Der "obere" Arbeiterverband führt die Generalversammlung durch


Artikel in den "Liechtensteiner Nachrichten" [1]

6.2.1932

Liechtensteiner Arbeiterverband. Bericht über die Generalversammlung

Am Sonntag den 31. Januar fand die bereits angekündigte Generalversammlung im Hotel Vaduzerhof statt. Punkt 2 Uhr waren die Delegierten und Vorstände anwesend und konnte sofort mit den Geschäften begonnen werden. Vizepräsident [Hugo] Kindle eröffnete die Versammlung, hiess alle herzlich willkommen und las die Traktandenliste vor, worunter auch Kassabericht und Vorstandswahlen vorkamen. Der Kassabericht schliesst mit einem Überschuss ab und wurde von den Mitgliedern einstimmig genehmigt. Bei den Zentralvorstandswahlen wurden folgenden gewählt:

Präsident: Kindle Hugo, Mechaniker, Triesen

Vizepräsident: Banzer Gebhard, Triesen

Kassier: Beck Johann, Vaduz

Schriftführer: Pedrazzoli.

Der ganze Vertrauenskörper wurde in ganz wenigen Minuten einstimmig zusammengesetzt, und hoffen wir, dass die auferlegten Ämter auch bewusst vertreten werden. Den abtretenden Funktionären wird für ihre geleistete Arbeit der aufrichtigste Dank ausgesprochen. Darauf erfolgten verschiedene Verbandsmitteilungen, der Lohnabbau bei den Landesarbeiten, der sehr missbilligt wurde, dann die Demonstration von Balzers. [2]

Eine rege Diskussion erbrachte den Antrag zur Abstimmung, den wir wörtlich wiedergeben.

Resolution

"Die Delegierten des Liechtensteiner–Arbeitsverbandes beschliessen einstimmig an der Generalversammlung vom 31. Januar 1932 im Hotel Vaduzerhof: Sollte die fürstl. Regierung sich auf Anregung bezw. Beantragung bewogen fühlen, keine Deputationen von demonstrierenden Arbeitern zu empfangen, das heisst, sollte der Arbeiterschaft die Arbeitsmöglichkeit nicht bis zum ausreichenden Masse für den Lebensunterhalt verschafft werden, sodass wir zu einer unserer letzten Waffen greifen, zur Demonstration, u. sollten sich die einschlägigen Verwaltungen nicht mit ihnen verhandeln lassen, bezw. nicht empfangen, so wäre die gesamte Mitgliedschaft des Verbandes bereit, ein solches Vorgehen mit einem generellen Aufmarsch zu beantworten."

Dies zur Kenntnis für diejenigen, die immer noch glauben, mit dem Arbeiter könne man heute noch Hokus–Pokus nach Noten machen.

Der neue Wahlmodus [3] wurde auch sehr reiflich diskutiert, erhielt aber einen sehr verwerflichen Anklang. Mit aller Deutlichkeit ging hervor, dass sich die Arbeiter geschlossen für die Verwerfungsaktion einsetzen sollen, um eine noch grössere Vergewaltigungsaktion über die Arbeiterschaft zu verhindern.

Es wurde weiter sehr deutlich bewiesen, dass dies frei von Politik, von der Arbeiterschaft betrachtet, bachab geschickt werden muss, um den schon lange gehegten Gedanken, auch baldigst eine gerechte Vertretung im Landtage einzunehmen, nicht zu erdrosseln.

Auch möchten wir einigen Gerechten den Landtagsbeschluss in Erinnerung bringen.

Auszug aus dem Landtagsbeschluss vom 30. September 1931, der in Art. 4 wörtlich sagt.

"Die Unternehmer staatlicher Arbeiten (Akkordanten) müssen Normalarbeiten einen Stundenlohn von mindestens Fr. 1.- bezahlen, wobei jedoch eine Lohnspanne bis auf 20 Rp. nach unten und nach oben je nach Alter und Arbeitsleistung angängig ist." [4]

Es ist wirklich bedauerlich, dass es immer noch sogenannte Akkordanten gibt, die trotz Gesetzeserlass nicht den vorgeschriebenen Lohn bezahlen wollen, auch gegen diese wird der Arbeiterverband die Zügel strammer zu ziehen haben.

Genossen! Der Verband, der bereits vor einem Jahr auseinandergerissen wurde, steht heute doch (was jeder nach Vaduz Diktierte bestätigen wird), besser da wie je zuvor. Alles wurde in Bewegung gesetzt, um eine Zerfleischung der Arbeiter und deren Organisation heraufzubeschwören.

Die Versammlung wurde sodann früh beendigt, mit dem Gedanken, für uns Arbeiter gibt es nur eines und das ist das Vorwärts.

Als ganz Grosses gilt es, die Vorlage des Wahlprojektes mit "Nein" zu beantworten.

 

 

______________

[1] L.Na., Nr. 15, 5.2.1932, S. 2.
[2] Zur Demonstration in Balzers am 11. Jan. 1932 vgl. L.Vo., Nr. 6, 16.1.1932, S. 2 (“Wieder ein Demonstratiönchen”), LI LA RF 125/218/5, LI LA RF 125/218/6.
[3] Am 14. Feb. fand eine Volksabstimmung über eine Änderung des Landtagswahlmodus statt. Die von der Bürgerpartei vorgeschlagene Reform wurde von der oppositionellen Volkspartei energisch bekämpft. Vgl. LI LA LTP 1932/034a, LI LA LTP 1932/036, LI LA LTP 1932/041, LI LA LTP 1932/042, LI LA LTP 1932/043.
[4] Vgl. LI LA LTP 1931/183.