Die NZZ sieht die Regierung Schädler nach der umstrittenen Abstimmung über das Lawenawerk in einer sehr starken Position


Zeitungsartikel, nicht gez. [1]

17.9.1925

Liechtenstein

L. Das Fürstentum Liechtenstein hat einen ziemlich scharfen politischen Kampf hinter sich, in dem jedoch die Regierungspartei einen befriedigenden Sieg errang. Der Ausgang der Volksabstimmung gestattet nun der Regierung, an die Ausführung des projektierten eigenen Elektrizitätswerkes zu schreiten, dessen Finanzierung durch den Anleihevertrag mit der Schweizerischen Volksblatt sichergestellt ist.

Die Opposition gegen das Lawenawerk wurde von der Bürgerpartei geführt, die zwar keine sachlichen Argumente gegen dasselbe ins Feld führte, jedoch den Standpunkt einnahm, dass der Zeitpunkt für die Verwirklichung des seit 1914 anhängigen Projektes noch nicht gekommen sei. Mit Recht vertrat jedoch die Regierung und mit ihr die hinter der Regierung stehende Volkspartei die gegenseitige Auffassung, denn dem Lande sind bisher aus dem Unterhalt der bereits im Jahre 1919 angeschafften Maschinen und Materialien erhebliche unproduktive Kosten erwachsen, die sich schon im zweiten Betriebsjahre des Werkes nach den vorsichtigen und sorgfältigen Berechnungen der Fachleute in eine Rendite verwandeln werden. An der Parteiversammlung der Opposition in Triesen hatte selbst der Wortführer der Bürgerpartei erklärt, dass man die Rentabilitätsberechnung nicht bezweifle. Der Kampf gegen die Gesetzesvorlage erklärt sich lediglich aus den politischen Bedürfnissen der Opposition, die am Parteitag auf die kommenden Wahlen hinwies, die im Frühjahr stattfinden werden. Die Bürgerpartei fürchtet mit Recht, dass der Bau des Lawenawerkes die Stellung der Volkspartei erheblich kräftigen werde, und dass dann, wie ein Redner erklärte, das gegenwärtige Regime so fest im Sattel sitzen werde, dass es unbesieglich sei. Aus diesem Grunde versuchten sie, eine Verschiebung der Abstimmung zu erwirken, angeblich, weil das Volk über die Frage nicht genügend aufgeklärt sein. Wie wir erfahren, ist jedoch ein entsprechendes Gesuch nicht eingereicht worden, und so kam es zu einer ungewohnt hitzigen Kampagne, in deren Verlauf die Bürgerpartei mit dem Schlagworte „Zwängerei“ und „einseitige Parteiwirtschaft“ der Regierung eine Niederlage beizubringen hoffte, zwei nicht ungefährliche Schlagworte, wenn man bedenkt, dass die jetzige Regierung eine völlige Umstellung in der wirtschaftlichen Orientierung bewerkstelligt und mit starker Hand die Steuergesetzgebung neu geregelt hat. Umso erfreulicher ist das neue Zutrauensvotum des Volkes, das füglich als eine Anerkennung der bisher geleisteten segensreichen Arbeit ausgelegt werden darf. Man wird im Regierungsgebäude mit dem Ausgang der Abstimmung zufrieden sein, und das Liechtensteiner Volk kann sich glücklich schätzen, dass seine Regierung in der Lage ist, ihr Werk mit diesem für die Landeswohlfahrt so bedeutenden Projekt zu krönen.

______________

[1] Neue Zürcher Zeitung 17.9.1925, Nr. 1443, Abendblatt. In den Zürcher Nachrichten vom 26.9.1925 erfolgt eine Antwort auf diesen Beitrag, der zeigt, dass die Kontakte zur Schweizer Presse parteipolitischen Einflüssen unterlag.