Ignaz Hasler an Andreas Öhri über die Viehpreise in Liechtenstein, die Überflutung von Haag und Salez durch Hochwasser, die Fertigstellung der neuen Pfarrkirche St. Martin in Eschen, die verdorbene Heuernte sowie die Kosten für die Fädlerin


Handschriftliches Originalschreiben des Ignaz Hasler, Gamprin, an seinen Schwager Andreas Öhri, vermutlich Madison (Nebraska) [1]

23.09.1894, Gamprin

Lieber Schwager!

Ich habe nun diese Woche von
Dir ein schreiben erhalten in
Welchem wir erfahren dass [2]
ihr glücklich hinüberkommen, [3]
sonst hätest ja nicht mehr schreiben
können nun ich will Dich nicht
so lang auf die antwort warten
lassen wie uns auf einen
Brif dass wir auch wussten dass ihr
wenigstens hinein gekomen ob gut oder
schlecht ist schliesslich nicht so gefährlich
Ich hätte diesen Sommer nicht viel besser [4]
hoffen dürfen wenn nur noch der
Türcken reif würde, heu hats zimmlich
aber billig den das Vieh ist furcht-
bar theuer für schone Rinder wird
nun von 30 bis 60 Napoleon [5] gesprochen
Der kruma Fridle ein Rind für
240 fl Golden Franken der Karles
Hans für 164 fl und da brofidirte
der Kegele weil der hans es sah 96 fl
losst also 260 fl. wer schönes oder
gar sehr schönes vieh hat darf nun
sagen nur nicht zu wenig er bekommts
in der Schweiz ist es noch theurer
es wahr bis hinten letzte Woche
gesperrt Haag u. Saletz sind vom
verkehr mit uns abgeschnitten weil man
von Schan bis banx [Bangs] nicht mehr über
den Rein kan. Heute war ich der
Bertha Algeuer Fresch Stefans Schwester
zum Opfer gegangen. Sie war an [6]
der Lungenentzündung in ein
par Tagen gestorben. In Eschen
haben sie jetzt eine pracht Kirche [7] den Thurm
haben sie mit Kupfer gedeckt nur das
Bleh soll 2400 fl gekostet haben. Der Rhein
wahr trotz des furchbar stark u. lang anhal-
tenden Reggenwetters nie recht gross den
es schneitte in den Bergen den ganzen Somer
der Zisch [8] war mehr mehls ganz aus geschneit
ich habe vor 14 Tagen dorten Deinen
Nahmen ein geschniten gelesen vobei
ich fast heimweh bekommen. gegenwärtig
Regnets wieder und zwar ohne trost
aufaufhören. was mir zwar nicht
ganz recht. Da ich noch in den 70 Stück
heinzen Emd hangen habe mein heu
in Ruggel ist mir ganz [9] verdorben das
Deinige habe ich versteigern lassen
Da es im Dorf auch nicht besser gegan
wäre ich hatte es 14 Tag auf hügger [10]  
heinzen konnte man nicht krigen [11]
Das Sticken war bisher immer schwer [12]
als besser als wo Du hier warst Bis ich
die Fädlerin bezalt besonders wen ich
noch hie und da einmahl aufs Feld gehe bleibt
mir nichts mehr. jetzt könt es so wieder
auf 25. 26 Rapen kommen glaube ich. Unsere
Nahbarin Agath lebt immer noch aber
nur schwach sie ist fangs immer im Bett.
Ich glaube ihr werdet zwar dies alles
wie auch noch mehrres schon erfahren von
andern Seiten [13] darum will ich
mein gekragsel aufhören in der
hoffnung diesse Zeilen werden euch
in der besten gesundheit antreffen
vie sie uns verlassen. Lebt wohl.

Freundlich grussend
Ig Hasler
u. Anna [Hasler [-Öhri]]

Wir sollten uns doch einmahl
(…) [14] jahrSchreiben sonst könten wir
noch der Vergesenheit anheim fallen
was ich schon vermutete da
Du bis jetzt noch
nie geschrieben. [15]

Dein Gruss an meine Fädlerin habe ich ausgerichtet u. auch sie lässt
Dich grüssen sie ist noch zu haben (…) [16] der Festle hat geheiratet. [17]

______________

[1] LI LA PA 016/3/13/02.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Der 1892 ausgewanderte Andreas Öhri weilte 1894 zu einem Besuch in Liechtenstein. Mit ihm reisten danach seine Mutter Katharina Öhri [-Öhri] sowie seine zukünftige Ehefrau Amalia geb. Heeb und die zukünftige Ehefrau seines Bruders Ulrich Öhri, Marie Balbina geb. Gstöhl, nach Amerika. Vgl. LI LA SgDok 030/38.
[4] Seitenwechsel.
[5] Französische Goldmünzen von unterschiedlichem Nennwert mit dem Porträt von Kaiser Napoleon III. Geprägt zwischen 1852 und 1870 in hoher Auflage.
[6] Seitenwechsel.
[7] Die Pfarrkirche St. Martin in Eschen wurde 1893/1894 nach Plänen der Architekten Battenmeyer und Kleber erbaut. Das Turmkreuz wurde am 25.8.1894 aufgesetzt. Vgl. Cornelia Herrmann, Kunstdenkmäler Liechtenstein, Bd. I, S. 73 ff.
[8] Bedeutung von „Zisch“ unklar.
[9] Durchstreichung.
[10] Bedeutung von „hügger“ unklar.
[11] Seitenwechsel.
[12] Unsichere Lesung, da Fehlstelle im Papier.
[13] Durchstreichung.
[14] Unleserliches Wort.
[15] Satz nachträglich auf der 4. Seite hinzugefügt.
[16] Fehlstelle im Papier.
[17] Diese Passage nachträglich auf der 2. und 3. Seite hinzugefügt.