Die liechtensteinische Regierung protestiert gegen die deutsche Pressekampagne gegen Liechtenstein


Schreiben der Regierung, gez. Regierungschef Josef Hoop, an die Gesandtschaft in Bern [1]

9.4.1933

Wir beehren uns, Sie im Hinblicke auf die andauernde Hetze in deutschen Blättern gegen das Fürstenhaus und unser Land, [2] die durch den versuchten Menschenraub an den Brüdern Rotter [3] womöglich noch verschärft wurde, zu ersuchen, das Schweizerische Politische Departement um beschleunigte Absendung nachstehender Note an die Deutsche Reichsregierung zu bitten:

"Seit langer Zeit ist das Fürstentum Liechtenstein Gegenstand heftigster Angriffe in zahlreichen reichsdeutschen Blättern. Diese Angriffe ergehen sich in den gröbsten Verleumdungen, Unwahrheiten und Unterschiebungen. In überaus zahlreichen Fällen ist auch unser durchlauchtigstes Fürstenhaus und besonders Seine Durchlaucht der regierende Fürst Franz I. in durchaus unqualifizierbarer Weise in diese Zeitungsangriffe einbezogen worden.

Diese Angriffe sind durch die kürzlich versuchte verbrecherische Entführung der bekannten Brüder Rotter, wobei der ältere der Brüder Rotter mit seiner Frau [Gertrud Schaie] tötlich verunglückte, neuerdings aufgelebt. So, wie sich heute das deutsche Reich der Greuelpropaganda im Auslande erwehrt, so muss sich auch die fürstlich liechtensteinische Regierung des Lügenfeldzuges im Auslande erwehren.

In diesem Bestreben ist die fürstlich liechtensteinische Regierung auch bereit, mit der deutschen Reichsregierung alle Deutschland und Liechtenstein zwischenstaatlich berührenden Angelegenheiten, wie Kapitalflucht, Einbürgerung u.s.w. zu besprechen und die deutsche Reichsregierung über die Verhältnisse in Liechtenstein zu orientieren. Es wäre der fürstlich liechtensteinischen Regierung erwünscht, wenn die deutsche Reichsregierung einen Vertreter beauftragen würde, in einer Konferenz in Vaduz alle zwischenstaatlichen Berührungspunkte zu besprechen oder aber einen Vertreter der fürstlich liechtensteinischen Regierung zu einer solchen Besprechung nach Berlin oder jeden anderen gewünschten Ort des deutschen Reiches einzuladen.

Die fürstlich liechtensteinische Regierung gibt sich der Erwartung hin, dass eine solche Besprechung der Fortdauer und Festigung der deutsch-liechtensteinischen Beziehungen nützlich wäre.

Die fürstlich liechtensteinische Regierung benützt auch diesen Anlass, die deutsche Reichsregierung ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern." [4]

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[1] LI LA RF 131/409/032.
[2] Zur deutschen Pressekampagne gegen Liechtenstein vgl. die Zeitungsausschnitte in LI LA RF 131/409.
[3] Alfred und Fritz Schaie.
[4] Die Note wurde erst am 5. Mai übergeben. In der endgültigen Fassung wurde auf Wunsch der Schweiz eine Konferenz von liechtensteinischen, deutschen und schweizerischen Vertretern in Bern oder Berlin vorgeschlagen (DE PA AA, R 71.388). Zu den Vorbehalten der Schweiz gegen ein bilaterales Treffen Liechtenstein-Deutschland vgl. LI LA RF 131/409/023.