Die Regierung erteilt der Gemeinde Vaduz die Bewilligung zur Erstellung und zum Betrieb eines elektrischen Leitungsnetzes für Beleuchtungszwecke


Handschriftliches Konzeptschreiben mit Ergänzungen und Korrekturen des Landesverwesers Karl von In der Maur, gez. ders., zuhanden der Gemeinde Vaduz [1]

6.9.1900

Dekret

An den Ortsvorstand [Alois Seger (Seeger)] in Vaduz

Zum Zwecke der Herstellung und des Betriebes einer elektrischen Beleuchtungsanlage in Vaduz hat die Gemeinde Vaduz mit der Fabriksfirma Jenny, Spörry u. Comp. in Vaduz unterm 19. Mai 1899 einen Vertrag [2] abgeschlossen, wornach letztere Firma die Wasserkraft zwischen der auf Kat. Parc. No. 15/VIII gelegenen Centralquellenstube der Firma u. dem auf ebendieser Kat. Parc. gelegenen Hochreservoir der Firma in entsprechender Druck- u. Ableitung zu u. von der beim Hochreservoir zu errichtenden Kraftstation, deren Herstellung durch die Gemeinde Vaduz vorgesehen war, zu führen hat.

Nachdem der bezügliche Vertrag mit dem hä. [hierämtlichen] Erlasse vom 23. Mai 1899, Zl: 807/Reg., genehmigt worden war, wurde der genannten Firma mit dem hä. Erlasse vom 22. Oktober 1899, Zl. 1516/Reg. [3] die Bewilligung zur Herstellung der erwähnten Druckleitung u. der Gemeinde Vaduz mit dem hä. Erlasse vom 12. April 1900, Zl. 703/Reg. [4] die Concession zur Erbauung eines als elektrische Kraftstation ins Auge gefassten Maschinenhauses für das Elektricitätswerk auf der im Eigenthum der Gemeinde stehenden Kat. Parc. No. 17/VIII ertheilt.

Die fürstl. Regierung ertheilt nunmehr der Gemeinde Vaduz über deren Ansuchen und nach gepflogener Lokalerhebung die Bewilligung zur Herstellung eines für den Betrieb der elektrischen Beleuchtung bestimmten Leitungsnetzes unter folgenden Bedingungen:

1. Von dem vorgelegten Plane, [5] welcher unter Einem genehmigt wird, darf ohne spezielle hä. Bewilligung nicht abgewichen werden.

2. Die Anlage bezw. Führung der elektrischen Speise- und Vertheilungsleitungen sowie die Ausführung der Anschlussleitungen für die einzelnen Häuser und die Anlage der Leitungen in den Häusern selbst hat nach den in der Schweiz geltenden neuesten Normal-Bestimmungen [6] zu erfolgen.

3. Die Aufstellung der Stangen hat derart zu geschehen, dass öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt werden u. dass insbesondere auch der Wasserabzug auf den landschaftlichen Strassen u. auf den Ortswegen nicht in nachtheiliger Weise beeinflusst wird; soweit Privatgrundstücke zur Aufstellung von Stangen benützt werden sollen, ist Behufs Vermeidung nachträglicher begründeter Reclamationen jedesmal die vorgängige Zustimmung des betreffenden Grundeigenthümers in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise sicherzustellen.

4. Die Gemeinde bleibt der Behörde sowie den Privaten gegenüber für jeden Schaden haftbar, welcher während der Montirung des Leitungsnetzes oder während des Betriebes der elektrischen Anlage durch Mangel an Aufsicht oder an Umsicht, durch Verwendung schlechten Materiales, durch fehlerhafte Construktion oder durch fehlerhafte Behandlung der Anlage u. dgl. mehr an fremdem Eigenthume entsteht.

5. Änderungen der fertiggestellten Anlage oder Erweiterung derselben durch Einbeziehung neuer Abgabestellen in das elektrische Leitungsnetz bedürfen stets einer besonderen Bewilligung der fürstl. Regierung.

6. Die erfolgte Fertigstellung der Anlage ist der fürstl. Regierung seinerzeit Behufs Collaudirung anzuzeigen.

7. Die hiemit ertheilte Concession für den Betrieb der elektrischen Beleuchtungsanlage gilt zunächst für dreissig (30) Jahre bis Ende 1930.

Hievon wird der O. V. mit der Aufforderung in Kenntnis gesetzt, das noch fehlende Duplikat des unter Punkt 1) erwähnten Planes zur Beisetzung der hä. Genehmigungsklausel sowie die Pläne für den maschinellen Theil der Anlage (Turbine u. dgl.) in doppelter Ausfertigung zur Genehmigung ha. einzureichen. [7]

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[1] LI LA RE 1900/0999 ad 0702. Eine Abschrift des Schreibens ging an Landestechniker Gabriel Hiener zur Kenntnisnahme. Mundiert von Josef Ospelt am 7.9.1900. Vgl. LI GAV A 16/01/1/3.
[2] Vgl. den Vertrag zwischen der Gemeinde Vaduz, vertreten durch Ortsvorsteher Adolf Real und Gemeindekassier Johann Laternser, einerseits und der Firma Jenny, Spoerry & Cie andererseits vom 19.5.1899 betreffend Fassung der Wasserkraft zwischen der Zentralquellenstube und dem Hochreservoir der Firma für Zwecke der elektrischen Beleuchtung. Der Vertrag wurde von der Regierung bzw. von Landesverweser Karl von In der Maur am 23.5.1899 genehmigt. Vgl. dazu auch den Erlass an das Landgericht vom selben Tag betreffend die grundbücherliche Amtshandlung (LI LA RE 1899/0807). Vgl. LI GAV A 19/05/17 sowie LI GAV A 16/01/3/01.
[3] Vgl. das Dekret von Landesverweser Karl In der Maur an die Firma Jenny, Spoerry & Cie vom 22.10.1899 auf deren Gesuch vom 17.4.1899 (LI LA SF 05/1899/1516 ad 0911).    
[4] Vgl. das Dekret des Landesverwesers an die Ortsvorstehung Vaduz vom 12.4.1900 in Erledigung des Gesuches der Gemeinde vom 9.4. (LI LA RE 1900/0703 ad 0702).
[5] Vgl. LI LA PKB 0352/3.
[6] Vgl. den Bundesratsbeschluss betreffend Allgemeine Vorschriften über elektrische Anlagen vom 7.7.1899, welcher dem Landesverweser am 12.9.1900 von Landestechniker Hiener übermittelt wurde. In der Maur vermerkte hiezu: "Diese Vorschriften wurden als für das Vaduzer Elektricitäts-Werk massgebend erklärt." (LI LA RE 1900/1620 ad 0702).
[7] Am 9.12.1900 teilte Ortsvorsteher Seger der Regierung mit, dass die Gemeinde beabsichtige, "mit Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche die Probebeleuchtung zu beginnen" (LI LA RE 1900/2245 ad 0702). Zur behördlichen Kollaudierung des Maschinenhauses für das Elektrizitätswerk Vaduz sowie der Turbinen und der elektrodynamischen Maschinen am 13.12.1900 vgl. den Erlass der Regierung an den Ortsvorstand in Vaduz vom 20.12.1900 (LI LA RE 1900/2302 ad 0702). Eine gesonderte Kollaudierung des elektrischen Leitungsnetzes wurde in den Akten nicht vermerkt.