Emil Beck informiert die Regierung über den Stand der Verhandlungen über einen Zollvertrag mit der Schweiz


Maschinenschriftliches Schreiben von Emil Beck, liechtensteinischer Geschäftsträger in Bern, an die Regierung [1]

2.12.1920, Bern

Zollvertrag.

Ihr Schreiben 5280/Reg. [2]

Auf ihre Anfrage betr. den Stand der Verhandlungen über den Zollvertrag kann ich Ihnen mitteilen, dass die Angelegenheit nunmehr vom Politischen Departement behandelt wird, und dass mir der Vertreter desselben, Herr Dr. [Peter Anton] Feldscher, die möglichste Beschleunigung zugesichert hat. Von den verlangten Vernehmlassungen der in Betracht fallenden Verwaltungsabteilungen sind heute noch ausstehend diejenigen der Oberpostdirektion, der Generaldirektion der Bundesbahnen und des Volkswirtschaftsdepartements.

Wie ich inoffiziell erfahre, befürchten die Bundesbahnen, dass die österreichischen Staatsbahnen nach Durchführung des Zollanschlusses die Taxen auf der Strecke Buchs–Feldkirch auch für den Durchgangsverkehr in Schweizerfranken berechnen werden, sodass die Arlbergbahn für die Schweiz noch mehr verteuert wird. Wenn es möglich wäre, in Wien diesbezügliche Zusicherungen zu erhalten, so würde dies die Verhandlungen hier in Bern erleichtern. Ich werde Ihnen in dieser Sache noch näheres berichten, sobald ich darüber offizielle Mitteilungen erhalte.

Von ziemlich massgebender Bedeutung wird der Bericht des Volkswirtschaftsdepartements sein, weil die Frage der Ein- und Ausfuhr von Lebensmitteln, Kohlen u.s.w. sowie der Viehseuchenpolizei in sein Ressort fallen. Ich bin aber über seine Stellungnahme noch nicht orientiert.

Eine Schwierigkeit scheint sich zu ergeben bezüglich der Anwendung der bestehenden schweizerischen Staatsverträge auf das Fürstentum, indem nach der Auffassung des Justizdepartements hiefür die Zustimmung aller Gegenkontrahenten erforderlich wäre. [3]

Der bestehende Entwurf zu einem Vertrage [4] ist mir noch nicht zur Kenntnis gelangt. Soviel ich aber erfahren habe, soll die Aufteilung der Nettoeinnahmen proportional der Bevölkerung erfolgen, wobei zwei Abzüge zu machen sind: 25% für die geringere Kaufkraft unserer Bevölkerung, und Fr. 60'000.– für Mehrkosten der Verwaltung. Für das Jahr 1919 betragen die Bruttoeinnahmen aus den Zöllen 67,6 Millionen Franken, die Einnahmen aus der Stempelsteuer 15,7 Millionen Franken. Die Ausgaben belaufen sich zusammen auf etwa 17 Millionen Franken, sodass sich aus diesen beiden Posten eine Nettoeinnahme von zirka 66 Millionen Franken ergeben würde. Dabei wird mit einer Bevölkerung von etwa 4 Millionen zu rechnen sein.

Ich hoffe, Ihnen in der nächsten Zeit weiteres berichten zu können.

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[1] LI LA SF 27/1920/5394 ad 64. Aktenzeichen: 1471. Eingangsstempel der Regierung vom 2.12.1920. Auf der Rückseite maschinenschriftlicher Vermerk von Regierungssekretär Josef Ospelt vom 25.2.1921: "Beschluss der F.K. [Finanzkommission] vom 24.2.1921: zur Kenntnis genommen." Ein weiteres Exemplar unter LI LA V 002/0293/48-49.
[2] LI LA V 002/0293/47, Regierungschef Josef Peer an Beck, 25.11.1920.
[3] Vgl. die Stellungnahme des Justiz-und Polizeidepartements zur Zollvertrag vom 29.11.1920 (CH BAR, E 2001 (E), 1969/262, Bd. 11, Az. B.14.24.P.4 III, Zollanschlussvertrag mit Liechtenstein, 1921-1924, Bundesrat Heinrich Häberlin an Bundespräsident Giuseppe Motta, 29.11.1920; Kopie in LI LA SgK 353).
[4] Die Eidgenössische Oberzolldirektion hatte im Sommer 1920 einen ersten Vertragsentwurf ausgearbeitet (CH BAR, E 2001 (E), 1969/262, Bd. 11, Az. B.14.24.P.4 III, Zollanschlussvertrag mit Liechtenstein, 1921-1924, Vertragsentwurf, o.D.; Kopie in LI LA SgK 353), der in der Folge aufgrund der Stellungnahmen der verschiedenen Departemente und Verwaltungsabteilungen wiederholt umgearbeitet wurde (vgl. CH BAR, E 2001 (E), 1969/262, Bd. 11, Az. B.14.24.P.4 III, Zollanschlussvertrag mit Liechtenstein, 1921-1924, Vertragsentwurf, o.D. (Ende September 1920); Kopie in LI LA SgK 353), bis die Zolldirektion den Entwurf im April 1921 schliesslich dem Bundesrat unterbreitete (DDS, Bd. 8, Nr. 58).