Die Gesetzesinitiative zur Einführung eines Schächtverbotes wird vom Landtag mit 11 von 15 Stimmen verworfen


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Anton Frommelt und Protokollführer Anton Seger [1]

22.4.1929

Zu Punkt 5) Initiative auf Einführung eines Schächtverbotes [2]

Abg. [Franz] Amann: Sollte diese endlose Quälerei im Lande zustande kommen, so wäre es die grösste Schmach, die jedenfalls Liechtenstein einmal erlebt hat. In allen Kulturstaaten wird heftig agitiert gegen die Schächtung. Tausende von Gutachten bezeugen, dass das Schächten einfach eine Tierquälerei ist. Umgekehrt aber werden von der anderen Stelle auch Gutachten aufgestellt, die anders lauten. Diese sind meistens nur von Juden unterschrieben oder von deren Söldnern. Sie sind eigentlich nicht stichhältig. Die Schweiz hat das Schächten mit Mehrheit verboten. [3] Wir im Lande sollten doch ein Beispiel nehmen von der Schweiz. Da ist es leider anders. In unserem katholischen Lande wird das Schächten befürwortet. Das ist eben das Traurige an der ganzen Sache. Ich frage: Warum wollen wir eigentlich dieses Schächten? Man verspricht: Das Land hat grosse Einnahmen, man sagt von Fr. 10'000.-, sage und schreibe 1 Franken für den Bürger. Ja, und dann ist es eben traurig. Es ist eine Barbarei und das können wir nicht anders machen? In der Schweiz wird das Schächten natürlich verworfen und dann verspricht man sich grossartige Einnahmen und die sind sowieso nicht stichhältig. Ein Verdienst, der zum Himmel schreit, bringt kein Glück. Jeder Gerechte erbarmt sich auch des Viehes. Man sagt, wie einer gegenüber dem Vieh veranlagt ist, ist er auch gegenüber dem Menschen. Die Lage des Landes spricht nicht dafür, dass wir zur Mastviehzucht übergehen können. Ich wie der grösste Teil würden es lieber sehen, wenn das Tierschutzgesetz [4] besser ausgebaut würde, damit man für das Tier einen humaneren Tod bereiten könnte. Es ist das Schächten dann auch leider ein Verstoss gegen die Religion. Da möchte ich schon die hohe Geistlichkeit bitten, sie möchte energisch gegen das Schächten auftreten. Sollte das Schächten aber trotz alledem mit knapper Mehrheit zustande kommen, so müsste man doch alle Hebel in Bewegung setzen, dass es doch früher oder später zu Grabe kommt.

Präsident [Anton Frommelt]: Da die Stellung gegen das Schächten als Standessache aufgefasst worden ist, möchte ich betonen, dass dies nie in der Konferenz der Geistlichkeit behandelt wurde. Die Geistlichkeit fühlt sich eben nicht veranlasst, in dieser Frage Stellung zu nehmen. Im Verhalten der Kirche ist in dieser Beziehung kein Umstand, keine Erklärung zu finden, dass die Kirche das Schächten als unkirchlich oder unkatholisch verurteilt hätte. Von dem Moment an aber, wo das Schächten als eine Tierquälerei taxiert werden kann, von diesem Moment an ist es ein sittliches Problem und von da an wäre jeder Geistliche verpflichtet, dagegen Stellung zu nehmen. Die Behauptung aber, dass Schächten eine Tierquälerei ist, ist eben bloss eine Behauptung, kein Beweis. Dass das Schächten als die grösste Schmach des Landes, die je geschehen wäre, genannt werden könnte, muss korrigiert werden. Nach den Vorkommnissen der letzten Jahre dürfen wir das nicht so nennen. Wir müssen jeder Übertreibung ferne stehen. Der Hauptpunkt, über den man sich klar sei muss, ist der: Ist das Schächten eine Tierquälerei. Ist es dies, so wird jeder gesittete Mensch davon Umgang nehmen, für das Schächten einzustehen. Dass Schächten die grösste Schmach ist, die wir erleben könnten oder je erlebt haben, möchte ich als eine überspannte Behauptung etwas einschränken.

Abg. [Emil] Baltliner: Ich möchte die Frage, ob Schächten eine Tierquälerei ist oder keine, nicht weiter verfolgen. Es ist einwandfrei festgestellt worden, dass es keine Tierquälerei ist. Dessenungeachtet werden wir die Frage auch nicht entscheiden. Das Schächten ist nach meiner Auffassung im Interesse vom Lande. Jedem Bauer ist wenigstens Gelegenheit geboten, dass er sein Schlachtvieh verkaufen kann. Das andere betrachte ich als Nebensache. Ich betrachte es als keine Tierquälerei. Ich habe aber das grösste Bedenken, dass die Schächterei herkommt, wenn in unserem Lande dieserwegen eine solche Treiberei ist.

Abg. [Gustav] Ospelt: Über die Schächterei hat man schon viel gelesen und gestritten. Ich habe meine Meinung unbeeinflusst gemacht. Ich halte das Schächten für eine Tierquälerei. Darum wollte ich eben, dass es ausser Weg bleibt. Für die Bauern verspreche ich mir wirklich gar nichts. Wenn man bei uns wollte umstellen auf Mastvieh, dann frage ich, mit was will man mästen. Im Unterland ist das noch eher möglich als im Oberland. Da könnte man kein Vieh mehr in die Alpen treiben. Mit was wollen wir dann das Vieh füttern? Angenommen wir wollten es füttern und mästen, mit was füttern wir es im Winter? Nur dann können wir einen grösseren Viehstand haben, wenn wir das Vieh in die Alpen treiben können. Wir können keine Futtermittel erzeugen, wir müssten solche einführen. Im Unterland wäre es eher möglich, vielleicht könnte man die Tiere mit Kartoffeln füttern. Das liesse ich mir noch gefallen. Nach meiner Meinung ist das Schächten eine Tierquälerei. Früher hat man die Ferkel zu Boden geworfen und gestochen, dann hat man das verboten. Heute will man das wieder einführen. Das halte ich nicht für recht.

Abg. [Ferdinand] Risch: Ich bin anderer Ansicht wie Ospelt. Es gibt Bauern, die rein auf die Bauernsame angewiesen sind. Dabei gibt es solche, die neben der Bauernschaft auch andere Einnahmequellen haben, die ihnen mehr einbringen. Die Ersteren sind mit wenig Ausnahmen für das Schächten. Nachdem wir wirtschaftlich an die Schweiz angegliedert sind, müssen wir da hin schauen. Dort wird sehr darauf gearbeitet von der Schönviehzucht auf Mastviehzucht überzugehen. Das andere Vieh kauft ihnen bei der hohen Valuta niemand mehr ab, nur vielleicht im Kompensationshandel mit Getreide.

Abg. Ospelt: Wollten wir Mastvieh züchten, so hätten wir das schon lange tun können. Wenn man geglaubt hätte, mit Mastvieh mehr zu verdienen, so hätte man es schon lange können.

Abg. [Franz Josef] Marxer: Wenn man ein wirkliches Absatzgebiet hat, wo man weiss, dass man richtige Masttiere absetzen kann, zum richtigen Preis, wird sich mancher überlegen, wie er besser steht, mit dem einen oder mit andern. Verspielen kann man da gar nicht, auch wenn im Moment nicht viel eingeht. Auch wenn das Land nur Fr. 10'000 einnimmt. Hunderttausende gehen nicht zu viele ein. Wenn man 10 mal 10'000 Fr. hat, hat man auch 100'000 Fr. Darum könnte ich nicht Nein sagen, umsomehr als nachgewiesen ist, dass es keine Tierquälerei sein soll. Wir haben Autoritäten, die behaupten, es sei sogar die schmerzloseste Todesart.

Abg. Risch: Es ist auch gesprochen worden von Kulturstaaten. Soviel ich weiss, ist das Schächten in keinem Staate verboten, nur in der Schweiz. Diese hat in der Verfassung eine diesbezügliche Klausel. Während der Kriegszeit war es aber auch in der Schweiz gestattet. Wenn die Regierung deswegen, dass sie das gestattet hat, so angegriffen wird, wie wäre es, wenn sie diese wirtschaftliche Frage kurzerhand abgewiesen hätte. Da wäre es noch viel schlimmer gewesen.

Abg. [Franz Xaver] Hoop: Was die Seite der Tierquälerei anbetrifft, so stelle ich mich, weil auf beiden Seiten Gutachten über das Schächten vorliegen, darauf nicht ein. Aber im Unterland wird die Viehzucht, so stelle ich mir vor, noch umgestellt werden. Dort ist es mit der Alpung nicht so günstig wie im Oberland. Wir im Unterland haben das Vieh in allen möglichen Alpen. Es muss deshalb in der Schächtfrage im Unterland mehr Gewicht für die Bewilligung werden als im Oberland.

Abg. Ospelt: Ich möchte nicht missverstanden werden. Ich bin nicht deswegen ein Schächtgegner, um der Regierung einen Vorwurf zu machen. Ich bin es auf Grund rein persönlicher Auffassung. Sobald ich die Zeitung las, habe ich gesagt, das fehlt jetzt gerade noch, dass man bei uns auch noch schächtet.

Präsident: Wir müssen auf den Punkt der Initiative, dass die Schächtung eine Tierquälerei sei, eingehen. Wenn dieser Punkt hinfällt, so ist die Sache ganz anders. Wenn jene, die für die Schächterei sprechen, Autoritäten sind, so ist nach meiner Ansicht die Sache geregelt.

Reg. Chef [Josef Hoop]: Abg. Amann hat gesagt, es sei traurig, dass man dem Volke empfehle, die Initiative zu verwerfen. Der Vorwurf richtet sich in erster Linie gegen die Regierung, die sich grundsätzlich bereit erklärt hat, die Schächtung zu bewilligen. Ich halte es deshalb notwendig, aufzuklären, wie die Regierung in die Lage gekommen ist, diese Bewilligung zu erteilen: Als ich von massgebendster schweizerischer Seite angefragt worden bin, ob schächten bei uns erlaubt oder verboten sei, habe ich nichts anderes antworten können, als es sei nicht verboten. Wenn ein ausländischer Gewerbetreibender bei uns um Bewilligung zum Schächten ansucht, so darf dies bei der herrschenden Reziprozität nicht verwehrt werden. Wir hätten also nach dem Stande unserer Gesetzgebung die Bewilligung nicht verweigern können. Wir haben es wenigstens so gemacht, dass wir Vorteile daraus gezogen haben. Ich fragte den Tierarzt ... [5], er sagte, von Tierquälerei sei beim Schächten keine Rede. Ich habe dann nicht ermangelt, Autoritäten zu hören. Es sind mir auch eine Menge Broschüren mit Gutachten zugekommen. Tatsächlich sind ebensoviel für das Schächten wie gegen dasselbe. Im ganzen Wirrwarr Pro und Gegen haben sich die jüdische Behörden an jene Stellen gewandt, die die massgebendsten sind, das sind die Physiologen. Sie haben sich an die grössten Physiologen der Universitäten gewendet, die die massgebendsten sind. Diese haben die Sache nach allen Richtungen untersucht. Sie kommen übereinstimmend zum Schlusse, dass Schächten keine Tierquälerei sei. Der einzige Nobelpreisträger der Physiologie behauptet: Wenn Schächterei rituell von geübten Schächtern ausgeführt werde, und das ist immer der Fall, dann könne von einer Tierquälerei nicht im geringsten gesprochen werden. Es gibt sogar Physiologen, die behaupten, Schächten sei die rascheste Art, den Tod herbeizuführen. Von einer Tierquälerei ist nach Ansicht der Regierung keine Rede. Sie hat sich diese Ansicht auf Grund der zahlreichen Gutachten gebildet. Den Vorwurf, dass wir etwas gemacht hätten, das dem Lande zum Schaden gereiche, müssen wir zurückweisen. In der Schweiz haben seinerzeit auch Bundesrat, Ständerat und Nationalrat Verwerfung der Initiative angeregt.

Reg.Rat [Peter] Büchel: Regierungschef Dr. Hoop hat den Standpunkt der Regierung eigentlich gekennzeichnet. Als der Chef das erste Mal am Telefon sagte, es sei eine jüdische Gesellschaft da, war meine erste Frage: Ist das Schächten keine Tierquälerei. Wir wollten zuerst sicher sein, ob es keine Tierquälerei sei. Nachher hat sich die Regierung scharf auf die Literatur geworfen. Ich habe gesagt: ich möchte das Schächten einmal sehen. Ich, Abg. Risch und Vorsteher ... [6] haben dann in St. Louis das Schächten angeschaut. Ich bin zum Schlusse gekommen, dass es keine Tierquälerei ist. Zwar wird es keinem in einem Massenschlachthaus sympathisch vorkommen. Aber es ist auch nicht sympathisch, wenn Tiere niedergeschossen oder gekeult werden. Wenn man das Schächten einmal gesehen und den sofortigen Tod der Tiere gesehen hat, kommt einem das nicht zum Bewusstsein, z.B. wie Professor [Johannes] Ude, da man sich schon auf diesen beruft. In meinen Augen geht er schon in anderen Sachen zu weit. Dieser hat in Zürich vorgebracht, man sollte für Tiere Altersasyle und Spitäler bauen. Schächten ist einfach wirtschaftlich, speziell in unseren armseligen Verhältnissen. Jeder, der über mehrer Stücke Vieh verfügt, hat von Zeit zu Zeit ein gutes Rind oder eine junge Kuh, die er verkaufen kann, aber nur mit Schaden bei unseren Metzgern. Hier hätte man Absatzgelegenheit. Wenn man objektiv sein wollte, so könnte man wenigstens nicht in dem Masse gegen das Schächten auftreten, wie dies heute der Fall ist.

Reg.R. Büchel liest sodann einen Brief, der ihm von hoher kirchlicher Seite in der Frage des Schächtens zugegangen ist und in dem wörtlich steht, dass man mit gutem Gewissen für oder gegen das Schächten sein könne. Hätte man die Schächtbewilligung nicht erteilt, so hätte man den Stiel umgedreht, und hätte gesagt, man hätte nicht wirtschaftlich gehandelt. Man kann alles übertreiben. Es wäre viel gescheiter, wenn man sich der Menschen mehr annehmen würde als der Tiere. In meinen Augen ist das ein Unsinn. Wir hätten noch andere Gesetze zu schaffen als ein Schächtverbot.

Abg. Ospelt: Man beruft sich beiderseits auf die verschiedenen Fachleute. Nun da möchte ich nur sagen, dass man natürlich immer mehr jenen glaubt, deren Ansicht mit der eigenen Meinung mehr übereinstimmt. Aber dass für unser Land viel herausschaut, kann ich nirgends hintun, das kann ich nicht glauben. Ich glaubte, wenn man eine Alkoholsteuer einführen würde, würde mehr herausschauen, das brächte grössere Einnahmen. Eine Alkoholsteuer wäre höchst notwendig.

Frommelt: Das möchte ich sagen: Alle Beide wollte ich.

Hier ist nur zu sagen, dass wir sorgen müssen, dass dem Lande die nötigen Einnahmen zufliessen, wenn sie auch nicht gerade zu Tausenden einlaufen. Wir müssen schauen mit kleinen Einnahmen hauszuhalten.

Ich meine, wenn es wirklich eine berechtigte Einnahme ist, haben wir die Pflicht, die Quelle dieser Einnahme nicht zu verstopfen.

Ospelt: Ich bin auch nicht dagegen, dass das Land Einnahmen haben soll. Aber sagen, das Schächten sei keine Tierquälerei, das kann ich nicht verstehen. Warum hat man eingeführt, dass man ein Tier schiessen oder betäuben muss, bevor man es schlachtet. Warum durfte man die Schweine nicht mehr einfach ausbluten lassen, wie es früher geschah?

Präsident: Einen Unterschied müssen wir doch machen zwischen Schächten und dem blossen Abstechen wie dies früher bei den Schweinen z.B. geschah. Es handelt sich eben immer nur um die Frage der Tierquälerei. Die einzige Begründung der Initiative ist eben die Tierquälerei, die mit Schächten verbunden sein soll und daher unter Tierschutz falle. Auf diese Begründung der Initiative sollte man sich vor allem konzentrieren.

Abg. Risch: Es wurde wiederholt gesagt, es bringe bloss 10'000 Fr. ein, was nützt uns das. Ich verspreche mir viel mehr. Wir müssen das annehmen.

Abg. [Georg] Vogt: Ich möchte einmal anfragen, wie viel die Gemeinde Schaan von Fr. 10'000 bekommt, oder ob allenfalls das Land allein diesen Betrag bekommt.

Abg. Risch: Ich darf sagen, Schaan war zuerst gar nicht auf die Sache versessen. Wir wollten sogar Nendeln als Ort der Schächtung vorschlagen. Selbstverständlich erwachsen der Gemeinde dadurch viele Auslagen durch Entwässerungsgraben, es gibt ziemlich viel Abfälle, es braucht ziemlich viel Wasser im Schlachthaus u.s.w. Sollte einmal der Fall einer Seuche eintreten, so hat uns Herr Dr. [Gottlieb] Flückiger vom schweizerischen Veterinäramte bereits versprochen, dass das Schlachthaus ein eigener Seuchenbezirk wäre für sich selbst. Es wird übrigens jeder Waggon untersucht. Ist er frei, so darf er einrollen, sonst rollt er ins Seuchenschlachthaus nach Rorschach. Schaan wird ca. Fr. 3500.- bekommen durch das Schächten.

Reg.Rat Büchel: Da der Herr Regierungschef nicht anwesend ist (augenblicklich) möchte ich erklären, dass das Land ausser den Fr. 3500.- (die Schaan bekäme) noch ca. Fr. 10'000 bekäme. Dieser Betrag würde sich, wenn mehr geschlachtet würde, erhöhen, allenfalls erniedrigen. Schaan bekäme gewisse Taxen pro Stück und das Land auch pro Stück.

Mir kommt aber vor, dass in der Frage der Schächterei in Liechtenstein noch andere Faktoren viel mehr mitspielen als nur die Tierquälerei.

Abg. Vorst. [Basil] Vogt: Weil die Gefahr betreffend Einschleppung der Seuche in Liechtenstein gross wäre, wäre ich der Ansicht, dass die Hauptsache oder alles dem Lande zufliessen solle und dass der Gemeinde Schaan nur die effektiven Auslagen zufliessen sollen. Die Gefahr der Seucheneinschleppung ist sehr gross.

Abg. Ospelt: Ich möchte nur noch bemerken, es würden, so sagt Reg.R. Büchel, andere Momente mitspielen bei der Schächterei. Ich möchte festgestellt haben, ob er damit uns meint. Ich habe absolut keine Nebensachen. Das ist meine persönliche Ansicht (dass Schächten eine Tierquälerei ist). Diese Ansicht an diesem Platze vorzubringen, habe ich auch das Recht.

Abg. Büchel R.Rat: Zum Überflusse möchte ich auch noch bestätigen, dass ich mit meiner Äusserung zum wenigsten den Abg. Ospelt treffen wollte. Man wirft der Regierung vor, sie sei eigentlich noch in den Kinderschuhen, das Schächten sei eine Schmach. Aber in der Öffentlichkeit ist man mit der Regierung so umgegangen, dass man wirklich zum Schlusse kommt, dass es sich nicht nur um Tierquälerei, sondern um etwas ganz anderes handelt. Wenn man das Schächten nicht bewilligt hätte, wäre der Angriff von der anderen Seite gekommen, da bin ich felsenfest überzeugt.

Abg. Risch: Abg. Vorsteher Vogt hat erwähnt, dass die Gde. Schaan ca. Fr. 3000.- bekomme. Ich muss sagen, dass wir absolut nicht etwa der Regierung dankbar zu sein brauchen, das hat nicht sie uns eingehändigt, das haben wir verlangt. Im anderen Falle sollte die Schächterei nach unserer Absicht und unserem Willen anderswohin verlegt werden. Uns ist es ganz gleichgiltig, wenn die Schächterei nicht nach Schaan kommt.

Abg. Amann: Ich muss bemerken, ich war meiner Lebtag ein Tierfreund und schon meine Eltern haben mich dazu verhalten, die sagten, man solle die Tiere nicht quälen. Ich kann nicht begreifen, dass im 20. Jahrhundert die Lehre aufkommt, es sei keine Tierquälerei.

Die Bauern haben die meisten die Auffassung, dass Schächten eine Tierquälerei ist. Sie sagen es nicht, aber sie wollen es nicht sagen. Ich wollte nicht der Regierung einen Vorwurf deswegen machen. Mit dem Einkommen ist es leider null und nichts.

Dr. [Josef] Hoop: verliest den Text der Konzession, die unter bestimmten, später näher zu umschreibenden Bedingungen vorläufig probeweise auf 1 Jahr gewährt wurde, und fügt vorher noch bei: Ich möchte noch vorher dem Abgeordneten Amann erwidern, dass ich die Tierfreundlichkeit eines jeden Menschen sehr hochschätze. Ich glaube, ich bin der Erste, der gegen jede Tierquälerei auftreten wird. Aber nach allem, was ich eben gelesen und gehört habe, bin ich der Ansicht, dass Schächten keine Tierquälerei ist. Der Vertrag ist noch nicht abgeschlossen.

Abg. Vorsteher Vogt: Ich habe gesagt, dass infolge der Schächtung die grosse Gefahr einer Seucheneinschleppung besteht, und die Einnahmen deswegen zur Gänze dem Lande zufallen sollten, nur die effektiven Auslagen der Gemeinde.

Präsident: Das ist eine privatrechtliche Vereinbarung der Gemeinde, diese können wir nicht hindern.

Dr. Hoop: Wir hatten mit der Gemeinde Schaan manchen Streit. Diese hat nämlich Forderungen aufgestellt, auf die die Juden niemals eingegangen wären. Das Land sollte auch etwas haben. Sie sagte oft: Die Juden sollen nach Nendeln hinunter. Sie sagte, sie habe mehr Sorge wegen dem Abwasser u.s.w. Sie verlange das und das.

Präsident: Wenn Bedingungen da sind, die dem Lande nicht genügen, so können diese noch immer erhöht werden. Was die Gemeinde Schaan betrifft, so braucht diese nicht in den Vertrag hineingenommen zu werden.

Dr. Hoop: Die Durchführung ist Sache der Regierung, nicht des Landtages. Das würde nicht wohl angehen, wenn die Regierung mit irgend jemandem einen Vertrag schliessen würde und hintennach käme der Landtag und würde sagen, Ihr müsst so und so viel haben, so geht das zu weit.

Präsident: Ich meine nicht für die schon gegebene Konzession, sondern als Direktive für die Zukunft, wenn der Landtag glaubt, dass das zu wenig Einkommen wäre und die Initiative verworfen würde.

Abg. [Josef] Gassner: Es ist nun die Frage Für und Gegen ziemlich reichlich diskutiert worden. Der Landtag wird dazu schreiten müssen, die Sache zu verabschieden. Ich habe szt. in der Finanzkommission meinen Antrag präzisiert und erklärt, die Frage der Tierquälerei könne ich nicht entscheiden. Früher haben wir, wie bereits der Abg. Ospelt betonte, bereits allgemeine Schächterei gehabt. Man hat die Tiere einfach abgestochen. Die frühere Regierung hat dies dann verboten. Mir ist schon damals in der Finanzkommission vorgeschwebt, dass wir mit den Juden wahrscheinlich kein Geschäft machen werden, abgesehen von allen Zeitungsschreibereien. Dann hätten dies andere schon lange, dann hätten nicht wir es bekommen. Meine Meinung ist also, dass wir überhaupt kein Geschäft machen können. Juden verlangen verschiedene Sorten Fleisch, das wir 70 % von heute auf morgen nicht bieten können. Sie verlangen ferner ein bestimmtes Alter der Tiere. So wie die Sache heute liegt, könnte ich mich nie für das Schächten einverstanden erklären, obwohl ich sicher glaube, dass die Regierung sicher nur das Beste wollte, als sie die Konzession erteilte.

Dr. Hoop: Abgeordneter Gassner hat sehr vernünftige Worte gesprochen bezüglich Tierquälerei u.s.w. Bezüglich Geschäftmachens mit den Juden möchte ich doch etwas erwidern. Gassner sagt: Wenn es ein Geschäft wäre für uns, nicht ein Geschäft wäre für die Juden, so kämen sie nicht zu uns. Da verneint der Abgeordnete Gassner den Zweck, warum sie gerade bei uns schächten wollen. Sie schächten der ganzen schweizerischen Grenze entlang, rings um die Schweiz herum. Diese ausländischen Staaten verlangen von den Juden, die dort schächten, dass sie ihr Vieh aus den eigenen Staaten dazu nehmen. Jetzt soll aber in Zukunft diese Einfuhr von jährlich 3000 Stück verhindert werden, jetzt soll innerhalb der Zollgrenze geschächtet werden. In Liechtenstein gilt die Bundesverfassung nicht, hier darf geschächtet werden, nachdem es ein Zollgebiet ist. Der Zweck ist erreicht worden, ohne dass die Bundesverfassung verletzt worden ist. Erst in letzter Zeit haben die Juden erreicht, dass das Vieh, das in St. Louis geschächtet wird, wieder eingeführt werden darf. Deshalb also kommen die Juden zu uns, nicht weil sie uns ausbeuten wollen. Es wird dann die Möglichkeit geboten sein, von Stunde zu Stunde, Vieh abzusetzen. Die Wagen rollen in Schaan an und das ganze Fleisch samt Innereien rollt wieder in Kühlwagen ab. So ist es bis jetzt. Wenn andere Wünsche laut werden sollten, so lassen die Juden in allen Punkten mit sich reden.

Abg. Büchel: Man verwechselt das Schächten mit dem ganz gewöhnlichen gemeinen Abstechen von früher. Früher gab es Metzger, die nicht einmal recht metzgen konnten. Beim Schächten werden beide Schlagadern, wie in einem Schnitt, bis zum Halswirbel durchtrennt. Wer das Schächten gesehen hat, bekommt einen ganz anderen Begriff davon, man redet da über etwas, was man nicht recht kennt.

Abg. Ospelt: Ich möchte vorschlagen, dass man über diese Sache das Volk entscheiden lässt.

Präsident: Jede Initiative, die vom Landtage verworfen wird, kommt vor das Volk.

Abg. Amann: Ich möchte, dass die Abstimmung über die Initiative so schnell als möglich erfolgt.

Es kommt sodann zur Abstimmung:

Ergebnis der öffentlichen Abstimmung:

4 Stimmen für die Initiative

11 Stimmen dagegen. [7]

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[1] LI LA LTP 1929/031.
[2] Die Initiative, lanciert von Franz Amann, Rudolf Schädler und Tierarzt Johann Frommelt, war von 724 Stimmbürgern unterzeichnet. Anlass war ein Konzessionsgesuch von Schweizer Juden zum Betrieb einer Schächterei in Schaan.  
[3] In der Schweiz wurde das Schächten 1893 verboten. Die diesbezügliche Volksinitiative der Deutschschweizer Tierschutzvereine wurde mit 60 % Ja-Stimmen angenommen.    
[4] Zum Verbot der Tierquälerei vgl. § 64 der Schlussabteilung zum Personen- und Gesellschaftsrecht vom 20.1.1926 (PGR), LGBl. 1926 Nr. 4. Die Materie wurde schliesslich im Schlachtgesetz vom 22.1.1936, LGBl. 1936 Nr. 5, geregelt. Nach Art. 1 Abs. 1 des Schlachtgesetzes waren alle warm- und kaltblütigen Tiere beim Schlachten vor Beginn der Blutentziehung zu betäuben. Nach Art. 5 zweiter Satz durfte mit der Blutentziehung beim Schlachten erst nach vorangegangener vollständiger Betäubung begonnen werden. Vgl. auch das Tierschutzgesetz vom 22.1.1936, LGBl. 1936 Nr. 4.   
[5] Es ist kein Name eines Tierarztes im Protokoll eingetragen.
[6] Es ist kein Name eines Gemeindevorstehers im Protokoll eingetragen.
[7] Der Landtag diskutierte am 16.5.1929 über die Ansetzung eines Termins für die Volksabstimmung über die Initiative (LI LA LTP 1929/093) und verschob diese am 25.6.1929 "vorläufig" (LI LA LTP 1929/115). Die Volksabstimmung fand schlussendlich aus unbekannten Gründen nicht statt.