Die Regierungsvorlage betreffend die Abänderung der Landtagswahlordnung wird vom Landtag in erster Lesung behandelt


Handschriftliches Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagssekretäre Alfons Feger und Johann Wohlwend sowie Landtagspräsident Albert Schädler [1]

27.12.1917

Zur Regierungsvorlage betr. Abänderung der Landtagswahlordnung ergreift der Referent Dr. [Wilhelm] Beck das Wort u. führt in längerer Rede aus: [2] es sei ein wesentlicher Unterschied zwischen direktem u. indirektem Wahlrecht; Friede u. Wohlfahrt werde auch das direkte Wahlrecht nicht mit sich bringen; wenn durch dasselbe keine Parteien geschaffen werden, so sei das schön, selbe seien aber doch da; die Gegensätze sollten nur sachlicher Natur sein; der Anstoss musste vom Fürsten [Johann II.] ausgehen u. wir müssten uns an die Brust schlagen; der Idee zuliebe würde Redner gerne sehen, wenn von den heutigen Abgeordneten keiner mehr hieher käme; es sei penibel, sagen zu müssen, das Volk sei politisch unreif; man soll es politisch schulen, dann schwinde das Misstrauen gegen die Regierung; 24 Wahlmänner soll der Bürger wählen können, aber nicht 7 Abgeordnete; es soll aber den frühern Abg. nicht etwa eins ans Bein gegeben sein; die Basis des Landtags sollte erweitert werden; die Geistlichen, Beamten u. Lehrer sollten einen Vertreter haben, jede Gemeinde verlange einen Vertreter, wonach die Zahl der Abg. auf 20 zu erhöhen wäre, wovon 4 vom Fürsten gewählte; es werde hoffentlich kein Abg. sich sträuben, der Vorlage zuzustimmen; die Wahlen sollten im Winter stattfinden, wodurch es Sennen, Bauarbeiter, Hirten möglich sei, ihr Wahlrecht auszuüben; er sei ein Gegner der amtl. Stimmzettel; das Institut der Ersatzmänner, sei von der Kommission mehrheitlich beibehalten worden, nicht im Sinne des Volkes. Redner gibt dann anhand der Vorlage eine Übersicht über das ganze Gesetz u. den Wahlmodus; er schliesst mit den Worten: Wir wollen das Gute einführen, selbst auf die Gefahr hin, von diesem schönen Hause Abschied nehmen zu müssen.

Der Reg. Kommissär [Leopold von Imhof] erklärt, dass die Vorlage in der Kommission einstimmige Annahme erlangt habe; er wolle auf die Meinung der Abg., ob die Vorlage zum Wohle des Landes sei oder nicht, keinen Einfluss nehmen.

Es erfolgt nun die erste Lesung der Vorlage.

Zu § 2 sagt Dr. Beck, dass er nur der Einstimmigkeit halber für den Passus sei, der Wahlberechtigte müsse seit einem halben Jahre im Fürstentume den ständigen Wohnsitz haben.

Zu § 3 sagt Dr. Beck, dass derselbe so gedeutet werden könnte: z.B. ein Diebstahl im Inlande macht wahlunfähig, ein solcher im Auslande aber nicht.

Der Reg. Kommissär erwidert, wer in der Schweiz gestohlen habe, werde auch hier kein Vertrauen mehr finden; diese Sache sei mehr akademischer Natur u. solche Fälle werden kaum aktuell werden.

Schluss der 1. Lesung der Vorlage. [3]

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[1] LI LA LTA 1917/S04/2.  Protokoll abgedruckt in: L.Vo., Nr. 2, 11.1.1918, Beilage („Genehmigtes Protokoll der Landtagssitzung vom 27.12.1917“). In der Eröffnungssitzung des Landtags vom 30.10.1917 hatte Landesverweser Leopold von Imhof eine Regierungsvorlage zur Einführung des direkten und geheimen Wahlrechts angekündigt (LI LA LTA 1917/S04/2). Die undatierte Regierungsvorlage findet sich in LI LA LTA 1917/S04/1.  
[2] Vgl. den Bericht der Finanzkommission, als dessen Referent Beck fungierte, an den Landtag zur Regierungsvorlage betreffend das Landtagswahlrecht (Ziff. 2 der undatierten Tagesordnung des Landtagspräsidiums für die auf den 27.12.1917 und die noch zu bestimmenden Tage anberaumten Landtagssitzungen (LI LA LTA 1917/L01)).
[3] Der Gesetzentwurf wurde in der öffentlichen Landtagssitzung vom 31.12.1917 in 2. Lesung behandelt und mit Änderungen angenommen (LI LA LTA 1917/S04/2).  Vgl. das Gesetz vom 21.1.1918 betreffend die Abänderung der Landtagswahlordnung, LGBl. 1918 Nr. 4.