Die Abgeordneten der Bürgerpartei verlassen den Landtagssaal, da die Abgeordneten der Volkspartei die Wahl von Ludwig Marxer zum Regierungsrat verweigern


Maschinenschriftliches Protokoll der Eröffnungssitzung des Landtags, ungez. [1]

1.2.1926

Dr. [Wilhelm] Beck: Es kommt die Wahl des Regierungsrates.

[Emil] Battliner [Batliner]: Ich möchte noch ehe die Wahl vorgenommen wird etwas sprechen. Wir, von der Minderheit, [2] hatten bei mir zuhause eine Zusammenkunft, wegen der Regierungsratswahl. Die erfolgten Wahlen waren im Sinne unseres Beschlusses. Aber jetzt kommt der springende Punkt. Wir haben als Regierungsrat Dr. [Ludwig] Marxer, Vaduz vorgeschlagen. Wir haben erwartet, dass die Mehrheitspartei die Minderheit zu einer Besprechung einlade. [Franz Josef] Marxer und ich waren beim Reg.Chef [Gustav Schädler] in der Angelegenheit. Wenn uns die Mehrheitspartei nicht einladen würde, hätten wir als Minderheitspartei an die Mehrheit die Einladung geschickt. Die Mehrheit hat uns dann vergangenen Mittwoch zu einer Besprechung eingeladen. Die Besprechung hat stattgefunden [3] und die bisherigen Wahlen erfolgten auf Grund der Vereinbarung. Jetzt kommt der springende Punkt. Wir glauben in der Sache in vollem Recht zu sein. Wir bestimmen auch nicht der Mehrheit, wen sie als Reg.Rat wählen sollen, umgekehrt wollen wir auch jenen haben, den wir bestimmen. Sie brauchen unseren Reg.Rat nicht zu wählen. Im dritten Wahlgange gilt das relative Mehr. Im anderen Falle treten wir ab. Man kann uns wieder berichten, wenn man uns etwa wieder braucht.

Dr. Beck: Es liegen zwei wichtige Gegenstände vor. Nachmittag ist die Besprechung darüber.

Reg.Chef: Ohne mich näher zum Gegenstande Reg.Rat zu äussern, wie ich es auch im Vorzimmer nicht getan habe, möchte ich sie bitten, Nachm. meine Herren einen kleinen Gegenstand zu erörtern, an dessen raschen Erledigung S.D. [Johann II.] gelegen ist. Es betrifft: Welchen Titel erhalten jene Prinzen, die bürgerlich heiraten. [4] Ferner liegt noch etwas vor. Der Fürst hat in erwähnter Angelegenheit einen Vorschlag unterbreitet, wir haben S.D. von heutiger Sitzung telegrafisch verständigt. [5] Ich erwarte dass Sie Nachm. kommen meine Herren, weil S.D. an der raschen Erledigung sehr viel gelegen ist.

Battliner: Ich habe etwas vergessen: Ich mache die Mehrheit für alle Folgen verantwortlich.

[Anton] Walser: Wie wir alle wissen, konnte auch heute früh bei der Besprechung keine Einigung erzielt werden. [6] Battliner spricht von einer Friedenskonferenz. Auch wir wollen den Frieden und zusammenarbeiten und haben das Möglichste getan in Entgegenkommen. Ist es eine Friedenskonferenz, wenn man strikte sagt, das wollen wir?

Sie können nicht erwarten, dass man in dem Punkte ohne weiteres ja sagt. Sie wissen genau, warum hier keine Einigung möglich ist. Im Vorzimmer ist es betont worden.

Die Verantwortung für die Folgen trifft die Minderheit voll und ganz allein. Ich muss feststellen: Wir sind entgegengekommen, wie noch nie bei uns eine Mehrheit einer Minderheit entgegengekommen ist. Wir haben es getan: Im Interesse des Friedens, um für Land und Volk zusammenarbeiten zu können. Wir müssen jede Verantwortung ablehnen, wenn Sie von einer einzigen Person das Wohl und Weh des Landes abhängig machen.

Peter Büchel: Ich muss die Ausführungen des Abg. Battliner etwas ergänzen. Die Vorbesprechung, die die Minderheit hatte, ist allein von uns aus ausgegangen. Wir sagten uns: Der Reg.Chef ist aus der Volkspartei heraus, ebenso der Reg.Chef-Stellvertreter. Wir wollen auf die Wahl des Kandidaten der Volkspartei nicht den geringsten Einfluss nehmen. Wir verlangen das gleiche für uns.

Damals also beschlossen wir Dr. Marxer als Reg.Rat aufzustellen und darauf zu verharren. Wir sind zu jeder Arbeit im Landtage gerne bereit, wir kennen unsere Pflicht, wir kennen die Nöte des Landes, aber von dieser Forderung gehen wir nicht ab, aus angeführten und anderen Gründen. Wir übernehmen keine Verantwortung.

Walser: Es hat keinen Sinn länger zu debattieren, wenn die Forderung in der Form strikte aufrecht gehalten wird. Ob sie die Verantwortung ablehnen oder nicht, ist ganz gleich gültig, sie tragen sie doch.

Die Abgeordneten Peter Büchel, [Karl] Kaiser, Wilhelm Büchel, Battliner, Marxer und [Franz Xaver] Hop [Hoop] treten ab.

Dr. Beck: stellt fest, dass der Landtag beschlussunfähig geworden ist.

Schluss der Sitzung 12 Uhr Mittag.

Nachm. 2 Uhr findet eine vertrauliche Besprechung im Konferenzzimmer statt (Siehe Protokoll im Anhange). [7]

2.20 Uhr Fortsetzung der Beratungen im Landtags-Saale.

Es sind alle Abgeordneten anwesend.

Dr. Beck: Meine Herren, es liegen zwei Gegenstände zur Beratung vor. 1./ die Abänderung des Familienvertrages im fürstl. Hause ...

Battliner: Wir appellieren nochmals an die Mehrheit uns in der Frage des Reg.Rates beizustimmen. Das muss jeder Tagesordnung vorausgehen. Wir wollen hier ganze Arbeit leisten. In anderen Falle müssten wir abtreten.

Walser: Meine Herren, ich muss hier feststellen, dass wir nie gegen die Wahl des Regierungsrates sind, sondern heute früh beschlossen haben, Kommissionen und Reg.Rat zu wählen. Der Eid heute Vorm. wurde nicht auf Personen geschworen, sondern darauf für die Interessen von Volk und Land zu arbeiten. Kann es sich nun darum handeln, dass wegen einer Person dem Eide nicht Folge geleistet wird?

[Andreas] Vogt: Ich ersuche den Herren Reg.Chef die Eidesformel nochmals vorzulegen.

Peter Büchel: Ich müsste vorher den Saal verlassen. Wir lassen uns nicht verhöhnen. Wir wissen, was wir geschworen haben.

Es fällt keinem von uns ein, anzunehmen, dass die Mehrheit den Reg.Rat nicht wählen wollte. Aber unser gerechter Wunsch wird nicht erfüllt, und vorher treten wir auf keine Verhandlungen irgend eines Stoffes ein.

Zurufe von der Galerie.

Dr. Beck: Gebietet Ruhe.

Marxer: Wir haben den Eid geschworen für Land und Volk nach bestem Können zu arbeiten und werden es tun. Von unserer Forderung können wir nicht abgehen.

Walser: Stellt den Antrag, die Wahl der Reg.Räte vorzunehmen.

Reg.Chef: Ohne auf die Wahl der Reg.Räte Einfluss zu nehmen, gestatten Sie mir den Standpunkt der Regierung bekannt zu geben. Die Vorlage seitens des Landesfürsten ist uns 3 mal zur schleunigsten Behandlung empfohlen worden. [8] Wir haben telegrafiert, dass sie heute dem Landtage vorgelegt werde.

Wenn sie nicht behandelt wird, telegrafieren wir heute nach Wien, aus diesen und diesen Gründen wurde eine Beschlussfassung vereitelt. [9]

Der II. Gegenstand betrifft die Klassenlotterie. Die Herren haben eine Vorlage zum vertraulichen Studium erhalten [10] – sie wurde ausgearbeitet von einem juridischen Vertreter [11], von Vogt und Battliner. Der Gegenstand soll heute beraten werden. Arbeitsgelegenheit und Steuerquellen sollen nach Möglichkeit erhalten bleiben. Ich würde das als Vertreter der Regierung begrüssen. Persönlich habe ich kein Interesse daran. Wir haben ca. 88'000 Franken verdient. Die erste Arbeitsgelegenheit wurde, wie sie wissen s.zt. nach Eschen gegeben.

Sie können hier nun beraten oder nicht. Das Volk hat sie hierhergeschickt. Jeder soll tun, was seine Überzeugung ist.

Ich muss hier zu Protokoll geben: Die Regierung muss jede Verantwortung ablehnen.

Walser: beantragt nochmals zur Wahl der Reg.Räte zu schreiten.

Battliner: Wir müssen erst die Zusage für unsere gerechte Forderung haben. Man soll uns das Ehrenwort geben.

Was die Klassenlotterie betrifft: Alles ist dafür, dass man Arbeitsgelegenheit schafft.

Vogt: Wir sind mit keiner Zwangsjacke hergekommen. Ich beantrage die Wahl. Wir haben auch keine Verpfändung des Ehrenwortes verlangt.

Battliner: Wir wollen auch keine Zwangsjacke haben. Wenn wir keine Zusicherung erhalten treten wir ab.

Der Antrag auf Abstimmung wird mehrheitlich angenommen.

Die 6 Abgeordneten des Unterlandes treten inzwischen ab.

Zurufe von der Galerie.

Dr. Beck: Gebietet Ruhe. Da sich die Rufe wiederholen, ruft er nach der Polizei.

Dr. Beck: Stellt fest, dass der Landtag beschlussunfähig geworden ist, und fügt hinzu: Ein Ehrenwort zu geben wäre mit der Verfassung unvereinbar. Wir handeln nur unter der freien Überzeugung.

Schluss der Sitzung ½ 4 Uhr.

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[1] LI LA LTP 1926/005.
[2] D.h. die Abgeordneten der Fortschrittlichen Bürgerpartei. In den Landtagswahlen vom 10. und 24.1.1926 hatte die Volkspartei alle neun Mandate im Oberland, die Bürgerpartei alle sechs Mandate im Unterland errungen.
[3] Ein Protokoll dieser Besprechung existiert offenbar nicht.
[4] LGBl. 1926 Nr. 3, Gesetz vom 8.2.1926 betreffend die Abänderung des Fürstlichen Familien-Vertrages vom 1.8.1842.
[5] LI LA RE 1926/0325 ad 5, Telegramm Kabinettskanzlei an Regierung, o.D. (ca. 26.1.1926).
[6] Vgl. LI LA LTP 1926/010.
[7] LI LA LTP 1926/012.
[8] LI LA RE 1926/0107 ad 5, Telegramm Kabinettskanzlei an Regierung, 11.1.1926; LI LA RE 1926/0216, Telegramm Kabinettskanzlei an Regierung, 16.1.1926.
[9] Der Landtag stimmte der Vorlage in der nächsten Sitzung vom 6.2.1926 zu (LI LA LTP 1926/014).
[10] LI LA LTA 1926/L20, Entwurf Konzession, o.D.
[11] Juristischer Berater der Regierung in Sachen Klassenlotterie war Emil Beck (LI LA RE 1926/0352 ad 26, Regierung an Landeskasse, 30.1.1926).