Der Landtag debattiert über den Gesetzentwurf für ein Warenhausverbot, insbesondere über die Dringlichkeitserklärung


Protokoll der Konferenzsitzung des Landtags, gez. Anton Frommelt, Wendelin Beck und Johann Georg Hasler [1]

24.6.1937

2. Gesetz über das Verbot der Eröffnung von Warenhäusern, Einheitspreisgeschäften und deren Filialen

Reg. Chef [Josef Hoop] bemerkt, dass eine Deputation des Gewerbeverbandes eingeladen worden sei, zur Begründung der Vorlage an der Konferenz teilzunehmen.

Die Kommission, bestehend aus Franz Hilbe, Jos. Elkuch und Bäckermeister Walser, wird zur Sitzung zugelassen.

Reg. Chef verweist darauf, dass sich in Vaduz eine Filiale der Migros aufgetan habe [2], gegen die das Gewerbe Stellung bezogen habe. Nachdem keine gesetzliche Handhabe vorhanden war, dies zu verhindern, habe die Gewerbegenossenschaft einen Gesetzesentwurf eingebracht. Der Kampf des Gewerbes gegen diese Unternehmungen sei alt und bestehe überall. Die Migrosfiliale in Vaduz wäre nie konzessioniert worden, aber die Regierung sei nicht unterrichtet worden, dass es sich um eine solche Filiale handle. Gewisse Bedenken seien geäussert worden wegen der Abnahme landwirtschaftlicher Produkte durch die Migros, die im Jahre 1932 – 36 ca. Frs. 60'000 ausgemacht habe. Heuer sei die Migros voraussichtlich Abnehmer für ca. Fr. 16'000. Möglicherweise komme man durch das Verbot in einen Konflikt mit der Migros.

Hilbe Franz legt den Standpunkt der Gewerbegenossenschaft dar, die einmütig sich für ein Verbot dieses Unternehmens ausgesprochen habe. Es gehe nicht nur um den Handelsstand, sondern um das ganze Gewerbe. Es gelte den Mittelstand zu heben. Auch in Deutschland werden die Preise geschützt. Der Gewerbeverband sei daran, den Gewerbestand zu heben und auf eine würdige Basis zu stellen. Der Begriff Billigkeitsware würde obsiegen und der Begriff Qualitätsware würde sinken, was nicht gut sei für ein Land. Auch die Behörden hätten mit den billigsten Offerten auch nicht immer die besten Erfahrungen gemacht. Der Umsatz der Migros entspreche dem von 1726 Spezereiläden, wobei derselbe mit Fr. 30'000 zugrunde gelegt werde. Die Migros handle nur gegen bar und die anderen Geschäftsleute sollen kreditieren. Ein gewisser Kredit sei notwendig bei den bäuerlichen Verhältnissen im Lande. Dieses System würde zu einer Proletarisierung von Handel und Gewerbe führen. Die Migros sei ein wirtschaftsschädigendes Unternehmen, wobei er auch auf den Kampf in der Schweiz gegen die Migros hinweist. Vom Standpunkte der Arbeitslosenfürsorge sei dieses Unternehmen zu verwerfen, weil manche aus dem Arbeitsprozess ausgeschaltet würden. Beim Migros stehen viel Leute weniger im Betrieb als bei Unternehmungen mit dem gleichen Umsatz. Es sei die 12. Stunde und der Gew. Verband bitte um Dringlichkeitserklärung des Gesetzes.

Präsident [Anton Frommelt]: Es handelt sich hier um 2 Interessen, die Interessen des Verkäufers und des Käufers. Vielleicht wäre die Frage am Platze, welche Garantien andererseits vom Gewerbe geleistet werden, dass auch der Konsument den notwendigen Schutz geniesst. Verwerflich ist auch, dass Geschäftsleute, wie man hörte, beim Migros Ware holen und sie dann mit Gewinn weiterverkaufen. Das sollte von Seite des Gewerbeverbandes abgestellt werden. Es sollte auch eine gewisse Preisgleichheit garantiert werden. Wenn die Migros alle Waren verkaufen würde, wäre es anders. Ich empfehle, den Gewerbestand zu schützen, aber man darf auch eine Kompensation verlangen und zwar so, dass man das abbestellt, was man heute bei der Migros als unfair ansieht. Der Konsument hat auch das Recht auf einen gewissen Schutz.

Dr. [Otto] Schädler glaubt, dass es zweckmässig wäre, wenn die Gewerbegenossenschaft verschiedene Artikel, die hier erzeugt werden, weiter verarbeitet würden. Es wäre die Möglichkeit geboten, eine Teigwarenfabrik aufzuziehen und man würde damit wieder neue Kräfte in den Arbeitsprozess einschalten. Das Gesetz kann in der vorliegenden Fassung befürwortet werden. Aber es gilt hier, wie der Herr Präs. betont hat, auf 2 Gruppen Rücksicht zu nehmen. Es ist auch glaublich die ganze Handelssache nicht richtig organisiert. In einer Gemeinde des Unterlandes sind 20 Mitglieder eines schweiz. Konsumvereines. Man müsste auch hier eingreifen, dass der Einkauf im Auslande nicht gestattet werden dürfte.

Risch Ferdi [Ferdinand] zerstreut die Bedenken wegen des Absatzes bei der Migros, da 2/3 der Konsumenten beim Migros in Buchs Liechtensteiner seien.

Präsident glaubt, dass sie darauf nicht Rücksicht nehme, da sie wisse, dass die Leute doch kaufen. Er könne die Ansicht Ferd. Risch’s nicht teilen. Das System der Bauern in einzelnen Bündner Täler wäre auch hier zu empfehlen.

[Ludwig] Ospelt befürwortet das Gesetz, verlangt aber andererseits auch Konkurrenzfähigkeit der hiesigen Händlerschaft.

Reg. Chef ist erfreut, dass der Führer der Opposition sich auf den Standpunkt des Gesetzes stellt. In Buchs seien 2 Geschäftsleute durch die Migros kaputt gemacht worden. Bei uns wäre die Gefahr noch viel grösser. Eine Ausbeutung der Konsumenten sei nicht zu befürchten, da das Ventil, nach Buchs zu gehen, immer noch offen sei. Man könne nicht verbieten, dass Unterländer Mitglieder von schweiz. Konsumvereinen seien, da dies mit dem Zollvertrag im Widerspruch stünde. Die Schweiz habe im Jahre 1933 für alle Kantone mit Ausnahme weniger dem Bundesratsbeschluss rückwirkende Kraft verliehen.

Hilbe glaubt, dass hiesige Händler vielleicht wegen der Höhe der Preise beim Migros Muster geholt hätten.

Präsident bestätigt, dass es nicht Musterbezüge gewesen seien, die Ware sei in Liechtenstein wieder verkauft worden.

Hilbe betont, dass durch ein neues Handelsgesetz verschiedene Verbesserungen geschaffen würden. Eine Einheitspreisliste sei bereits ausgegeben worden, die Schritt halten könne. Die Frage der Gründung einer Teigwarenfabrik sei im Stadium des Stadiums. Ein Zusammenhalten sei unbedingt notwendig. Es sollte auch eine Einkaufs- und Verkaufsgenossenschaft gegründet werden. Ausländische Konsumvereinfilialen seien nicht mehr im Gesetz aufgeführt.

Reg. Chef verweist auf die Zollvertragsbestimmungen. Er lasse sich das nicht verbieten. Es könne also aus diesem Grunde dem Wunsche der Gewerbegenossenschaft nicht Folge gegeben werden.

Reg. Chef beantragt, in Art. 1 das Verbot auch für ähnliche Grossunternehmungen auszudehnen.

Beck W. [Wendelin] frägt an, ob es stimme, dass die Usego zuerst billiger verkauft habe.

Präsident klärt auf, dass dies der Fall gewesen und dass sie jetzt Hand in Hand mit der Gewerbegenossenschaft gehe zur Abwehr gegen die Migros.

Beck W. empfiehlt, den Bogen nicht zu überspannen und auch auf die Konsumenten Rücksicht zu nehmen. Er sei auch überzeugt, dass viele Existenzen ruiniert würden durch den Einzug der Migros.

Präsident ist nicht für den Antrag des Reg. Chef wegen der ähnlichen Grossunternehmungen. Er würde kein Elasticum ins Gesetz aufnehmen.

Reg. Chef: Ich möchte vermeiden, dass das Gesetz ausschliesslich gegen die Migros gemeint sein soll. Wenn ich diesen Vorschlag mache bezgl. der ähnlichen Grossunternehmungen, so können wir die ausländischen Konsumvereine darunter nehmen. Ich möchte daher diese Einschaltung empfehlen.

Präsident: Was wir wollen, können wir [mit] dem vorhandenen erreichen, Konsumvereine möchte ich ausgeschlossen haben.

[Franz Xaver] Hoop: Es sollte mehr auf Barzahlung Gewicht gelegt werden.

Präsident: Die Gewerbe-Organisation ist noch zu wenig einheitlich.

[Emil] Batliner: Nach meiner Auffassung könnten wir reden hierüber bis heute Abend. Ich verspreche mir aber nicht viel davon. Wir können nur das Gesetz beschliessen und die Migros fernhalten.

Hilbe: Wir werden trachten, dass die Preise im Lande den Preisen drüben angepasst werden. Man sollte auch erzieherisch wirken und vorgehen.

Präsident: Das einzige Erzieherische ist, wenn die Preise gesenkt werden. Die Konsumenten sparen und schauen, wie sie sich erhalten.

Vogt Basil: Ich möchte beantragen, die Sache besser zu prüfen und besser zu studieren.

Risch Ferdi ist für eine heutige Behandlung.

Präsident: Ich erachte es für möglich, das Gesetz heute zu beschliessen, aber andererseits sollte man Vorschläge vom Gewerbe erhalten, was es zu tun gedenkt. Einen Kompensation sollte geboten werden.

Dr. Schädler: Ich bin fest überzeugt, dass jeder den Ruin des Gewerbestandes verhindern möchte, aber es würde in Konsumentenkreisen nicht verstanden, wenn das Gesetz ohne Bedingung angenommen würde. Es sollte auch eine bessere Organisation des Gewerbes eintreten.

Präsident: Man wird unbedingt erwarten, dass publiziert wird, dass Vorteile geboten werden für das Fernhalten solcher Unternehmungen.

Vogt Bas. regt eine bessere Organisation beim Absatz der landwirtschaftlichen Produkte an.

[Peter] Büchel: Landwirtschaftsproduktenhändler ist nicht jeder Gewerbetreibender. Hier muss die Konkurrenz eingreifen. Ich bin nicht für Verschiebung. Wir können das Gesetz so oder so beschliessen, alles unterbinden können wir nicht. Eine Spezialisierung wäre ganz gut, doch ist dies bei der Kleinheit des Landes nicht gut möglich.

In Art. 5 entspinnt sich eine Debatte wegen der Liquidierung des bestehenden Betriebes des Biedermann.

Hilbe beantragt, eine Frist von wenigen Tagen zu bestimmen.

Reg. Chef: glaubt, dass man nicht so engherzig sein sollte. Wenn das Gesetz dringlich erklärt würde, würde er eine längere Frist festlegen.

Präsident: beantragt eine Unterscheidung zwischen der Einstellung des Betriebs und der Liquidierung.

Dr. Schädler: frägt an, was geschehe, wenn der jetzige Inhaber das Gefühl habe, dass er nicht unter das Gesetz falle.

Reg. Chef: dann entscheidet die Regierung bezw. die Verwaltungsbeschwerdeinstanz. Solange die Beschwerde läuft, müsste des Geschäft gesperrt sein.

Hilbe ersucht um Dringlichkeitserklärung, da die Auswirkungen ruinös seien.

Präsident ist gegen eine solche, ebenfalls Beck W[endelin].

Elkuch und Ferd. Risch reden der Dringlichkeit das Wort.

Dr. Schädler glaubt, dass die Dringlichkeitserklärung den Eindruck erweckt bei den Konsumenten, dass es auf eine Bevormundung der Konsumenten hinausläuft. Man wird den Stachel nur vergrössern.

Ospelt glaubt, dass es auch falle, wenn das Referendum zustande komme.

Walser wünscht im Namen des Gew. Verbandes die Dringlichkeitserklärung, da in einem Monat noch viel gearbeitet werden könne.

Reg. Chef befürwortet die Dringlichkeitserklärung, da sonst die Möglichkeit bestehe, überall noch Filialen zu errichten.

Hilbe ist nicht für ein Entgegenkommen Biedermann gegenüber, nachdem er unter Umgehung die Filiale errichtet hat.

Präsident: Ein bisschen human muss man mit diesem Liechtensteiner auch umgehen, sonst bekommen wir noch eine Schädigungsforderung. Man sollte nichts Unnützes provozieren.

Hilbe: glaubt, dass das Referendum nicht ergriffen werde, wenn das Gesetz dringlich erklärt werde. Jetzt sei Biedermann im Stadium, wo er tun werde, soviel er imstande sei.

Präsident glaubt, dass er auch eine Initiative zustande bringe, wenn er ein Referendum fertig bringe.

Mittagspause. Fortsetzung 2 Uhr.

Die Dringlichkeitsfrage wird nochmals behandelt und der Landtag ist mehrheitlich dafür, das Gesetz als nicht dringlich zu erklären. [3]

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[1] LI LA LTP 1937/117.
[2] Es handelte sich um die Handlung von Alois Biedermann.
[3] Siehe weiters das Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung vom 24. Juni 1937 (LI LA LTP 1937/135). Vgl. LGBl. 1937 Nr. 17.