Berichterstattung über den Regierungswechsel von Fürst Johann II. zu Fürst Franz I. und den damit zusammenhängenden Ereignissen


Auszug aus dem Rechenschaftsbericht der Regierung an den Landtag für das Jahr 1929 [1]

o.D. (1930)

11. Verschiedenes

[…]

Montag, den 11. Februar, halb 6 Uhr abends, verschied in seinem Schlosse in Feldsberg unser durchlauchtigster und allverehrter Landesfürst Johann II. [2] Die fürstliche Regierung ordnete im Einvernehmen mit dem bischöflichen Landesvikariate durch 4 Wochen strenge Landestrauer an. [3] Dienstag, Mittwoch und Donnerstag nach dem Todestage wurde in jeder Kirche von 11 bis halb 12 Uhr mit allen Glocken geläutet. Vergnügungsanlässe wurden für 4 Wochen untersagt und jeden Abend bis zum Tage der Beisetzung des dahingeschiedenen Landesfürsten ein Seelenrosenkranz abgehalten.

Dienstag, den 12. Februar vormittags 9 Uhr versammelte sich der Landtag zu einer Trauersitzung, in welcher der grossen Verdienste des verblichenen Landesfürsten gedacht wurde. [4] Beim gleichen Anlasse wurde seitens des Regierungsvertreters das Handschreiben Seiner Durchlaucht des Fürsten Franz I. betreffend Übernahme der Regierung durch Seine Durchlaucht zur Kenntnis gebracht.

Dienstag [Donnerstag], den 14. Februar fand in Feldsberg die Einsegnung der sterblichen Überreste Seiner Durchlaucht statt. [5] Aus dem Lande wohnten der Einsegnung Regierung und Landtag bei. Freitag, den 15. Februar erfolgte die feierliche Beisetzung in Wranau, an welcher nur die engeren Mitglieder des Fürstenhauses sowie Landtagspräsident [Anton] Frommelt, Regierungschef Dr. [Josef] Hoop und Landesvikar Dr. [Johann Georg] Marxer teilnahmen. [6]

In der Landtagssitzung vom 13. März fand die verfassungsmässig festgesetzte Erbhuldigung im Landtag statt [7], an welcher das nachstehende Höchste Handschreiben [8] zur Kenntnis gebracht wurde:

„Gemäss Art. 3 und 13 der Verfassung übernahm ich als Fürst Franz I. die Regierung des Fürstentums Liechtenstein. Gleichzeitig beurkunde ich, dass ich das Fürstentum in Gemässheit der Verfassung und der übrigen Gesetze regieren, seine Integrität erhalten und die landesfürstlichen Rechte unzertrennlich und in gleicher Weise beobachten werde.

Franz"

In gleicher Weise wurde der Aufruf Seiner Durchlaucht des regierenden Fürsten Franz vom 12. Februar 1929 verlesen [9]:

An mein Volk in Liechtenstein!

Dem Allmächtigen hat es gefallen, meinen innigstgeliebten, unvergesslichen Herrn Bruder, den Regierenden Fürsten Johann II. aus diesem Leben in ein besseres Jenseits abzuberufen. Tief bewegt und erschüttert stehen ich, mein Haus und ganz Liechtenstein an der Bahre des hohen Verblichenen, dem von der Vorsehung durch mehr als sieben Jahrzehnte die Leitung der Geschicke des Landes anvertraut war.

In jungen Jahren vor eine verantwortungsvolle Aufgabe gestellt, hat der Fürst mit väterlicher Fürsorge und unbeirrbarem Gerechtigkeitssinn, stets nur auf das Wohl seines Landes und der Allgemeinheit bedacht, im Verein mit den verfassungsmässig berufenen Faktoren das Fürstentum aus allen Wirren und Gefahren, durch gute und böse Tage, zu einem ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung geführt und der Mitwelt ein leuchtendes Beispiel wahrer Herrschertugend und edelster Menschlichkeit gegeben.

Sein Werk soll uns Vermächtnis sein.

In schwerer Zeit trete ich der Verfassung und den Hausgesetzen gemäss die Regierung mit festem Willen an, in den Bahnen, die der hohe Verblichene vorgezeichnet hat, weiter schreitend, das Erbe meiner Väter getreulich zu verwalten, die verfassungsmässigen Rechte und Freiheiten zu wahren und das Wohl des Landes und seiner Bewohner mit allen Kräften zu fördern. Mit Zuversicht zähle ich darauf, dass Regierung, Landtag und Volk mich in der Verwaltung dieses schweren Amtes jederzeit tatkräftig unterstützen werden.

Das walte Gott!

Schloss Feldsberg, am 12. Februar 1929.

gez. Franz.

gez. Dr. [Ludwig] Marxer,

fürstl. Regierungschef -Stellvertreter

Präsident [Anton] Frommelt gab nachher als Vertreter des Landes die Erklärung ab, treu und unentwegt zu Fürst und Fürstenhaus zu halten und schloss seine Huldigungsrede mit einem Hoch auf Seine Durchlaucht Fürst Franz I.

An Seine Durchlaucht ging im Anschlusse an die Sitzung ein Huldigungstelegramm folgenden Wortlautes ab [10]:

„Das Volk von Lichtenstein huldigt heute durch seine Vertreter in Landtag und Regierung Euer Durchlaucht als regierenden Fürsten und Landesherren und schwört unverbrüchliche Treue zu Fürst und Fürstenhaus. Indem wir zu Gott dem Allmächtigen um eine lange und segensreiche Regierungszeit beten, erbitten wir zugleich ehrfurchtsvoll fürstliche Huld und Wohlwollen für Euer Durchlaucht treuergebener Landeskinder.

Landtagspräsident [Anton] Frommelt

Regierungschef Dr. [Josef] Hoop."

Montag, den 22. Juli fand die Vermählung Seiner Durchlaucht des Regierenden Fürsten Franz mit Frau Elsa von Erös geb. Baronin Guttmann statt. Landtag und Regierung haben namens des Liechtensteiner Volkes dem durchlauchtigsten Fürstenpaare ihre Glückwünsche unterbreitet und die Versicherung steter Treue und Ergebenheit erneuert.

Samstag, den 10. August besuchte das durchlauchtigste Fürstenpaar zum ersten Male sein Land. Die Fahrt von der Landesgrenze zum Schloss war unter dem festlichen Geläute der Glocken ein wahrer Triumphzug und das durchlauchtigste Fürstenpaar gewann sich im Sturm die Herzen aller Liechtensteiner.

Sonntag, den 12. August fand die feierliche, öffentliche Erbhuldigung vor dem Schlosse in Vaduz statt. [11] Nach einem von Seiner Bischöflichen Gnaden Georgius Schmid von Grüneck zelebrierten feierlichen Hochamt begaben sich das durchlauchtigste Fürstenpaar, die Abgeordneten und die Mitglieder der Regierung in den Landtagssaal, wo eine kurze Festsitzung stattfand. Mittags waren die Landesbehörden zum Mittagessen bei Seiner Durchlaucht eingeladen. Um 2 Uhr hatte sich vor dem Schlosse eine vieltausendköpfige Menge versammelt, die dem Fürstenpaare ihre Huldigung darbrachte. Nach einer Rede des Landtagspräsidenten versicherte Seine Durchlaucht, in den Traditionen Hochseines durchlauchtigsten Vorgängers das Land zu regieren und ihm sein fürstliches Wohlwollen zu bewahren. Die Feier war von erhebender Würde und wird allen Teilnehmern unvergesslich bleiben. Während der folgenden Tage stattete das Fürstenpaar sämtlichen liechtensteinischen Gemeinden einen Besuch ab und wurde überall mit der grössten Herzlichkeit empfangen. Zur Erinnerung an diese Tage errichtete das durchlauchtigste Fürstenpaar eine Stiftung von 100’000 Fr. (Franz und Elsa-Stiftung) für die Jugend Liechtensteins [12] und bekundete damit neu das väterliche Wohlwollen für seine Landeskinder.

Am 26. August verschied in Graz Seine Durchlaucht Prinz Franz von und zu Liechtenstein im Alter von 62 Jahren. Ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle, war er hochverehrt von allen, die die Ehre hatten, ihn zu kennen. R.I.P.

Am 24. September stattete das durchlauchtigste Fürstenpaar dem Bundespräsidenten [Robert Haab] der Schweizerischen Eidgenossenschaft in Bern einen Besuch ab.

Am 12. Oktober traf Seine Durchlaucht Prinz Karl von und zu Liechtenstein zu kurzem Aufenthalt in Vaduz ein.

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[1] Rech.ber 1929, S. 49-51.
[2] Vgl. den Nachruf auf Fürst Johann II. im "Liechtensteiner Volksblatt" vom 12.2.1929 (L.Vo., 1929.2.12a).
[3] Bekanntmachung des katholischen Landesvikariates und der Regierung vom 11.2.1929 (L.Vo., 1929.2.12b). 
[4] Protokoll der Trauersitzung des Landtags vom 12.2.1929 (LI LA LTP 1929/003).   
[5] Siehe die diesbezügliche Berichterstattung über die Einsegnungsfeierlichkeiten in Feldsberg im "Liechtensteiner Volksblatt" vom 19.2.1929 (L.Vo., 1929.2.19).
[6] Siehe die diesbezügliche Berichterstattung über die Beisetzung in Wranau im "Liechtensteiner Volksblatt" vom 21.2.1929 (L.Vo., 1929.2.21a).  
[7] Protokoll der Landtagssitzung vom 13.3.1929 (LI LA LTP 1929/006).  
[8] Vgl. das Höchste Handschreiben betreffend die Übernahme der Regierung durch Seine Durchlaucht Fürst Franz I. vom 12.2.1929, LGBL. 1929 Nr. 3.   
[9] Siehe Anmerkung 7.  
[10] Siehe Anmerkung 7.
[11] Bericht über die öffentliche Huldigungsfeier u.a. in den "Liechtensteiner Nachrichten" vom 13.8.1929 (L.Na., 1929.8.13).
[12] Siehe die Statuten der Franz und Elsa-Stiftung für die Jugend Liechtensteins vom 23.1.1930, LGBl. 1930 Nr. 3.