch die Schnellzüge auf der Station Schaan-Vaduz anhalten. [6]

Abgd. Ingenieur [Karl] Schädler regt an, es möchte bei diesem Anlasse auch dahin gewirkt werden, dass man vom Schnellzuge, der in Buchs Nachmittag um 3 Uhr ankommt, noch bequem den nach Feldkirch zurückfahrenden Zug benützen könnte.

Die Abgd. Landesvikar Canonikus [Johann Baptist] Büchel und [Josef] Beck (Schaan) finden es nur gerecht und billig, wenn diejenigen, welche die Brücke benützen, zur Unterhaltung derselben in Form von Entrichtung von Brückengeldern herbeigezogen werden.

Der Antrag der Finanzkommission wird sodann einstimmig angenommen. [7]

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[1] LI LA LTA 1900/S04/2. Leicht abweichende maschinenschriftliche Abschrift ebd. Vgl. auch L.Vo., Nr. 37, 14.9.1900, Beilage („Landtags-Bericht über die Sitzung vom 5. September 1900“).
[2] LI LA LTA 1900/L01 (Ziff. 1 der Tagesordnung Nr. 4 des Landtagspräsidiums für die auf den 5.9.1900 anberaumte Landtagssitzung). Weitere Exemplare ebd. sowie unter LI LA LTA 1900/S03.
[3] Vgl. das Schreiben von Landesverweser Karl von In der Maur an den Landtag vom 29.8.1900 (LI LA LTA 1900/S15/6).
[4] Vgl. das Protokoll über den Befund der Rheinbrücke Vaduz-Sevelen, gezeichnet am 16., 19. und 24.4.1900 (LI LA RE 1900/0834 ad 0377).
[5] Vgl. Art. 11 des Handelsvertrages zwischen Österreich-Ungarn (gleichzeitig in Vertretung des Fürstentums Liechtenstein) einerseits und der Schweiz andererseits vom 10.12.1891, LGBl. 1892 Nr. 1, sowie Art. V des liechtensteinisch-schweizerischen Niederlassungsvertrages vom 6.7.1874, LGBl. 1875 Nr. 1. Die genannte Bestimmung betreffend die Zulässigkeit der Einhebung von Brücken- und Weggeldern in Liechtenstein und Vorarlberg findet sich jedoch in Art. 24 Abs. 1 des Vertrages zwischen Seiner Majestät dem Kaiser von Österreich und Apostolischen König von Ungarn und Seiner Durchlaucht dem souveränen Fürsten von Liechtenstein über die Fortsetzung des durch den Vertrag vom 5.6.1852 gegründeten Österreichisch-Liechtensteinischen Zoll- und Steuervereines vom 2.12.1876, LGBl. 1876 Nr. 3.
[6] Dem Einschreiten der liechtensteinischen Regierung war offenbar z.T. Erfolg beschieden: Das k.k. Eisenbahnministerium sah von der Auflassung des 6 Uhr 30 früh von der Station Buchs abgehenden und des um 7 Uhr 49 abends in der Station Buchs eintreffenden Personenzuges trotz der geringen Frequenz dieser Züge ab (L.Vo., Nr. 38, 21.9.1900, S. 1 („Vaduz“)).
[7] Die amtlich Kollaudierung der neuen Rheinbrücke Vaduz-Sevelen fand am 4.6.1901 statt. Die Herstellung der Brücke erforderte einen Kostenaufwand von insgesamt 30'000 Franken (L.Vo., Nr. 24, 14.6.1901, S. 1 (ohne Titel)). – Zur Frage der zeitweiligen Einhebung von Brückengeldern in Vaduz, Balzers und Schaan vgl. die Protokolle der öffentlichen Landtagssitzungen vom 22.12.1902 (LI LA LTA 1902/S04/2) und vom 22.12.1903 (LI LA LTA 1903/S04/2). Vgl. ferner LI LA RE 1902/1854, LI LA LTA 1903/L03 und LI LA RE 1903/1867.