Maurice Arnold de Forest unterbreitet Fürst Franz Josef II. Argumentationshilfen gegenüber den Einwänden der Regierung gegen die Errichtung einer Gesandtschaft in Bern


Schreiben von Maurice Arnold de Forest an Fürst Franz Josef II.[1]

26.10.1944, Grand Hotel Dolder, Zürich

Euere Durchlaucht,

Zu unserer kurzeren Konferenz vom letzten Montag [2] am Bahnhof, erlaube ich mir, im Dienste und im Interesse Euerer Durchlaucht, die folgenden Rechtslinien und Argumente für die Stellungsnahme Euerer Durchlaucht gegenüber Dr. [Josef] Hoop zur Betrachtung vorlegen und befürworten zu dürfen.

  1. - Die Bundesregierung, sowie Euere Durchlaucht, sind der Ansicht, die Interessen des Landes und seines Fürsten verlangen, dass, in der gegenwärtigen sich aufspannenden Weltkrise ein offizieller Kontakt zwischen dem Land Liechtenstein und dem Bundesrat sofort in Bern geschaffen wird. Ein Beobachter, wie die Fürstliche Regierung vorschlug, [3] wurde schweizerseits als unerwünscht erklärt.
  2. - Euere Durchlaucht hatten in dieser für das Land und seinen Fürsten so dringenden Sache eine erneute Opposition, bezw. Obstruktion des Dr. Hoops nicht erwartet. Die im Memorandum der Fürstlichen Regierung vom Juni [4] ausgedrückten Ansichten können Euere Durchlaucht, nach Besprechung mit dem Bundesrat, nicht teilen.
    Zusammengefasst ist die Wiedereröffnung der Gesandtschaft aus folgendem prinzipiellen Grundsatz in der jetzigen Krisenzeit unentbehrlich geworden.
    Gemäss dem Tatbestand ist das Fürstentum kein Glied der Schweiz. Für den schweizerischen Bundesrat ist das Land Liechtenstein ausländisches Gebiet, die Liechtensteiner gelten als Ausländer und die Fürstliche Regierung als eine ausländische Behörde.
    Demzufolge ist für die Schweiz der gegenwärtige Kontakt mit der Fürstlichen Regierung lediglich ein Kontakt im Ausland, auch wenn die Mitglieder der Fürstlichen Regierung nach Bern reisen, um dort mit den Departements der Bundesregierung zu verhandeln, und gleichzeitig mit ihrem Amt bei der Regierung in Vaduz die Funktionen unakkreditierter Gesandten des Fürstentums in Bern ausüben wollen.
    Es liegt nun aber im Interesse des Landes und seines Fürsten, dass im Laufe der kommenden europäischen Krise die Schweiz im Inland einen normalen d. h. einen diplomatischen Kontakt mit der Fürstlichen Regierung wiedergewinnt, damit auch die Schweiz die Fürstlichen und liechtensteinischen Interessen in der ausseren Welt einwandfrei vertreten kann. Durch den Mangel einer inländischen Vertretung von Liechtenstein in der Schweiz besteht ausserdem in der allgemeinen Öffentlichkeit eine unrichtige Beurteilung der Verhältnisse in dem Lande, die für das Land und seinen Fürsten nachteilig ist.
    Zur Gesandtschaft darf keine Opposition von der Fürstlichen Regierung aufgebaut werden aus dem unrichtigen Vorwand, die Wiedereröffnung der Gesandtschaft würde einen Tadel der bisherigen Handlungen der Regierung andeuten.
    Die Gesandtschaft ist bei der bevorstehenden Krisenperiode als Beihilfe, Mitarbeiterin und als wichtiges Instrument der Fürstlichen Regierung anzuerkennen, und nicht als ihre Rivalin.
  3. - In der Angelegenheit sind die Verhandlungen mit dem Bundesrat bereits so weit vorgeschritten, dass sie als abgeschlossen anzusehen sind, [5] und daher kommt ein Rückzug jetzt nicht mehr in Frage.
    Diese Verhandlungen waren bis jetzt in Händen Euerer Durchlaucht und sollen dort bleiben.
    Die Handlung Euerer Durchlaucht ist durchaus Verfassungsgemäss.
  4. - Die diplomatische Mitgliederschaft der Gesandtschaft wird später festgestellt werden. Vor allem soll Prinz Heinrich sofort begläubigt werden. [6]
    Die Gesandtschaft soll aus einer Mitgliederschaft bestehen, die der Situation in ihrer Gesamtheit am besten passen wird, und so dem Lande im höchsten Mass am besten wird dienen können. Ernennungen aus Freundschafts- oder Parteigründen dürfen nicht in Frage kommen und wären für das Land nachteilig.
    Eine Kraft oder Kräfte mit u. a. folgenden Eigenschaften braucht Prinz Heinrich zur Mitarbeit.
    a)
    Fliessende Sprachenkenntnisse, vor allem von Englisch und Französisch,
    b)
    Kenntnisse der englischen und amerikanischen Psychose,
    c)
    Erfahrungen im gesellschaftlichen Verkehr in diplomatischen Kreisen,
    d)
    Freiwillige Leistung, kostenlos für das Land.
  5. - Euere Durchlaucht haben den Beschluss der Wiederherstellung der Gesandtschaft nun endgültig gefasst, und zwar für deren sofortigen Inkraftsetzen. Euere Durchlaucht scheuen sich nicht, dass, wenn zwischen Fürsten und Regierung eine Meinungsverschiedenheit darüber weiter bestehen sollte, die Tatsache in die Öffentlichkeit im Lande durchsickern würde.

Zu (4) erinnere ich Euere Durchlaucht, dass die diplomatischen Mitarbeiter des Chargé d'Affaires von ihm der Bundesregierung bekanntgegeben werden. Die Fürstliche Regierung braucht also nicht in die Sache hineingezogen werden, und die beste Politik wäre die des "Fait Accompli".

Zum Schluss erlaube ich mir andeuten zu dürfen, dass, wenn die Opposition weiter bestehen sollte, die Tatsache zum Vorschein kommen würde, dass die Herren in Vaduz diesbezüglich nur ihren eigenen und nicht den Interessen des Landes nachgehen. Ich glaube nicht, dass unter diesen Umständen Dr. Hoop seine Opposition fortsetzen könnte, wenn er begreift, dass Euere Durchlaucht entschlossen sind.

Indem ich den Besuch Euerer Durchlaucht und der gnädigen Fürstin [Gina] zum Lunch am Montag oder Dienstag erwarte, verbleibe ich mit ehrerbietigstem Gruss,

Euerer Durchlauchts treuer ergebenster Diener

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[1] LI HALV, Karton 630, Akt Errichtung der liechtensteinischen Gesandtschaft Bern 1944 (e).
[2] D.h. am 23.10.1944.
[3] Zu den Einwänden der Regierung gegen die Errichtung einer Gesandtschaft und den vorgeschlagenen Alternativen vgl. LI HALV, Karton 630, Akt Errichtung der liechtensteinischen Gesandtschaft Bern 1944 (d).
[4] Vgl. Anm. 3.
[5] Bundesrat Marcel Pilet-Golaz und Franz Josef II. hatten bereits im August die Errichtung einer liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern im Grundsatz vereinbart.
[6] Pilet-Golaz drängte im Oktober 1944 auf eine baldige Eröffnung der Gesandtschaft und schlug vor, Prinz Konstantin als Geschäftsträger ad interim zu ernennen, bis Prinz Heinrich verfügbar sei (LI HALV, Karton 630, Akt Errichtung der liechtensteinischen Gesandtschaft Bern 1944, de Forest an Franz Josef II., 18.10.1944).