Nachdem die fünf Abgeordneten der Volkspartei ihre Demission zurückziehen, beantragt der Landtag die Abänderung des Landtagswahlrechts


Maschinenschriftliches Protokoll der Landtagssitzung ("Landtagsbericht"), gez. Friedrich Walser und  Wilhelm Beck [1]

16.4.1919

Vizepräsident Walser übernimmt den Vorsitz. & verliest die eingegangene Demission des Landtagspräsidenten [Dr. Albert Schädler], [2] die genehmigt wird. [3] Hierauf kommt die Demission der fünf Abgeordneten [Albert] Wolfinger, [Emil] Risch, [Josef] Sprenger, Dr. [Wilhelm] Beck & [Josef] Gassner zur Behandlung. Dr. Beck gibt auf Grund der vorhergegangenen Einigungsverhandlungen & des in der heutigen Sitzung noch zu fassenden Beschlusses, wonach im Oberland acht Volksabgeordnete & im Unterland 5 Volksabgeordnete nach der neuen Verfassung zu wählen seien & der Landesfürst [Johann II.] nur mehr zwei Abgeordnete ernenne & unter der Voraussetzung, dass auch die übrigen streitigen Verfassungspunkte im Sinne der Besprechungen bereinigt werden, namens der Mitabgeordneten die Erklärung ab, dass sie ihre Demission [4] zurückziehen.

Sodann stellt er den auf Grund der Besprechung verfassten Antrag: Es wird als Grundlage für die künftige Verfassungsrevision beschlossen, das Oberland soll acht (8), das Unterland fünf (5) Volksabgeordnete ohne Verhältniswahlrecht nach dem bisherigen Wahlrechte wählen. Dafür werden unter der Voraussetzung des Einverständnisses des Landesfürsten nur mehr zwei fstl. [fürstliche] Abgeordnete auf kollegialen Vorschlag der Regierung durch den Landesfürsten ernannt. [5]

Der Antrag wird ohne Debatte einstimmig angenommen.

[…]

Nachtrag

Nach der Abstimmung über die Wahl der Abgeordneten für die bevorstehende Verfassungsrevision [6] wurde auch der über Ansuchen der Gemeinde Planken [7] von der f. Regierung eingebrachte Gesetzesvorschlag besprochen, nach welchem der § 10 der Landtagswahlordnung [8] künftighin lauten soll:

„Der Hauptwahlort für das Oberland ist Vaduz, jener für das Unterland Mauren. Wahlorte sind ausserdem alle selbständigen Gemeinden des Fürstentums."

Der Landtag spricht sich zwar im Prinzipe einstimmig für diese Gesetzesabänderung aus, ist jedoch der Ansicht, dass diese Abänderung bei der allgemeinen Gesetzesrevision berücksichtigt werde und deshalb jetzt die Erlassung eines separaten Gesetzes hierüber entfallen soll.

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[1] LI LA LTA 1919/S04. Der Berichterstattung im „Liechtensteiner Volksblatt" zufolge erging der Beschluss über die Zusammensetzung des Landtags in einer vertraulichen Besprechung der Landtagsabgeordneten vor der öffentlichen Landtagssitzung (L.Vo., Nr. 31, 19.4.1919, S. 2 („Landtagssitzung vom 16. April 1919")). Das Landtagsprotokoll wurde (ohne Nachtrag) in den „Oberrheinischen Nachrichten wiedergegeben (ON, Nr. 30, 30.4.1919, S 1-2 („Landtags-Bericht über die Sitzung vom 16. April 1919")).
[2] Vgl. das Schreiben von Albert Schädler an den Landtag vom 30.3.1919 (LI LA LTA 1919/L17).
[3] An seiner Stelle wurde Gustav Schädler zum fürstlichen Abgeordneten ernannt.
[4] Die genannten Abgeordneten der Volkspartei hatten in der Landtagssitzung vom 6.3.1919 ihre Demission eingereicht, wobei Wilhelm Beck das Amt des Regierungsrates beibehalten hatte (LI LA LTA 1919/S04 und LI LA LTA 1919/S01/1). Im Nachgang zu den Volksabstimmungen vom 2.3.1919 hatten die Delegierten der Volkspartei betont, dass ein Landtagsabgeordneter im Oberland dieselbe Seelenzahl wie im Unterland vertreten müsse, und den Landtag um den schleunigsten „volkstümlichen Verfassungsausbau" ersucht (LI LA LTA 1919/L11, Delegierte der Volkspartei an Landtag, 6.3.1919). In einer Eingabe der Bürgerpartei an den Landtag vom 9.3.1919 wurde der Rücktritt der 5 Abgeordneten als „Ungesetzlichkeit" kritisiert (LI LA LTA 1919/L13).
[5] Nach § 55 der Verfassung vom 26. September 1862 in der Fassung von § 1 des Gesetzes vom 21. Januar 1918 betreffend die Abänderung der Landtagswahlordnung, LGBl. 1918 Nr. 4, wurden 3 der 15 Landtagsabgeordneten vom Fürsten aus der wahlfähigen Bevölkerung des Fürstentums ernannt. Gemäss § 63 der Verfassung idF. von § 9 3. Satz legcit. hatte das Oberland 7 Abgeordnete und das Unterland 5 Abgeordnete zu wählen.
[6] Der Abgeordnete Johann Wohlwend von Schellenberg wurde vom Landtag in die Verfassungskommission gewählt.
[7] Vgl. das Landtagsprotokoll vom 6.3.1919 (LI LA LTA 1919/S04).
[8] Angesprochen ist § 10 des Gesetzes vom 21. Januar 1918 betreffend die Abänderung der Landtagswahlordnung, LGBl. 1918 Nr. 4, in welchem anstelle des 6. Hauptstückes und des § 101 der Verfassung vom 26. September 1862 neue Bestimmungen traten. § 10 dieses Gesetzes bzw. § 64 der Verfassung sah vor, dass Vaduz der Hauptwahlort für das Oberland und Mauren jener für das Unterland waren. Wahlorte waren ausserdem Balzers, Triesen, Triesenberg, Schaan – zugleich Planken -, Eschen, Schellenberg, Ruggell und Gamprin.