Katharina Biedermann [-Büchel] an Ulrich Öhri über den Tod ihrer Mutter, die Kriminalität in den USA und die Hagelschäden in Ruggell


Handschriftliches Originalschreiben der Katharina Biedermann [-Büchel], Ruggell, an Ulrich Öhri, Spencer (Nebraska) [1]

28.01.1930, Ruggell

Werte Familie Öhri!

Ich fühle mich nun genötigt Euch
wieder einmal einige Zeilen zu
schreiben. Gewärtig sind wir gesund
und hoffen dasselbe auch von Euch
allen. Wir hoffen, dass [2] es Euch auch
in diesem Jahre wieder recht gut
gehen werde. Eure Schwester wird Euch
schon geschrieben haben, dass unsere
gute Mutter [Magdalena Büchel [-Schöch]] gestorben ist. Der Herr
gebe ihr die ewige Ruhe. Sie hat
hier nichts gutes mehr gehabt, bei so
vielen jungen Leuten hat es eine alte
Person nicht mehr gut. Sie ist bis auf
14 Tage, noch alle Tage einmal zu
uns gekommen, sie hat auch noch immer
geflickt, und zwar noch schön, mit der [3]
Brille hat sie noch ganz gut gesehen,
sie ist auch noch ganz gut bei Sinnen
gewesen, sie hat von den Schuljahren
noch alles erzählen können. Im Herbst
ist sie dann zweimal gefallen, das erste
mal hat es ihr nicht viel gemacht, aber
das zweite mal hat sie eine Rippe
gebrochen von da an ist sie in 14
Tagen gestorben. Im Bett hat sie
nicht sein können, sie ist immer auf
dem Kanape gewesen, liegen hat
sie nicht können, sie hat immer sitzen
müssen schon wegen dem schweren
Atem und wegen den Schmerzen
auch. Am Monnttag Mittag den 28.
Oktober ist sie noch allein in die
Kammer hinein gegangen und Abends
11 Uhr ist sie gestorben. Etwa eine [4]
Stunde bevor sie gestorben, haben wir
sie, ich, der Johann [Büchel] und der Alois noch
ins Bett getragen, sie ist dann ge-
blieben wie wir sie hingelegt haben
und ist dann ganz ruhig verschieden.
Dem Alois [Biedermann] geht es scheints gut wie
er uns schreibt, aber noch lieber sei
er bei Euch gewesen, da sei er gewesen
wie daheim. Die Luisa [Biedermann]
wo in Detroit ist schreibt auch es
gehe ihr gut, aber Kummer muss ich
halt immer viel haben um diese
beide. In den Zeitungen lesen wir
immer, wie schlecht, dass es sei in
Amerika, noch schlechter als in Europa.
[5] Lezthin hat ein Schweizer
wo auch in Amerika ist, ein Satz
in einer Zeitung gehabt von den
schlechten Verhältnissen in Amerika [6]
besonders in den Städten in Detroit soll
es auch so schlecht ausehen immer Raub
und Mord, in dem Satz ist auch ge-
schrieben gewesen, mann sollte die
Einreise nach Amerika nicht nur be-
schränken, sondern auf einige Jahre
ganz verbieten. Winter haben wir
bisher einen ganz gelinden gehabt,
Schnee haben wir bisher nur wenige
Tage gehabt. Sommer haben wir zwar
einen recht schönen gehabt, aber ein
furchtbares Hagelwetter hat uns mehr
als die halbe Ernte vernichtet. Die
Obstbäume sterben alle ab wegen
der Überschwemmung. [7] Ich will nun
meinen Sudel schliesen mit vielen
herzlichen Grüssen von uns allen
an Euch alle. Auch viele Grüsse
an Andreas [Öhri] u. Mali [Amalia Öhri [-Heeb]], Silvan [Heeb] u. Alban [Heeb].
Auch an Magdalena [Connot [-Öhri]]. Ich schicke jedem
ein Bild von der Grossmutter. [8]

Katharina Biedermann

Vielleicht dürfen wir auch wieder einige Zeilen erwarten. [9]

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[1] LI LA PA 016/3/03/02. Kuvert liegt bei.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Durchgestrichenes Wort.
[6] Seitenwechsel.
[7] Vgl. den Rheineinbruch vom September 1927.
[8] Satz eingeschoben. Eine Fotografie liegt nicht mehr bei.
[9] Am Seitenrand zwischen 2. und 3. Seite nachträglich eingefügt.