Der Werdenberger Anzeiger berichtet über die Zählung der in Liechtenstein kursierenden Kronen und über die Probleme bei der Valuta-Umstellung


Bericht des Werdenberger Anzeigers, nicht gez. [1]

12.3.1920

Liechtenstein

Kronenzählung.

Vom Sonntag bis Montag Mittag war die Landesgrenze des Fürstentums nach allen Seiten strenge geschlossen. Die Sperre wurde plötzlich und ganz im Geheimen vollzogen. In dieser Zeit wurde im Lande der Stand der vorhandenen Kronen aufgenommen. Die Leute mussten den Kronenbesitz dem Gemeindeverweser abgeben, von dem das Geld gezählt und bis Montag Mittag behalten wurde. Die ungewöhnliche Massnahme dürfte mit dem Plane des Valutaanschlusses an die Schweiz zusammenhängen.

Die Valutaschwierigkeiten im Fürstentum Liechtenstein sind ins Unerträgliche gestiegen. Wohl befinden sich etwa 20 Millionen deutschösterreichischer Kronen im Lande, allein sie sind für die Besitzer heute wertlos, da die Krone in Liechtenstein nicht mehr angenommen wird; die Gewerbetreibenden und Bauern liefern nur mehr gegen Franken, obwohl diese nicht gesetzliche Währung sind.

Tief leiden unter diesen Zuständen vor allem die kleinen Kapitalisten und Fixbesoldeten, die Kronen einnehmen und Franken verausgaben sollen. Während die Krone in Deutschösterreich selbst im Vergleich zu den Schweizerpreisen immerhin noch 30 bis 40 Cts. Kaufkraft besitzt, ist die völlige Wertlosigkeit des österreichischen Papiergeldes in Liechtenstein auf zwei Umstände zurückzuführen: Die nahe Schweizergrenze verlockt zum Absatz der im Lande selbst erzeugten oder aus Österreich „importierten“ Produkten gegen Franken und infolge der voreiligen und unüberlegten Kündigung des Zollvertrages mit Österreich – es war dies ein das Ländchen tief schädigender Schritt seiner Volksvertretung – hat sich Liechtenstein selbst die Grenzen gegen Österreich gesperrt und befindet sich Österreich gegenüber in bezug auf die Ausfuhr im gleichen Verhältnis wie die Schweiz.

Der geplanten Einführung der Frankenwährung stellten sich ganz bedeutende Schwierigkeiten entgegen. Es ist jedenfalls vom volkswirtschaftlichen Standpunkte ein eigentümliches Beginnen, mit d. schlechtesten Valuta eine der teuersten zu kaufen und sich handelspolitisch einem Lande anzuschliessen, das infolge seiner hohen Valuta den Export einstellen musste. Das Land könnte dabei auf lange Zeit hinaus in die drückendsten Schulden geraten.

Übrigens hat es bis zur Verwirklichung dieser beiden Pläne noch hübsch Zeit: Eine Sondierung wegen einer grösseren Anleihe in der Schweiz zur Einführung der Frankenwährung verlief ergebnislos und die Frage des Zollanschlusses ist einstweilen auf die lange Bank geschoben. In Liechtenstein ist die Volksmeinung über Einführung der Franken und den Zollanschluss an die Schweiz geteilt und dürfte bei einem Referendum kaum die Mehrheit für sich haben. Besonders opponiert der untere, an Vorarlberg angrenzende Teil des Landes lebhaft dagegen.

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[1]Werdenberger Anzeiger 12.3.1920.