Regierungschef Josef Ospelt fordert den Vaduzer Alois Willam, der in Berlin mit der Protestantin Frieda Anna Gröthe eine Zivilehe eingegangen ist, dazu auf, ungesäumt die kirchliche Trauung nachzuholen


Handschriftliches Konzeptschreiben, mit Änderungen und Korrekturen, von Regierungschef Josef Ospelt, gez. ders., an Alois Willam [1]

8.3.1922

1) Erl. [Erlass] an H. Alois Willam in Vaduz

Laut Anzeige des Hochw. Pfarramtes in Vaduz [2] haben Sie mit Ida Croth [Frieda Anna Gröthe] aus Velten, Preussen, eine Zivilehe eingegangen. Die Anerkennung des lediglich ziviliter abgeschlossenen Ehevertrages muss bei dem obwaltenden Mangel einer nachgefolgten kirchlichen Trauung bis auf weiteres versagt werden.

Nach § 69 des allg. öst. bürg. Gesetzbuches, [3] das auch in Liechtenstein Geltung hat, ist zur Giltigkeit der Ehe die feierliche Erklärung der Einwilligung erforderlich u. nach § 77 des oberwähnten Gesetzbuches [4] muss diese feierliche Einwilligung bei der Verehelichung einer kath. u. einer nicht kath. Person vor dem kath. Pfarrer in Gegenwart zweier Zeugen erklärt werden.

Nach oben Gesagtem ist die von Ihnen mit Ida Croth nur ziviliter eingegangene Ehe nach hiesigen Gesetzen ungiltig, Ihre Frau ist somit auch nicht liechtenst. Staatsbürgerin.

Sie werden aufgefordert, sich mit dem Hochw. Pfarramte in Vaduz ungesäumt ins Einvernehmen zu setzen u. die kirchl. Trauung ungesäumt nachzuholen und darüber den Nachweis zu erbringen, andernfalls Sie die gesetzlichen Folgen zu gewärtigen haben. [5]

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[1] LI LA RE 1922/0220. Einlaufstempel der Regierungskanzlei vom 16.1.1922. Mundiert am 10.3.1922. Eine Abschrift des Schreibens erging an das katholische Pfarramt in Vaduz zur Kenntnisnahme.
[2] Gemäss einem undatierten Aktenvermerk von Josef Ospelt hatte das katholische Pfarramt in Vaduz gemeldet, dass Willam nur ziviliter getraut worden sei und daher in nicht ordnungsgemässer Ehe lebe. Die Regierung wurde um Vermittlung in dieser Angelegenheit ersucht. Willam wurde daraufhin von der Regierung auf den 15.1.1922 vorgeladen und „ihm zugeredet, die kirchliche Trauung nachzuholen.“ Willam erklärte, sich mit seiner Frau besprechen zu wollen und dann Bescheid zu geben (LI LA RE 1922/0220). 
[3] Nach § 69 ABGB wurde zur Gültigkeit der Ehe auch das Aufgebot und die feierliche Erklärung der Einwilligung gefordert.
[4] § 77 ABGB lautete: „Wenn eine katholische und eine nicht katholische Person sich verehelichen, so muss die Einwilligung vor dem katholischen Pfarrer in Gegenwart zweier Zeugen erklärt werden; doch kann auf Verlangen des andern Teils auch der nicht katholische Seelsorger bei dieser feierlichen Handlung erscheinen.“ – Die liechtensteinische Regierung ging irrtümlicherweise davon aus, dass Willam katholisch sei.
[5] Vgl. das Wiederwägungsgesuch bzw. die Beschwerde von Alois Willam zuhanden der Regierung vom 27.3.1922 (LI LA 1922/1365 ad 0220).