Die Regierung Schädler bietet Fürst Johann II. ihre Demission an


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Schriftführer Franz Xaver Hoop, Schriftführer Baptist Quaderer, Landtagspräsident Wilhelm Beck und Protokollführer Guido Feger [1]

15.6.1928

III. Demission der Regierung

Reg. Chef [Gustav Schädler]: Die Regierung erhielt gestern Vormittag ein Telefon der fürstl. Cabinettskanzlei Wien, das eine Demission der Regierung betraf. In der folgenden nachmittägigen Regierungssitzung wurde beschlossen, Wien telegrafisch um eine schriftliche und genaue Bestätigung des Telefongespräches zu ersuchen. Daraufhin ist heute folgendes Telegramm eingetroffen:

"Fürstlicher Regierungschef.

Auf Telegramm Wiederholung telefonischer Mitteilung von heute Mittag: Landesfürst [Johann II.] ersuchen zur Erleichterung einer Entwirrung gegenwärtiger Lage Demissionierung der gesamten Regierung in Erwägung zu ziehen und bis heute abends telefonisch oder telegrafisch dem Fürsten Antwort zukommen zu lassen. Seine Durchlaucht würden sehr bedauern, in dieser Hinsicht vom Artikel zehn Schlussatz der Verfassung [2] Gebrauch machen zu müssen. Mit der Genehmigung der Demissionierung werden höchste Weisungen wegen Auflösen des Landtages und wegen Fortführen der Amtsgeschäfte der Regierung auf Grund des erwähnten Artikels folgen. Als Übergangsregierung fürstlicher Prinz [3] mit zwei Regierungsräten in Aussicht genommen stopp Erforderliche Sanierungsmassnahmen werden selbstverständlich von Übergangsregierung und zwar vorbehaltlich der Billigung durch den Landesfürsten in etwa bereits eingeleiteter Hinsicht weitergeführt werden. Ersuchen Drahtantwort wegen Demissionierung bis morgen 15. Mittag stopp Ergeht zur Vermeidung von Verzögerungen gleichzeitig an Regierungsräte [Alois] Frick Balzers und Peter Büchel Mauren stopp Im Auftrage Cabinettskanzlei."

In der heutigen Regierungssitzung wurde beschlossen dem Landtag folgende Erklärung abzugeben: "Auf Grund des soeben gefassten Regierungsbeschlusses biete ich im Namen der Gesamtregierung die Demission an. Die Regierung erklärt, dass sie zur Sanierung der bei der Sparkassa vorgekommenen, tief bedauerlichen Verfehlungen bis zur letzten Minute alle ihr von den Fachleuten angeratenen und aus der Sache erwachsenen Vorkehrungen restlos getroffen hat, und dass sie den festen und ehrlichen Willen hatte, das Sanierungswerk zum Nutzen der Sparkassa und des Landes, sowie der Einleger fortzuführen und ihre gesetzliche Pflicht zu erfüllen. Die Regierung ist in diesen Bestrebungen durch die Intervention von anderer Seite gehindert worden und bietet die Demission über ausdrücklichen Wunsch Seiner Durchlaucht des regierenden Fürsten an.

Es ist der Wunsch der abtretenden Regierung, dass es gelingen möge, die Sanierung zum Nutzen des Landes und seiner Bevölkerung durchzuführen. Die Regierung muss sich aber jeder Verantwortung an einer Verzögerung der Sanierungsaktion, die durch die Demission verursacht werden könnte und einem dadurch bedingten Schaden, ausdrücklich entschlagen."

Quaderer: Die Abgeordneten der Volkspartei bedauern die Demission der Regierung auf einseitige Information in Wien hin [4] und können sich ohne Kenntnis von Personen und Sachlage nicht einverstanden erklären.

Peter Büchel: fragt an, ob zur Demission die Zustimmung des Landtages erforderlich ist.

Dr. Beck: Es steht nicht ausdrücklich in der Verfassung. - Allerdings kann sich der Landtag aussprechen, ob er überhaupt einen Grund zur Demission sehe.

[Andreas] Vogt: Man hätte den Landtag vorher anhören sollen. Wir bedauren was geschehen ist; wir stehen voll und ganz hinter der Regierung. Wir können ihr das vollste Vertrauen aussprechen.

Peter Büchel: Wenn von Vertrauen oder Misstrauen die Rede ist, könnte die Abstimmung zum zweischneidigen Schwerte werden. An der Sachlage kann es nichts mehr ändern. Hilfe kann uns doch nur vom Fürsten kommen.

Vogt giebt die Erklärung ab:

"Die Abgeordneten der Volkspartei erklären hiemit zu Protokoll, dass sie bereit waren zur Sanierung, welche die bei der Sparkassa begangenen Handlungen erfordern, bereitswilligst im Interesse des Landes mitzuhelfen.

Nach ihrer Überzeugung ist dies aber erschwert, infolge Intervention von anderer Seite, der die ganze Angelegenheit nur Mittel zum Zwecke zu sein scheint, während doch in erster Linie es Aufgabe wäre, die Landesinteressen zu wahren.

Sie weisen auf die für das Land, die Sparkassa und die Einleger eintretenden, unabsehbaren Folgen und Schädigungen hin, welche mangels einer ruhigen und ordnungsmässigen Abwicklung eintreten könnten. Die Verantwortlichkeit haben jene zu tragen, die eine gedeihliche Zusammenarbeit aller beteiligten Kreise nicht wünschen."

Diese Vorgänge sind nicht darnach die Lage zu mildern.

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[1] LI LA LTP 1928/064.
[2] In Art. 10 Schlusssatz der Verfassung vom 5.10.1921, LGBl. 1921 Nr. 15, ist das fürstliche Notverordnungsrecht verankert: "In dringenden Fällen wird er [der Landesfürst] das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren."
[3] Als interimistischer Regierungschef wurde Prinz Alfred eingesetzt, welcher vom 24.6. bis zum 6.8.1928 amtierte.
[4] Am 13.6.1928 wurde von Johann II. in Wien eine Delegation der Bürgerpartei empfangen.  Diese bestand aus Josef Ospelt, Fritz Walser, Emil Batliner und Ludwig Marxer.