Der Landtag diskutiert über die Stellenvergabe bei den Notstandsarbeiten sowie die Besetzung von Knechtstellen


Protokoll der nichtöffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Anton Frommelt, Schriftführer Georg Frick und Schriftführer Wilhelm Näscher [1]

14.11.1933

[Georg] Frick: Ich möchte fragen, was für Löhne heuer bei den Kanalarbeiten gelten. Es heisst da verschiedenes. Reg.Chef [Josef Hoop] und Landestechniker [Josef] Vogt sollen sich geäussert haben, dass die Löhne heruntergesetzt werden. Dagegen muss ich entschieden auftreten. Dem Arbeiter soll ein bescheidener Lohn gelassen werden, sonst erheischt es einen weiteren Abbau. Wenn der Arbeiter einmal etwas will, so ist man nicht dafür. Es müssen die Arbeiter immer Lumpen sein. Es hat aber auch unter den Arbeitern ehrliche Leute, die sparen.

Reg.Chef [Josef Hoop]: Ich muss Verwahrung einlegen gegen dieses Gerücht. Ich habe diesbezüglich kein Wort verlauten lassen. Ich habe nicht gesagt, 80 Rp. seien genug. Landestechn. Vogt und ich haben wohl verschiedentlich über die Sache gesprochen. Der Arbeitsmangel ist eben so gross, dass die Leute noch gern schaffen würden, wenn sie nur 70 Rp. bekommen.

Dr. [Wilhelm] Beck: Welche Richtlinien sind massgebend bei der Auswahl der Arbeiter. Viele bekommen gar keine Arbeit. Es sind Fälle vorgekommen, die ganz augenscheinlich sind. Ich könnte mich anerbötig machen, krasse Fälle aufzuzählen. Es scheint da etwas nicht in Ordnung zu sein. Man sollte alle schaffen lassen, solange eine Arbeit dauert, es wären am Berg alle arbeitsbedürftig. Die heutige Handhabung und Auswahl der Arbeiter hat einen furchtbaren Hass im Volke hervorgerufen.

Reg.Chef: Es gilt einzig das Prinzip der Bedürftigkeit. Aber begreiflich gehen die Ansichten über die Bedürftigkeit auseinander. Es ist eine reine Ermessungssache. Es ist angeblich jeder selbst der ärmste. Ich bin überzeugt, dass das Arbeitsamt korrekt vorgegangen ist, aber es ist eben schwer, hier allen alles recht zu machen. Es sind Fälle vorgekommen, dass solche mit einem Reinvermögen von über Fr. 60'000 sich als die Bedürftigsten hingestellt haben.

Frick: Ich möchte wissen, wie es mit der Entlöhnung der Arbeiter bei den Kanalarbeiten steht. Ich wurde von Arbeitern angefragt & ich muss ihnen Bescheid geben.

Landestechniker Vogt wird gerufen.

Vogt Landestechniker klärt auf, dass gemäss des seinerzeitigen Landtagsbeschlusses die Löhne gelten wie bisher, also minimal 80 Rp. und für Maurer bis zu Fr. 1.20. Das sei in den Verträgen ausdrücklich enthalten und die Unternehmer haben sich daran zu halten.

Frick: Es frägt sich dann, ob es auch gehalten wird.

[Philipp] Elkuch: Wie steht es heuer mit den Notstandsarbeiten? Springt das Land wieder bei oder nicht?

Reg.Chef: Die finanzielle Seite ist viel zu wenig abgeklärt. Wenn uns die bisherigen Einnahmen aus der Lotterie entgehen, so sehe ich nicht darüber hinaus, wie man noch andere Notstandsarbeiten machen kann ausser den Kanal. Wir werden kein übriges Geld mehr haben. Der Kanal muss gemacht werden, dort kann man nicht aufhören mittendrin. Wir müssen schon an die Gemeinden appellieren, dass sie ihr Möglichstes tun, um Arbeit zu verschaffen.

[Basil] Vogt: Dann sollte man aber die oberländischen Arbeiter auch im Unterland zur Arbeit zulassen. Die Arbeit muss verteilt werden.

Frick: Wenn ich Arbeiterfragen vertrete, werde ich immer abgebrochen. Auch der Arbeiter will sein Recht.

Schriftführer [Hans] Gassner tritt ab und es übernimmt Reg.Kanzl. Seger Anton die Führung des Protokolles.

Präsident [Anton Frommelt]: Nur mit "kieben" könne man die heutigen Arbeitsverhältnisse u. die Stellung des Arbeiters nicht verbessern. Die Frage sei eben auch, woher man die hunderttausende nehme.

Frick: Der Arbeiter müsse sich eben wehren gegen Lohndrückerei.

Näscher: Das Land sei kein Lohndrücker, die Verhältnisse brächten eben es mit sich. Der Arbeiter könne sich eben heute mit dem Lohn auch nicht mehr auf der früheren Höhe halten. Der Bauer, der früher eine Kuh verkauft habe um 1000 Fr., müsse sie heute auch um 500 Fr. und noch weniger hergeben.

Frick: Als Arbeiter–Vertreter muss ich eben für die Arbeiter eintreten, wenn das aber nichts nützt, bleibe ich daheim.

Näscher: Welchem Stand hat man mehr geholfen als den Arbeitern. Warum hat man auch den Kanal gemacht.

Frick: Nicht für die Arbeiter hat man den Kanal gemacht, für die Landwirtschaft.

Präsident: Das Kanalprojekt wurde auch als Notstandsarbeit gemacht. Es ist der Kanal sowohl für die Landwirtschaft als für die Arbeiter.

Frick: Den Vorwurf, der Kanal sei nur wegen der Arbeiter gemacht worden, muss ich zurückweisen.

Hoop Frz. [Franz Xaver]: Wenn wieder einmal Krisenzeiten kämen, wäre man froh, wenn dann der Kanal gemacht ist und unser Land sich ziemlich selbst erhalten könnte.

Frick: Ich bin auch für den Kanal, nur den Vorwurf will ich zurückweisen, man habe den Kanal für die Arbeiter nur gemacht, er nützt der Landwirtschaft später einmal mehr als den Arbeitern.

[Franz Josef] Marxer: Der Kanal wurde gemacht, weil sonst grosse Teile Pflanzboden dem Untergang geweiht gewesen wären.

F. [Ferdinand] Risch: In unserer Gemeinde wären Viele, die nicht zu hübsch wären, irgend eine Knechtstelle anzunehmen. Als szt. im Bürgerheim eine gutbezahlte Stelle frei war, haben wir sie auf dem Kirchenplatze verlautbaren lassen. Es meldet sich niemand. Dort sind zwei Knechtstellen, der eine Knecht bekommt monatlich 120 Fr., der andere 90 Fr. u. Verpflegung, Wäsche auch frei. Mir wäre es lieb gewesen, wenn nur einer unter Dach gekommen wäre. Bei Heppberger [3] waren auch Knechtstellen frei, einer meldete sich, aber sagte gleich, Heuabladen und Melken tue er nicht, er wolle um 7 Uhr abends frei und komme in der Früh auch erst um 7 Uhr. Es ist aber klar, dass im Sommer ein Knecht auch in der Früh mähen gehen muss und auch Heuabladen muss. Manche alleinstehende Burschen könnten so als Knechte untergebracht werden, wenn sie wollten.

Frick: Jeder will einmal selbständig werden. Wenn einer aber als Knecht anfängt, wird er sein Lebtag nie selbständig. Jeder will was lernen und selbständig werden. Knecht sein ist kein Ding zum Selbständigwerden.

P. [Peter] Büchel: Ich habe szt. trotz Bettelns keinen Liechtensteiner Knecht bekommen.

Frick: Ein Bauer braucht eben auch Mittel und Sachen, um eine Bauernwirtschaft betreiben zu können. Man kann nicht nur einfach anfangen.

P. Büchel: Wir müssen fürchten, dass die nächsten 3-4 Jahre vielleicht hundert Existenzen unter den Hammer kommen.

B. [Bernhard] Risch: Ferd. Risch hat recht gehabt, man muss darauf schauen, dass die Arbeiter auch hiesige Plätze ausfüllen. Es sind so viel Auswärtige da. Wieviel Arbeiter sind, die nie selbständig werden, es auch nicht werden wollen, sie handlangen ihr Leben lang. Die sollen knechten, da stehen sie besser, weil sie dann immer Arbeit haben, sonst nur ein paar Monate im Jahr. Es wäre schön, wenn man den Arbeitern könnte schönen Lohn u. Arbeit geben.

F. Risch: Da wäre es schön, wenn man einwirken würde auf die Arbeiterschaft, dass sie auch Knechtstellen annehmen würde. Betreffend Stundenlohn sind wir immer auf dem Standpunkt gestanden, man sollte einen schönen Lohn garantieren. Heute aber sind die Verhältnisse halt so. Es nützt nichts, wenn man sagt, man gibt 1 Fr. pro Stunde. Wenn man den Lohn sinken lässt, wird eher gearbeitet. In den letzten Jahren hat es solche gegeben, die die Bauernschaft aufgegeben haben und handlagen gegangen sind, weil die Arbeiter besser standen, dadurch haben sie den Arbeitsmarkt belastet.

Elkuch: Es ist mancher Knecht gewesen und ist doch zu was gekommen.

Frick: Mir wäre es auch recht, wenn manche Arbeiter knechten gingen.

Hoop Frz.: Man muss fest darauf dringen, die auswärtigen Knechte zu verdrängen, soviel als möglich. Dadurch geht jährlich viel Geld aus dem Land hinaus. Man muss auch rechnen, was man in Verpflegung etz. hat, nicht nur das Bargeld ansehen, wie es Viele tun.

Frommelt: Ich habe auch schon gesagt, es solle vielleicht möglich sein, ein Gesetz zu schaffen, dass bei der jetzigen Arbeitslage überhaupt ein Ausländer keine Stelle annehmen kann in Liechtenstein auf längere Zeit, ausgenommen etwa Spezialarbeiter etz. Dann könnte man auch jedem, der eine derartige, ihm zugewiesene Stelle ausschlägt, jede Unterstützung durch die Regierung oder durchs Arbeitsamt versagen. Bevor wir zu dieser Massnahme greifen, wird es nicht möglich sein, liechtensteinische Burschen als Knechte unterzubringen.

Marxer Eschen: Ich wäre auch einverstanden, dass man einen Liechtensteiner anstellen muss, aber welcher Liechtensteiner kann in der Regel einen Knecht mit 100 und 80 Fr. Monatslohn anstellen. Wie kann das ein Bauer jetzt machen, bei den heutigen Viehpreisen. Der Bauer von heute kann sich kaum einen Knecht halten, der ihn 40 oder 50 Fr. kostet, ausgenommen etwa Fuhrknechte.

Frick: Ich würde kein Wort sagen, wenn ich nicht müsste, ich für mich komme schon durch.

Präsident: Es gibt manchmal auch verschiedene Arbeiter. Da bekam einer von mir zugesagt, ich gebe ihm 5 Fr. zur Arbeitsannahme nach Glarus, er sagte aber, er müsse mehr haben und müsse dort noch leben, dann als ich ihm sagte, dann könne er eben verdienen, sagte er, dann wolle er lieber nichts und ging zur Tür hinaus.

Chef: Es kam ein Fall vor, dass man Leuten nach Toggenburg Reisegeld mitgab und etwas für Zehrung, am ersten Tag fand die Polizei sie besoffen und sie kamen wieder auf dem Schuh her.

Dr. Beck: Es darf einem Bauer auch nicht zugemutet werden, dass er jemanden anstellt, dem er nichts anvertrauen darf. Wenn so einer auf die Strasse geschickt wird, muss er schaffen, oder vom Platz.

Frick meint man sollte schauen, dass man mit der Schweiz übereinkäme, dass mehr Liechtensteiner dort unterkämen, in der Schweiz seien viele Italiener u. Deutsche.

Chef: Hilfsarbeiter bringt man keine in die Schweiz, nur Maurer und Gipser.

Frick: Wenn man nur hundert Arbeiter fortbrächte, wäre schon viel geholfen. Was die Lumpen anbelangt, so könnte die Gemeinde diese auch einmal in die Finger nehmen, man müsste ihnen einfach sagen so und so, Lumpen nimm ich auch nicht in Schutz.

Vogt: Mit Letzteren würde ich radikal verfahren.

Hoop Frz.: Manche diese sollte man 1 Jahr in ein Arbeitshaus geben.

Vogt: Wir sollten ein eigenes Arbeitshaus errichten. 10 brächten wir sofort.

Präsident: Meinetwegen sollen unsere Leute, die Knechte u.s.w. haben wollen, ihre Leute selber suchen.

 

 

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[1] LI LA LTP 1933/118.
[2] Die Schweiz forderte seit April 1933 eine Schliessung der Mutualclub-Lotterie in Vaduz.
[3] Bei den Brüdern Martin und Alois Hepperger.