Karolina Büchel an Ulrich Öhri über den Tod von Onkel Andreas Öhri, die Erkrankung der Kinder an Grippe und Diphterie sowie die Volksabstimmung über den Bau des Binnenkanals vom Dezember 1930


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Büchel [Karolina Büchel [-Hasler]], Gamprin, an Onkel Ulrich Öhri mit Familie, Spencer (Nebraska) [1]

29.01.1931, Gamprin

Lieber Onkel u. Fam.!

Ganz von Schmerz ergriefen über das
Ableben unseres lb. Onkels Andreas [Öhri]
will ich Euch zu dem Vorstehenden
noch ein paar Zeilen zufügen. Bitte
nehmt es mir nicht für Übel, dass [2]
ich den Brief nicht schon im Dezember
fertig machte. Es war aber eine böse
Krankheit im Umlauf unter den
Kindern die Grippe verbunden mit
Difterie, auf einmal hatte ich Eins um
das Andere krank und hatte gar
viel Arbeit. Die Kinder müssen schon
einen Monat nicht mehr in die Schule,
wegen Ansteckungsgefahr.

Wie (ght) geht es Euch zur Zeit?
Ich hoffe Ihr seit alle gesund und denken
gewiss in grossem Schmerze wie wir
auch. Ach man kann es kaum fassen [3]
dass der lb. gute Onkel so schnell
von den Seinen musste. Tante
Mali [Amalia Öhri [-Heeb]] wird es wohl kaum [4]
Begreifen können wie schwer muss
es Ihr sein, sie waren so gut zueinander
als sie vor 4 Jahren da waren.

Ich war gestern bei der Mama daheim
draussen, es tut Ihnen allen auch
sehr weh dass er so schnell von hinen
musste wir hofften auf ein Widersehen.
1932 werde Er wieder komen sagte Er
beim Abschied. Gott aber wollte es
anderst und seinen Fügungen müssen
wir uns in Demut unterwerfen.
Heute war ich bei der Tante [Crescentia Marxer [-Öhri]] in
Ruggell ach auch sie trauert um
ihren lb. Bruder. Sie meinte eines
Teiles [5] sei es Ihm gut gegangen [6]
wenn man so Alles haben könnte
und wegen einer Krankheit sich
so einschränken müsse habe man
es auch nicht schön auf der Welt.
In Ruggell werde am Sonntag
die Totenglocke geläutet und
kommende Woche auf Wunsch
von Ihr u. Berrnhards einen
Seelengottesdienst gehalten.
Ich will nun schliessen ich bin so
unachtsam heute ich mache immer
Fehler der Schmerz ist mir zu sehr
in der Seele. Möge der lb. Gott Euch
Allen Trost und ein langes
Leben in bester Gesundheit
schenken. Dies wünscht von Herzen
Euere dankbare Nichte K. Büchel [7]

Die besten Grüsse von uns allen [8]  

Vor fast drei Wochen habe ich
meinem Ältesten [Robert Büchel] einige
Zeilen dikdirt aber den Brief
nicht fertig machen können
er musste seine Schulauf-
gaben machen und so wollen
wir heute zusamen wieder
weiter machen.

Es hat sich in dieser Zeit noch
eine wichtige Neuigkeit er eig-
net die Euch gewiss sehr in-
tressiert. Schon bald 40 Jahre
gingen die Liechtensteiner [9]
dem Gedanken an eine Riet-
entwässerung um. Es wurden
all die Jahre her, für nahe zu
100 dausend Fr. Projekte machen
gelassen. Dann kam es zu einer
Volksabstimmung wobei der
Bau eines Kanals von Balzers
bis zur Landesgrenze bei Bangs
mit über 2/3 Stimmen beschlossen wurde [10]
Man hofft durch diesen Kanal
den Rheinrückstau zu mindern
denn besonders das Unterland
hatte bei Hochwasser grossen [11]
Schaden an seinen Feldern. In
Eschen Mauren und Nendeln waren
die Bewohner so erfreut dass
sie am Abend Funken brandten
Pöller schossen und Musik-
umzüge veranstalteten. Im
ganzen Lande läuteten die
Glocken während ¼ Stunde

______________

[1] LI LA PA 016/3/05/07.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.  
[4] Durchstreichung.
[5] Durchstreichung.
[6] Seitenwechsel.
[7] Seitenwechsel.
[8] Nachträglich am Rand der 3. Seite hinzugefügt.
[9] Seitenwechsel.
[10] Die liechtensteinischen Stimmberechtigten stimmten dem Binnenkanalprojekt am 14.12.1930 mit 1471 zu 610 Stimmen zu. Vgl. L.Vo., Nr. 145, 16.12.1930, S. 1 („Ein Sieg der Vernunft“).
[11] Seitenwechsel.