Der Liechtensteinische Arbeiterverband ersucht den Landtag um Übernahme der Liechtensteinischen Arbeitsnachweisstelle durch das Land oder zumindest um eine Subvention für die Arbeitsnachweisstelle


Handschriftliches Schreiben des Liechtensteinischen Arbeiterverbandes mit einem Nachtragsschreiben sowie einem Rechnungsvoranschlag für die Liechtensteinische Arbeitsnachweisstelle pro 1922, gez. Verbandspräsident Augustin Marogg, zuhanden des Landtags [1]

24.3.1922, Triesen

An den hohen Landtag des Fürstentums Liechtenstein in Vaduz

Am 4. April 1921 hat der Liechtenst-Arbeiter-Verband eine öffentliche Arbeitsnachweisstelle errichtet und wurde zu deren Leiter Oswald Kindle von Triesen bestellt.

Bekanntlich waren im Jahre 1921/22 viele Arbeiter, haupsächlich solche der Baubranche, arbeitslos und war keine Möglichkeit vorhanden, hier zu Lande für die arbeitslosen Bauarbeiter Arbeitsgelegenheit zu schaffen.

Somit hat sich dan die L. Arbeitsnachweisstelle bezügl. Vermittlung Liechtenst. Bauarbeiter nach der Schweiz

1. mit den Schweiz. Arbeitsnachweisstellen und den Schweiz. Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmer Verbänden in Verbindung gesetzt.

2. hat die L. Arbeitsnachweisstelle durch Inserate im Schw. Stellenanzeiger und im Schweiz. Baublatt gesucht, die Arbeitsvermittlung nach der Schweiz zu fördern. Dieses alles hatte grossen Erfolg, den es wurden für über 80 Bauarbeiter in der Schweiz lohnende Arbeitsgelegenheit aufgefunden; doch stellte es sich unmittelbar sofort heraus, dass die Erledigung der Einreiseformalitäten für uns mit grossen Umständen verbunden waren, und konnten nur wenige, so etwa 23 Liechtensteiner Arbeiter, die Einreisebewilligung erhalten, den übrigen etwa 55 Bauarbeiter, welche zwar Arbeitsgelegenheit in der Schweiz hatten, wurde [auf] Grund Arbeitslosigkeit dortselbst in dem Baugewerbe die Einreise Bewilligung von den Schweiz. Behörden nicht erteilt [2] und war somit ein grosser Teil unsserer diesbezl. gehabten Auslagen vergebens ausgegeben.

Der Liechtenst. Arbeitsmarkt wurde zusehends täglich gedrückter, so dass in Liechtenst. selbst während des ganzen Jahres nur 35 erfolgreiche Arbeitsvermittlungen stattgefunden haben.

Angesichts dieser trostlosen Lage der Arbeitslosen in Liechtenstein hat die L. Arbeitsnachweisstelle abermals Nachfrage gehalten in Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und Italien, und sind die günstigsten Offerten diesbezl. aus Frankreich eingegangen, und haben am 26. Juni 21 die hohe fürstl. Regierung ersucht, den Gesanden [Emil Beck] in Bern zu beauftragen, dass er in dieser Sache mit den franz. Behörden in Unterhandlung tretten möchte, doch leider mussten wir am 31. Oktober 21 abermals und endlich am 12. Dezember nochmals diesbezügl. bei der Regierung vorstellig werden [3] und darum hat sich die Auswanderung unsserer arbeitslosen Arbeiter so in die Länge gezogen.

Bis heute konnten 27 erfolgreiche Arbeitsvermittlungen nach Frankreich durch geführt werden, und steht noch in bester Aussicht, [dass] weitere etwa 100 Arbeiter nach Frankreich vermittelt werden können.

Die Statistik der Arbeitslosen wurde von der Liechtst-Arbeitsnachweisstelle ebenfalls geführt, auch die Kontrolle der fremden Arbeiter hat die Arbeitsnachweisstelle auszuüben, [4] dieses alles ist mit vielen grossen Mühen und Unkosten verbunden. So sind die total Ausgaben des Liechtenst. Arbeiter-Verbandes für die L. Arbeitsnachweisstelle vom 4. April 1921 bis heute über 400 Fr., ohne eine Entschädigung für die Führung der Arbeiter der Arbeitsnachweisstelle an Osw. Kindle bezahlt zu haben.

Der L. Arbeiter-Verband kan mit dem besten Willen nicht mehr für diese Auslagen aufkommen.

Es hat somit der L.A.V. an die Regierung ein Gesuch gerichtet und gebeten, dass das Land die Arbeitsnachweisstelle übernehmen möchte.

Dieses Gesuch begründen wir auf folgende Weise. Die Arbeitsnachweisstelle ist tatsächlich in der heutigen Zeit eine notwendige Einrichtung eines Landes für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber und darf nie in einem Lande fehlen. Die Arbeiter werden sehr stark zur Steuerzahlung heran gezogen und glauben, wenn wir einerseits mit sehr grossen Pflichten belastet werden, anderseits auch das gute Recht zu haben auf ein Entgegenkommen bezügl. Übernahme der Arbeitsnachweisstelle durch das Land beanspruchen zu dürfen, den wo Pflichten sind, sollten auch Rechte sein.

Wir haben auch zu erwähnen, dass anderen Ständen immer geholfen wurde, den wir glauben kaum, dass die Besoldung eines Tierarztes aus Landesmittel im Interesse der Arbeiterschaft geschieht und ist doch schon viele Jahre geschehen.

 

Die Verbandsleitung ist nach Anhörung des Herrn Referenten Mahler [Stefan] Wachter, Landtagsabgeordneter, geneigt, unter nachstehenden bezeichneten Bedingungen die Arbeitsnachweisstelle weiter zu führen, sollte jedoch auf unssere äussersten Bedingungen nicht eingetretten werden, wird der Liechtensteinische Arbeiterverband die Arbeitsnachweisstelle am 1. April aufheben, da es unsser Kassa dasselbe erheischt.

Der L.A.V. verpflichtet sich hiemit, die L. Arbeitsnachweisstelle weiterzuführen, [5] und jeder Landesbewohner unbeschadet seiner Partei Zugehörigkeit oder der Verbandsangehörigkeit gleich zu berücksichtigen und jährlich wenigstens einmal der hohen fürstl. Regierung einen genauen Tätigkeitsbericht über die Arbeitsnachweisstelle zu unterbreiten.

Bedingungen

I. Die Regierung unterstützt die Arbeitsnachweisstelle besonders bei ausländischen Arbeitsvermittlungen in Sachen Beschaffung der Einreise Visum der betreffenden Arbeiter.

II. Die Regierung erkennt die L. Arbeitsnachweisstelle als … [6] an.

III. Die Regierung gestattet, dass die L. Arbeitsnachweisstelle von den dieselbe in Anspruch nehmenden Parteien Vermittlungsgebühren eingehoben werden dürfen.

IV. Das Land bewilligt eine jährliche Subvention von mindestens Fr. 675, wovon die Hälfte anfangs des Jahres, die Zweite Hälfte im August zu zahlen wäre. [7]

 

Rechnungsvoranschlag

der Liechtenst. Arbeitsnachweisstelle in Triesen

für das Jahr 1922

       I.        Einnahmen

1.

Allfällig einlaufende Gebühren von den Parteien

Fr.

150

2.

evt. Suvention geleistet durch das Land

Fr.

675

3.

evt. Suvention geleistet durch den L. Arbeiter Verband

Fr.

  50

 

Total Einnahmen

 

875

     II.        Ausgaben

1.

Material Anschaffungen

 

180

2.

Postporto Auslagen Telefonat Telegram

 

165

3.

Abonament der Fachzeitschrift und Stellenanzeiger         

 

  50

4.

Unvorhergesehenes

 

  30

5.

Persönliche Verwaltung

 

450

 

Total Ausgaben

 

875

______________

[1] LI LA LTA 1922/L33 (Aktenzeichen: Z. 21 / Landtag). Briefkopf: „Liechtensteinischer Arbeiterverband Centralverwaltung“. Stempel: „Liechtensteinischer Arbeiterverband Zentralverwaltung“. Eingelaufen am 24.3.1922.
[2] Vgl. hiezu etwa das Schreiben von Regierungschef Josef Ospelt an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern vom 15.4.1921 (LI LA RE 1921/1556 ad 1379).
[3] Mit Schreiben vom 26.5.1922 orientierte die liechtensteinische die liechtensteinische Regierung über eine Mitteilung des französischen Konsulates in Zürich, wonach 50 Arbeitern das Einreisevisum für Frankreich erteilt werde (LI LA RE 1922/2332 ad 0013).
[4] Vgl. das Protokoll vom 21.2.1922 über die Konferenz von Regierungschef Ospelt mit den Ortsvorstehern und mit Arbeitervertreter Augustin Marogg über Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (LI LA RE 1922/ad 0778).  
[5] Vom 22.4.1922 an erschien der Stellanzeiger der Liechtensteinischen Arbeitsnachweisstelle einmal wöchentlich in beiden Landeszeitungen (vgl. L.Vo., Nr. 32, 22.4.1922, S. 4).
[6] Unleserlich.  
[7] Der Landtag beschloss in der öffentlichen Landtagssitzung vom 11.4.1922, auf das Gesuch des Arbeiterverbandes um Übernahme der Arbeitsnachweisstelle nicht einzugehen, der Arbeitsnachweisstelle für 1922 dagegen vorläufig eine Subvention in der Höhe von 250 Franken zu genehmigen (Schreiben des Landtagspräsidiums an die Regierung vom 11.4.1922 unter LI LA LTA 1922/L33; LI LA LTP 1922/031; L.Vo., Nr. 31, 19.4.1922, S. 1 („Landtagssitzung“)).