Chronologie der Ereignisse in der "Spitzelaffäre" am 23. und 24. Jänner 1937


Amtsvermerk von Regierungschef Josef Hoop [1]

o.D. (24.1.1937)

Nach Erscheinen des bezüglichen Artikels im Liechtensteiner Volksblatt vom Samstag den 23. Jänner 1937, der im ganzen Lande grösstes Aufsehen hervorrief und Veranlassung gab, dass eine schärfste Behandlung aller in die Affaire Verwickelten eintrete, erteilte der Gefertigte der Polizei den Auftrag, eine Hausdurchsuchung im Büro des seinerzeitigen Heimatdienstes vorzunehmen und da eine Überprüfung der einzelnen Aktenstücke sofort nicht möglich war, das gefundene Material zu beschlagnahmen und zu versiegeln. Desgleichen ordnete der Gefertigte eine Hausdurchsuchung in der Wohnung des Barons an. Da Baron [Carl von] Vogelsang bei der Hausdurchsuchung in seinem Büro erklärte, es könne auch ein Missbrauch des Stempels vorliegen, so sei z.B. auch schon [John] Büchel [2] viel im Büro gewesen und habe Zugang zu allem gehabt, ordnete der Gefertigte auch dort eine Hausdurchsuchung an. Der Verdacht gegen Büchel war umso naheliegender, als Büchel sich sehr viel nach Buchs begibt und dort auf dem Postamte wohl zur Beförderung oder Empfangnahme von Briefen sich aufhält.

Im Laufe des Vormittags richteten die Herren Dr. [Otto] Schädler, Dr. [Alois] Vogt und Baron Vogelsang einen Protest gegen die Veröffentlichung des Materials an die Regierung und erklärten, dass sie alle drei unschuldig seien und mit der Sache nichts zu tun haben. [3] Sie billigten die Hausdurchsuchung, wie sie auch erklärten, dass sie den grössten Wert auf eine Abklärung der Angelegenheit legen. Der Gefertigte zeigte Ihnen Photokopien der Originalschreiben [4], auf welchen die Unterschriften von Vogelsang, von Dr. Vogt spontan als die Vogelsangs bezeichnet wurden. Ich erklärte ihnen auch, dass wenn sie an der Echtheit zweifeln, wir in der Lage seien, lückenlos den Gang des Briefes vom Zeitpunkte, da er aus den Händen Vogelsangs entgegen genommen wurde, bis zum Zeitpunkte, wo er wieder in Vaduz war, nachzuweisen und durch Zeugen bekräftigen zu lassen. Auf das hin beschränkten sich die Vorsprechenden auf eine Verteidigung ihrer Person.

Sonntag, den 24. Jänner 1937 liess ich durch Polizisten [August] Eberle Baron von Vogelsang auf 11 Uhr zum Gefertigten vorladen, um von ihm Aufklärung über die vorliegenden und allenfalls weitere Briefe zu verlangen. Ich hielt dies im Interesse einer raschen Abwicklung und Abklärung in allseitigem Interesse gelegen. Polizist Eberle fand jedoch Baron Vogelsang nicht in seiner Wohnung vor [5] und der dort anwesende Prof. Ferd[inand] Nigg erklärte Eberle, dass Vogelsang auch die Nacht nicht in seinem Hause verbracht habe.

Darauf ging Eberle ins Haus Dr. Schädlers, wo er den Baron vermutete. Dr. [Otto] Schädler erklärte, der Baron sei nicht zu sprechen, aber er werde in seiner Begleitung und in Begleitung Dr. [Alois] Vogts um 11 Uhr zur Regierung kommen. Die Genannten kamen jedoch nicht. Um 12 Uhr rief Dr. Vogt den Gefertigten an, der Baron sein nicht in der Lage, bei der Regierung zu erscheinen, aber er habe ihn beauftragt, für ihn Erklärungen abzugeben, ich wolle mich künftig an ihn wenden (Wahrscheinlich war zu diesem Zeitpunkte Vogelsang schon ausser Landes). 

 

 

 

 

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[1] LI LA RF 169/170/002/007.  
[2] zeitweilger Sekretär des Liechtensteiner Heimatdienstes.
[3] Siehe LI LA RF 169/170/002/005.  
[4] Es handelte sich um das Denunziationsschreiben Vogelsangs gegen Steuerkommissär Ludwig Hasler bei deutschen Stellen von 1934.  
[5] Die Wohnung Vogelsangs befand sich im Haus des Künstlers Ferdinand Nigg an der Schlossstrasse in Vaduz.