Die Vaterländische Union erstattet Anzeige wegen eines Plakates mit Anschuldigungen gegen Otto Schaedler und Alois Vogt


Schreiben der Parteileitung der Vaterländischen Union, gez. Otto Schaedler, Präsident, und Louis Seeger, Sekretär, an die Staatsanwaltschaft [1]

25.5.1945, Vaduz

Die Parteileitung der Vaterländischen Union erstattet hiermit gegen unbekannte Täter nachstehende

Strafanzeige.

Am Pfingstmontag, den 21. April 1945, [2] nachmittags während des Dankgottesdienstes anlässlich der Landeswallfahrt auf Dux, [3] errichteten unbekannte Täter unten im Dorfe Schaan am Hauptverkehrsplatze einen Galgen und daneben ein gemaltes Riesenplakat mit folgendem Text:

"Dr. Otto Schaedler: 'Die Pfadfinder sind ein ungeordneter Sauhaufen', so sprach jener, der 1943 Sprecher für das Volk sein sollte.

Dr.[Alois] Vogt an der innerparteilichen Konferenz: 'Ich habe die ausserpolitischen Fäden in der Hand, wir lassen uns diesmal politisch nicht mehr an die Wand drücken, sonst ziehen wir die letzten Konsequenzen!'

[Anton] Mühlschuster, [Ulrich] Göppel und Facchini [4] ausgewiesen:

Ein kleiner Anfang, aber es trifft noch mehr, auch unsere Verräter kommen dran."

Die Kombination des Plakates mit dem Galgen, der übrigens am gleichen Tag in der Frühe bereits von den Gemeindebehörden entfernt worden war und am Nachmittag wieder errichtet wurde, die ausdrückliche Einbeziehung des Herrn Regierungschef-Stellvertreters Dr. Vogt in diese Kombination und endlich die Wiederaufrichtung des Galgens mit der Schmähschrift zu einer Zeit, als aus dem ganzen Lande zahlreiche Teilnehmer an der Landeswallfahrt in Dux teilnahmen, zwingt zu der Schlussfolgerung, dass die Täter eine planmässige Hetze, Schmähung und Herabwürdigung eines Regierungsorganes, nämlich des Herrn Regierungschefstellvertreters Dr. Vogt mit möglichst grosser und weitgehender Wirkung beabsichtigten und sich damit der Aufwiegelung gegen ein Organ der Regierung schuldig gemacht haben, sofern die Tätigkeit nicht eine schwerer verpönte Handlung darstellt. Wenn Herr Dr. Vogt in der Partei eine Erklärung im Sinne des Plakattextes abgegeben hat, so kann er dies nur als Vertreter der Partei in der Regierung gemacht haben und auch nur in dieser Eigenschaft kann er die "ausserpolitischen Fäden in der Hand haben". Die Schmähung des Herrn Regierungschefstellvertreters Dr. Vogt steht also in Beziehung zu seiner amtlichen Stellung und Amtsführung.

In der Meinung, dass die liechtensteinische Polizei bereits von Amtes wegen Nachforschungen gegen solche direkt staatsgefährdende Umtriebe angestellt und die Täter bereits eruiert haben dürfte, erhebt die Parteileitung der Vaterländischen Union, die sich eine derart schmachvolle und planmässige Hetze gegen ihren Vertreter in der fürstlichen Regierung unter keinen Umständen gefallen lässt, ausdrücklich Strafanzeige gegen die Aufwiegler sowie deren Anstifter und Helfershelfer mit dem Ersuchen um Einleitung eines Strafverfahrens. [5]

Glaubwürdigen Informationen zufolge ist von den gleichen Aufwieglern am nächsten Samstag und Sonntag eine Wiederholung des gleichen Schauspieles geplant und in Vorbereitung. Dieser Umstand ist geeignet, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu gefährden, da die Bevölkerung schon durch die bisherige aufwieglerische Tätigkeit in begreifliche Erregung versetzt wurde und es besteht die Gefahr, dass der bereits allzu straff gespannte Bogen zerbrechen könnte. Es ist zu hoffen, dass sich die liechtensteinische Polizei ihrer Verantwortung in dieser Situation voll bewusst ist.

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[1] LI LA J 007/S 078/164 (a). Auf der Rückseite Vermerke zum weiteren Geschäftsgang: Staatsanwalt Ferdinand Nigg übermittelte das Schreiben am 17.6.1945 dem Landgericht zur "Feststellung oder Ausschliessung eines strafbaren Tatbestandes." Beim Landgericht ging das Schreiben am 18.6. ein, worauf es der stellvertretende Landrichter Hermann Risch am 19.6. ans Sicherheitskorps weiterleitete mit dem Auftrag, Erhebungen vorzunehmen. Bei der Polizei langte das Schreiben am 21.6. unter der E.Nr. 915 ein.
[2] Pfingstmontag war der 21.5.1945.
[3] Zur Landeswallfahrt zur Kapelle Dux in Schaan vgl. L.Vo., Nr. 59, 23.5.1945, S. 1f. ("Die Landeswallfahrt auf Dux").
[4] Emil Facchini sen. oder sein Sohn Emil jun., die beide ausgewiesen wurden.
[5] Zu den Erhebungen der Polizei vgl. LI LA J 007/S 078/164. Das Verfahren wurde im August 1946 eingestellt.