Der Landtag debattiert über die Heimatdienstdemonstration


Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Landtages, ungez. [1]

11.12.1934

1. Krisensteuer

Reg. Chef [Josef Hoop]: Ich habe aufgrund des Landtagsbeschlusses [2] die Sache nochmals durchgerechnet. Besser verstanden würde es im Volke, wenn bei den Beamten ein Abbau und bei den Freierwerbenden die Krisensteuer eingeführt würde. Ich habe wieder ein Schema ausgearbeitet für diese Lösung. Ich habe ein Existenzminimum von Fr. 2000 vorgesehen. Es würde ein prozentualer Abbau bei den Beamten vorgenommen und die Krisensteuer hätten sie überdies zu zahlen. Eine Trennung würde ich vorschlagen. Beim grössten Teil der Beamten ist es eine Lebensstellung.

[Heinrich] Brunhart: Nach dem Vorgang vom letzten Sonntag [3] würde ich glauben, man müsste viel mehr nehmen den Beamten. Hauptsächlich die Verwandten von Beamten und Angestellten sympathisieren stark mit dem Heimatdienst. Diese haben Zettel angeschlagen und anschlagen lassen. Bei den niedrigen Beamten würde ich keinen Abbau machen, aber mehr als Fr. 5000 würde ich keinem geben mit Ausnahme des Regierungschefs und des Landrichters. Die Arbeiter müssen mit Fr. 1000 auch leben und dann kann man mit Fr. 3000 und 5000 auch leben. Wenn die eigenen Söhne von den Lehrern die Zettel anschlagen und die nächsten Verwandten der Beamten mithelfen, dann muss man annehmen, dass sie zuviel haben. Die sagen es ja selber, dass sie zuviel haben. Das ist mein Grundsatz.

[Peter] Büchel: Schlägt einen Abbau bei den Taggeldern und den Kilometergeldern der Abgeordneten und bei den Kommissionen vor und zwar vom Taggeld einen Abbau von 20 %.

[Basil] Vogt: Es vermag sich kein Bruder für den anderen und kein Vater für den Sohn. Abbau ruft heute das ganze Land und Leute aus allen Parteien.

Risch Bernhard: Ich war auch immer dieser Meinung. Bisher hat man mir nicht zugegeben. Der Arbeiter hat kein Verdienst, die Taglöhne sind kleiner geworden, die Bauernsame geht schlecht. Man kann es diesen Leuten nicht verübeln. Es ist eine grosse Krisis und da sollen sie beitragen und helfen eine Befriedigung zu schaffen.

[Georg] Frick: Es wäre besser gewesen, man hätte das letzte Jahr schon abgebaut.

Reg. Chef: Man ist sich grundsätzlich einig, dass die Beamten ein Opfer bringen müssen. Es frägt sich jetzt nur, wie man den Abbau vornimmt. Wir sollten zu Zahlen kommen.

[Franz Josef] Marxer: Ich würde mit dem Abbau beginnen und zuerst bei uns selber.

Brunhart: Das Kilometergeld würde ich ganz fallen lassen.

Präsident [Anton Frommelt]: Ich habe auch daran gedacht, das Kilometergeld herabzusetzen. Dass man die Arbeit ehrenamtlich machen soll, dagegen wehre ich mich wegen der folgenden Konsequenzen. Es kommt dann so, dass nur mehr einige in den Landtag kommen, das ist sicher.

[Ludwig] Ospelt: Ich würde eine 25%ige Kürzung vorschlagen.

Büchel: Man kann das Kilometergeld auf 20 Rp. heruntersetzen und das Taggeld auf Fr. 5. Wenn man schon sparen will und muss, dann ist das billig.

Der Landtag beschliesst sodann einstimmig, die Taggelder für den Landtag und die Kommissionen um 20% und das Kilometergeld auf 20 Rp. zu kürzen.

Risch Bernhard: Bei den Beamten muss man sie positionsweise durchnehmen.

Reg. Chef: Da bin ich ganz dagegen. Wir haben doch die Auffassung gehabt seinerzeit, dass sie diese Gehalte verdienen und jetzt bin ich der Meinung, dass man das aufrecht erhält. Es kann nur ein prozentueller Abbau vorgenommen werden.

Risch Bernh.: Sind wir ganz sicher, dass wir früher das Richtige getroffen haben.

Reg. Chef: Wenn wir jetzt anfangen, dem einen soviel und dem anderen soviel abzubauen, dann schaut es eben parteiisch aus.

Ospelt: Über 5000 würde ich mit 10% gehen. Jeden extra behandeln, das ist eine heikle Sache. Wenn sich die Zeiten noch verschlimmern, wird man noch ganz anders vorgehen müssen.

Büchel: Man müsste dann aber noch erwägen, ob nicht der Fürst die Regierungschefwohnung geschenkt hat.

Ospelt: Der Regierungschef hat mit Fr. 8000 nicht zuviel.

Reg. Chef: Ich bringe das Opfer wie andere. Wir haben in der Regierung am meisten Gelegenheit, zu sehen, wo die Not gross ist und es wird niemand sagen können, dass wir uns je gegen einen Abbau gewehrt haben.

Büchel: Ob es mit Fr. 2500 noch einen Abbau leiden mag, das möchte ich in die Diskussion stellen. Ob man der Polizei noch abbauen kann, das bezweifle ich. Es ist auch vielhaft die Meinung, es seien zuviel Polizisten und ich würde die Verantwortung bei der heutigen Zeit nicht übernehmen, wenn es weniger wären. Bei den Polizisten ist ein Abbau nicht gerechtfertigt.

Brunhart: Bei den Gehältern über Fr. 3000 würde ich anfangen abzubauen, darunter aber ginge ich nicht.

Büchel: Ich möchte auch den Antrag stellen, jedem Beamten und Angestellten zu verbieten, einer solchen Partei, einer solchen Siebschaft anzugehören. Wenn man einem darauf kommt, würde ich ihn zur Rechenschaft ziehen.

[Philipp] Elkuch: Ich würde solche Beamte entlassen.

Präsident: Ich bin der Ansicht, dass von den Beamten keiner dabei ist.

Büchel: Ich glaube das auch, aber es sind doch noch immer Verdächtige vorhanden und die müssten mir erklären, dass sie der Sache ferne stehen. In meinen Augen ist ein Mitmachen eines Beamten mit solchen Leuten nicht am Platze.

Risch Ferdi: Ich vermute nur, dass der Bericht in der N.Z.Z. von einem Beamten gemacht worden ist. Es dürfte dies von Buchs aus geschehen sein. [4]

Präsident: Was den Abbau betrifft, so glaube ich, meine Meinung nicht mehr sagen zu müssen. Was Geld bringen würde, ist die Krisensteuer für alle und gerecht wäre es, wenn die, welche gleichviel verdienen, auch gleichviel bezahlen. Bei der Polizei muss man von einem Abbau abstehen. Die individuelle Behandlung eines jeden einzelnen wäre das gerechteste. Aber es ist immerhin eine heikle Sache.

[Adolf] Frommelt: Ich würde den Vorschlag vom Präsidenten vorziehen und jeden separat behandeln. Man muss die Stimme des Volkes berücksichtigen und dann glaube ich, kommt eher das Richtige heraus.

Büchel: Ich möchte noch nicht einen definitiven Beschluss gefasst wissen, an dem nicht mehr zu rotteln ist. Man könnte ein Schema aufstellen und dann schauen, wie es sich auswirkt.

Büchel: Ich habe den Antrag gestellt, dass man den Beamten und Angestellten zur Pflicht macht, sich von dieser Vereinigung loszutrennen. Dass Beamte mit dieser Siebschaft sympathisieren, das finde ich nicht für recht.

Präsident: Entweder ist die Handlungsweise strafbar, dann muss man an der Wurzel anfassen, oder aber, man findet sie nicht ungehörig, dann aber ist einem jeden verfassungsrechtlich die politische Freiheit garantiert.

Reg. Chef: Wir haben den Beamten so etwas nahe gelegt, aber gerade verbieten, wird sich im Verwaltungszweige nicht machen lassen. [5] Wir haben eine Verordnung vorgesehen, die die Anzeigepflicht von Versammlungen vorsieht und Strafen vorschreibt, soferne nicht derselben nachgelebt wird. Wenn sie noch einmal kommen, werden sie etwas erleben. Sie behaupten, übermorgen kommen sie wieder und werfen uns dann hinaus. Für so dumm sollen sie uns nicht anschauen, dass wir nur zusehen. Die geharnischte Resolution vom Sonntag ist auch stark verwässert worden. Der Inhalt ist geschwächt worden. [6]

Büchel: In meinen Augen ist das ein Schwindel, das diesen Leuten gleich sieht.

Risch Ferdi: Wenn man schon Einsparungen machen muss, dann soll man die Stipendien zurücksetzen. Wenn man so weiss, wie vor kürzester Zeit solche Advokaten noch Stipendien bezogen haben, solche Halunken, dann kommt einem der Gedanken, dass man diese Beträge wieder zurückverlangen sollte. Im gleichen Jahr noch fallen sie über die Regierung daher, für solche wäre noch Platz in St. Jakob. [7]

Reg. Chef: Das ganz Böse sind die Zeitungsartikel und das können wir nicht verhindern. Ich habe am letzten Sonntag Mühe gehabt, am Telephon zu antworten auf all die Anfragen. Aus verschiedenen Gemeinden wurde angefragt, ob man kommen solle. Ich habe gesagt, sie sollen ruhig daheim bleiben. Von der Sparkasse, der Bank und der Steuerverwaltung ist nachdrücklichst darauf hingewiesen worden, wie schädlich solche Sachen sind. [8] Eine solche Handlungsweise ist unverantwortlich. Die Fremden haben sich ganz entsetzt und konnten es nicht verstehen, dass intellegente Leute sich zu so etwas hergeben können.

[Franz Xaver] Hoop: Wenn für solche Anführer unten Platz gemacht würde. [9]

Mittagspause.

Fortsetzung um 2 Uhr.

Reg. Chef: Die beiden Resolutionen sind inhaltlich nicht gleich. Ich habe ihnen nunmehr geschrieben, sie möchten mir sagen, welche gelte. Sie haben dann jedenfalls eingesehen, dass die ganze Geschichte ihnen nicht besonders günstig angerechnet wird und dies selbst im eigenen Lager. Gleich hat die N.Z.Z. einen grossen Schmaus veröffentlicht. Es war dies eine unverantwortliche Handlungsweise seitens des Korrespondenten. Es frägt sich, was man in Zukunft zu tun gedenkt. Das Schädlichste ist, dass solche Lügenmeldungen ins Ausland getragen werden, die das Ausland beunruhigen. Wir können jedoch nur vermuten, wer dorthin schreibt, aber wir können es nicht beweisen. Nachdem wir diesem nicht stoppen können, so müssen wir die Wurzel des Übels fassen und mit den Demonstrationen vorsichtig sein. Der Landtag soll der Regierung die Ermächtigung bezw. die Zustimmung geben, eine Verordnung herauszugeben, die für alle Versammlungen unter freiem Himmel die Bewilligung der Regierung vorschreibt. Dann haben wir es in der Hand. Wer das Verbot übertritt, wer als Urheber, Anstifter etz. beteiligt ist, haftet solidarisch für die Straffolgen. Derjenige der Geld hat, muss bezahlen. Ich habe auch noch daran gedacht, ob man nicht alle solidarisch haftbar machen sollte für Schäden, die bei Demonstrationen entstehen.

[Emil] Batliner: Ist das nicht im Ermächtigungsgesetz enthalten.

Reg. Chef: Doch, man könnte es machen. Aber es ist eine einschneidende Massnahme und wir möchten vom Landtage Richtlinien, wie wir vorgehen sollen.

Risch Ferdi: Der Landtag sollte so etwas fordern von der Regierung. Ich möchte den Antrag stellen, dass man Prof. [Gustav] Schädler verhört, was er am Sonntag in Buchs getan hat. Vermutlich ist es der, der dieses Privattelegramm nach Zürich abgegeben hat. Ich würde sofort so einen vom Posten weg werfen. Das Telegramm hat ungemein geschadet. In anderen Staaten würde Leute eines solchen Aufruhrs wegen Hochverrat bestraft. [10]

Elkuch: Ist nicht Dr. [Otto] Schädler im Staatsgerichtshof?

Hoop: Sollte Schädler nicht sofort verhört werden.

Präsident: rät hievon ab, da nichts Positives herausschaut.

Büchel: Es hat keinen Wert, dass man den Prof. Schädler herschickt. Feststellen aber möchte ich noch, dass ich dagegen war, als das letzte Jahr aufgebessert wurde.

Es ist schade um die Zeit, ich kenne ihn, das möchte ich noch dokumentieren.

[Wilhelm] Näscher: Ich würde die Strafe nicht unter 10'000 ansetzen, oder zum mindesten einen Mindestbetrag festlegen. Sie kommen immer mit ein paar Franken weg.

Risch Ferdi: Nur vorwärts mit der Sache, ich bin einverstanden, dass endlich einmal diesem Treiben Halt geboten wird. Wir dürfen hier schon auf Näscher horchen, der hat es vorausgesagt, dass es so komme.

Büchel: Die haben wollen das Volk aufreizen. Diese Leute müssten mir in Untersuch gezogen werden.

Reg. Chef: Es ist nichts zu machen, ich habe mich schon erkundigt. Der Landtag soll nun die Zustimmung zur vorgesehenen Verordnung gehen.

Vogt: Diese Ermächtigung hat die Regierung schon. Es hat doch keinen Zweck, dass man zweimal das Gleiche bewilligt. [11]

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[1] LI LA LTP 1934/123.
[2] LI LA LTP 1934/114.
[3] Am Sonntag, 9.12.1934, fand die Demonstration des Heimatdiensts statt.
[4] Die "Neue Zürcher Zeitung" hatte am 10.12.1934 einen Bericht über die Heimatdienstdemonstration publiziert, in dem die übertriebene Zahl von 500 Teilnehmern genannt wurde (NZZ, Nr. 2230, 10.12.1934, Morgenausgabe, S. 9 ("Politische Demonstration in Vaduz")).
[5] Die Regierung hatte am 23.2.1934 in einem Rundschreiben alle Beamten dazu aufgefordert, bei einem Engagement in einer der Oppositionsparteien Zurückhaltung zu üben (LI LA RF 143/383).
[6] LI LA RF 149/139/012 (1. Fassung), LI LA RF 149/139/019 (2. Fassung).
[7] St. Jakob war eine 1958 abgerissene Strafanstalt in der Stadt St. Gallen.
[8] LI LA RF 149/139/027 (Schreiben der Steuerverwaltung), LI LA RF 149/139/028 (Schreiben der Sparkasse), LI LA RF 149/139/029 (Schreiben der Bank in Liechtenstein). Am 14.12.1934 warnte auch Ludwig Marxer vor den Auswirkungen der Demonstration (LI LA RF 149/139/031).
[9] D.h. im Gefängnis, das sich wie der Sitzungssaal des Landtags im Regierungsgebäude befand.
[10] Aufgrund der vom Landtag erwogenen Massregelung von Gustav Schädler, der als Korrespondent für die "Neue Zürcher Zeitung" tätig war, kam es zu einem Briefwechsel zwischen Regierungschef Josef Hoop und der "Neuen Zürcher Zeitung" (LI LA RF 149/139/060-064).
[11] Die Regierung erliess am 11.12.1934 eine Verordnung betr. die Abhaltung von Kundmachungen unter freiem Himmel (LGBl. 1934 Nr. 15).