Katharina Brendle an Balbina Gstöhl über einen angekündigten Besuch der Familie Öhri in der alten Heimat, das Gerücht über den Ankauf der Gastwirtschaft Sternen durch Ulrich Öhri, Klagen über den trockenen Sommer und kalten Herbst, die schlechte Ernte, das Befinden ihrer Schwestern Maria Josefa und Emilia sowie den abberufenen Ruggeller Pfarrer Johann Matthias Baumgartner


Handschriftliches Originalschreiben (Fragmente) der Katharina Brendle (Maria Katharina Gerner [-Brendle]), Eschen, an ihre Firmpatin Balbina Gstöhl (Maria Balbina Öhri [-Gstöhl]), Spencer (Nebraska) [1]

02.02.1906, Eschen

Liebste Firmpatin!

Gerade Heute, als am Feste Maria
Lichtmess ist es ein Jahr, dass ich während
dem Mittag essen mit Eurem werthen Briefe
überrascht wurde. O welche Freude, als ich den
Brief öffnete u. so viel geschrieben sah, da
wurde nicht mehr gegessen, den dass [2] Intresse
um Eure Erlebnisse war zu gross, sah aber bald
darin, dass Ihr lb. Patin, sowie Eure geehrte
Familie Gott sei Dank gesund seid u. dass es
Euch recht gut geht, od. kurz gefasst, dass Ihr so
Fortschritte macht, was ich u. Alle die den Brief
gelesen Euch am von Herzen gönnen. Am Aller
meisten freut mich, dass Ihr gesonnen seid,
Eure alte Heimat u. Verwandte u. Bekannte noch
mals zu sehen. Freue mich jetzt schon auf Euer
Wiederseh’n, wan wird es wohl sein? Aber an
Euer Verbleiben in der alten Heimat würde
ich nie glauben den so schön wie Ihr’s in Amerika
habt, hat man’s hier nicht, arbeiten muss man [3]
auch sehr streng, den hat aber nicht Alles so
zur Genüge wie Ihr es in der neuen Heimat
habt. Glaube immer Ihr könntet Euch an die hie-
sigen Verhältnisse u. Bräuche nicht mehr
gewöhnen. Kutsche hat hier auch niemand
keine, vielleicht etwa auf einem Mist
wagen hat man hie u. da die Ehre
zu fahren. Nehme aber an Ihr hättet es hier
auch schön, den wen man Geld hat, kann man
sichs selbst herrlich machen. Also jetzt nur Hand
ans Werk, u. lasst nicht mehr zu lang auf
Euch warten. Letzten Frühling seid Ihr nach
der Aussage vieler Leute schon bereits in
Ruggell angekommen es hat nämlich geheissen
der Ulrich [Öhri] habe den „Sternen“ gekauft er werde
bald mit der Familie kommen. Ich horchte ganz
anders u. dachte warum Ihr mir das verschwiegen.
Nun wohlan, dachte ich, (nicht zürnend) sie
haben im End im Sinn uns zu überraschen
Die Ernte war hier heuer, so mitler es war
ein sehr heisser, aber zu trokner Sommer die
Früchte konnten sich nicht so recht entwikeln u.
unter Tags waren Türken u. Kartoffeln ganz lahm
vor Hitze auch Emd hat es gar nicht viel gegeben
es war alles ausgebrannt. (…) [4] gab es sozusagen keins war sehr teuer [5]
Während dem ein Herbsten war es sehr
kalt der Boden war jeden Tag gefroren die
Kartoffeln waren jeden Tag im Boden
gefroren die Leute gingen Mais pflücken
u. Kartoffel graben bei Allem Regen u.
Schneewetter. Haben auch einen sehr strengen
Winter. Wünsche Euch lb. Patin, sowie
Eurem geliebten Gemahl [Ulrich Öhri] u. Euren lb. Kindern
ein gutes neues Jahr stete Gesundheit
u. Zufriedenheit , ja möge es Euch nicht
vergönnt sein noch in spätern Jahren
noch recht viele frohe Tage zu erleben in
Eurem trauten Familienkreise. Wünsche
Euch Alles Gute, sowie es ein Menschen-
herz zu wünschen vermag, mit einer
Empfehlung in Euer Gebet. Habe zwar
heuer ein wenig Verspätung mit Neu-
jahr wünschen, aber es kommt jetzt auch
von Herzen. War aber von Mitte Nov.
bis mitte Jänner bei meiner Schw. auf Besuch
Geht allen sehr gut. Der Josefa [Maria Josefa Dredla [-Brendle]] ihr Mann [Augustin Dredla]  
ist von St. Florian bei Linz Östereich u.
der Emilie [Emilia Kaufmann [-Brendle]] ihren ist ein Alois Kaufmann
von Balzers. Emilie hat auch wieder [6]
ein Mädchen mit Namen Agnes
war am 31. Jäner 1 Jahr alt. Doktor
Luis Öhri [Alois Öhri] ist immer noch in Eschen u.
hat vier Kinder 2 Knaben u. 2 Mädchen
1 Knabe geht schon in die Schule. Rote
nanas der Wiss ist noch immer ledig
u. immer noch der gleiche er schindet
schafft früh u. spät. glaube er wird wohl ledig
bleiben. Jogli Michels Bertha habe ein x
gesagt im ganzen Eschen möchte sie
keinen am ehesten noch der Wiss aber
der sei ihr noch zu wenig huslig. ich
(…) [7] wen der noch zu wenig
häuslich ist. Glaube der Wiss wollte sie
auch nicht, sie wäre ihm noch zu trekig
wie man bei uns sagt. Eure Base
ist so zu sagen immer noch gesund
etwa hie u. da Kopfweh, aber sie geht
jeden Morgen in die hl. Messe u.
Mittel hat sie genug, dass sie schon
jemand haben kann u. gut vermag
 wenn sie jemand braucht u. jetzt da
doch ja dass Bürgerheim ist, ist Allen geholfen
mit u. ohne Vermögen, es ist nicht blos
für die Armen [8] 
   
[9] (…) [10] Pfarrer Anton Kloo [Martin Kloo] [11] aus
Litzeldorf Baiern das das erstemal sie waren
seit dem Okb. [1905] wieder einmal ohne Seelsorger
Herr Pfarer [Johann Matthias] Baumgartner habe ein kleines
Unrecht begangen. Es sollte eben ein Knabe
Kruma Friedlis, einem anderen (Respizents)  
ein Buch gestohlen haben, der Pfarrer half
zu dem ersteren, u. bei der Mision schickte
er den bestohlenen zweimal hinaus er lasse ihn
nicht beichten bevor er dem andern
Abbitte gethan, Letzterer jedoch nicht gethan
was noch manches nicht gethan, das geziemt sich nicht
dass der Unschuldige den schuldigen um Verzeihung bitte.

[12] seiner Mutter (…) [13] Karolina sie soll
ihm die Stickmaschine nicht verkaufen
er komme den wieder Nicht war ein
Schneller Entschluss. Seine Mutter erzählte
mir einmal er sei nur so häuslich
er habe gemeint er könne in dorten
mehr verdienen zuerst soll er in dem
Kloster zu dem das in Schellenperg gehört Knecht gewesen sein u. hätte jährlich
800 Dolar Lohn bekommen, jetzt soll er in
eine Freimaurergesellschaft geraten
sein, sobald er den viel Geld habe, werde
er den kommen u. müsse den nicht
mehr arbeiten, wenn er noch davon könne [14]

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[1] LI LA PA 016/3/04/07.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“: Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Unleserliches Wort.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.
[7] Fehlstelle im Papier.
[8] Seitenwechsel.
[9] Es folgt ein Papierfragment.
[10] Fehlstelle im Papier.
[11] Die Amtseinsetzung von Martin Kloo als Pfarrer von Ruggell erfolgte am 2.2.1906.
[12] Es folgt die Rückseite des Papierfragments.
[13] Verfärbung im Papier.  
[14] Der Brief bricht hier ab.