Handschriftliches Originalschreiben des Reinhard Kieber, Mauren, an Wilhelm Marock in Indiana, mit einem Nachtrag von Ferdinand Marock [1]
11.06.1896, Mauren
Werthester Freund u. Kamerad!
Da es nun schon 32 Jahre ist, seitdem wir 
einander sehen, viel weniger sprechen 
könten, ohne Brieflich, so will ich Dir jetzt 
einige Zeilen zu kommen lassen [2], was Dir 
vieleicht recht sein wird, als alter Schloss-
bürger, [3] Kamerad u. Freund. Ich bin 
wirklich zu Hause, in der Heimat u. 
zwar bei Deinem Bruder Andreas [Marock] u. bei 
der Schwester Katharina [Marock [-Kieber]], weil ich voriges 
Jahr, sehr Unglüklich gewesen bin, so dass 
ich wahrscheinlich Invalid bleiben werde. 
Ich fiel in Zürich 3 Stock hoch von einem Hause 
herunter, u. musste 9 Monate im Spital 
zu bringen. Da bin ich am 17 November 
hieher gekommen u. seither hier. Durch den 
Unfall habe ich einen Beckenbruch erlitten 
habe dabei die Haupt Nerfen in einem 
Fusse gänzlich zerqutscht, so dass der untere 
Theil des Fusses gänzlich Lamm ist, bis dato, 
wie es weiter komt, weiss ich selbst nicht, 
kan noch längere Zeit gehen, bis ich ein wenig 
laufen kann. [4]  
So dass ich wieder einer richtigen Arbeit 
vorstehen könte, auch sonst habe ich vieles 
durchmachen müssen, in diesen Jahren, 
weil ich immer in der Fremde gewesen bin, 
u. auch verheirathet [5] dort, aber jedoch das 
Glück, gehabt, ohne Kinder u. das komt 
mir jetzt wohl, weil ich es in der Fremde 
nicht auf das Pferd, ja nicht einmal richtig 
auf den Esel gebracht habe, wirst Dir begreifen 
dass ich keinen Herr geworden bin. Nun 
Lebe ich denoch, u. das Geld ist das wenigste 
bei mir, andere Leut habens. Habe in diesen 
Jahren schon öfters an Dich gedacht, u. liess 
einen Brief, von Zürich aus, an Dich verabfolgen 
ob Du denselben bekommen hast, weiss ich 
heute noch nicht. Ich wünschte mir frühere 
Zeit öfter, ich wäre auch in Amerika, aber 
jetzt ist es zu spät, wan man Graue Haare 
hat, u. nicht mehr laufen kan, haben diejen-
igen zu thun, welche gut laufen können, 
hier u. in Amerika. – Jetzt rückt es mit 
uns schon dem Alter zu, aber ich hoffe 
Dich, doch noch einmal zu sprechen, ehe wir [6] 
von dieser Welt Abschied nehmen. Es 
käme Dir auch ganz anders vor hier, gegen 
vor 30 Jahren, weil schon vieles gelaufen 
ist in diesen Jahren. Nun weiters will 
ich schliessen, mit einem Freundlichen Gruss 
u. wünsche Dir, die beste Gesundheit, 
nebst Glück, überhaupt was ich mir selbst 
wünsche.
Achtungsvoll
Rainhard Kieber.
[7]
Nachtrag.
Ich habe Reinhard ersucht Dir einen Brief bei-
beilegen, da wir seit dem er hier ist viel mitein-
ander [8] Karten spielen beim Bruder Andreas. 
Kann aber absolut dieser lere Raum am Pa-
pier hier nicht sehen u. dachte mir Andreas resp. 
sein Student Urban [Marock] könnte ihn ausfüllen 
da doch der Brief in seinem Hause geschrieben 
wurde. Nun will ich dieser Raum ausfüllen 
wen auch nur mit Bleistift den der Brief-
bot wartet absolut darauf um gleich auf die 
Post zu nehmen. [9]
Ich habe Dir noch nie geschrieben wie ein 
Lichtensteiner in kurzer Zeit ein rissen-
mässiges Vermögen in Amerika erworben 
hat. Der Mann ist Dir vieleicht bekannt. 
Es ist Karl Schädler der jünste Sohn dess 
alten Dr. [Karl] Schädler in Vaduz. Karl Schädler 
studierte Thenick, war während seinen Studien 
Jahren ein ausgelassener Spitzbub. Seine 
erste Technische arbeit began er im 
Bregennzerwald an einer Berg Landstrasse 
von da ging er nach Deutschland 
Sachsen-Oldenburg. Nach 2 Jahren ging 
er von da nach Südamerika fand als 
Eisenbahn Ingenör u. Bauunternehmer
als bald dort beschäftigung. Dort hatte 
er so vil Glück, dass er in 5 Jahren schon 
500‘000 Gulden in die Liechtensteiner Spaar-
kasse einlegen wolte, was natürlich von 
der Spaarkassa Comission verweigert 
wurde. Das Gute für uns Lichtensteiner 
war das wir aus diesem Grunde um 1 % Zinsreduktion 
erhilten.
Ferdinand
                    ______________
                    [1] US PA Delph Donna. Brief in Kurrentschrift. 
[2] Ursprüngliche Fassung: „laẞen“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt. 
[3] Schloss Vaduz diente dem liechtensteinischen Militärkontingent von 1837 bis zu seiner Auflösung 1868 als Unterkunft. Vgl. Rupert Quaderer-Vogt: … wird das Contingent als das Unglück des Landes angesehen. Liechtensteinische Militärgeschichte von 1814 bis 1849. In: JBL, Bd. 90 (1991), S. 162-164. 
[4] Seitenwechsel. 
[5] Verheiratet mit Albertina geb. Leemann. 
[6] Seitenwechsel. 
[7] Es folgt – mit Bleistift geschrieben – ein Nachtrag von Ferdinand Marock. 
[8] Durchstreichung.
[9] Seitenwechsel.