Landesverweser Karl von In der Maur erteilt der Stadt Feldkirch die Konzession zur Führung elektrischer Starkstromleitungen in den Ortschaften des liechtensteinischen Unterlandes


Handschriftliches Konzeptschreiben mit Ergänzungen und Korrekturen des Landesverwesers Karl von In der Maur, gez. ders., an den Magistrat der Stadt Feldkirch [1]

24.5.1906

Erlass

An den löbl. Magistrat der k.k. Stadt Feldkirch

Nach dem Ergebnisse der am 30. April 1906 über vorangegangenes Ediktalverfahren gepflogenen kommissionellen Verhandlung [2] wird der k.k. Stadt Feldkirch die nachgesuchte [3] Konzession zur Führung elektrischer Starkstromleitungen in den Ortschaften des liechtensteinischen Unterlandes Behufs Abgabe elektrischer Energie zu Beleuchtungs- und Betriebszwecken von dem Feldkircher Elektrizitätswerke aus unter nachstehenden Bedingungen hiemit erteilt:

1) Die Leitungsdrähte können in der bei der kommissionellen Verhandlung angegebenen Weise auf nachstehenden Strecken gezogen werden

a) in der Strecke Schaanwald-Nendeln nach Massgabe der vorgelegten Pläne, [4]

b) in der Strecke Mauren-Eschen-Bendern nach Massgabe der vorliegenden Pläne eventuell einer bei der kommissionellen Verhandlung besprochenen Variante, deren Skizze in doppelter Ausfertigung noch beizubringen ist,

c) in der Strecke Nendeln-Eschen-Bendern, bezüglich welcher die der kommissionellen Verhandlung entsprechenden Leitungspläne vor der Ausführung in doppelter Ausfertigung vorzulegen sind,

d) in der Strecke Mauren-Schellenberg-Ruggell, bezüglich welcher die abgeänderten Leitungspläne ebenfalls nachträglich beizubringen sind.

In den noch vorzulegenden Plänen müssen sich die Stark- und Schwachstromleitungen auf den ersten Blick unterscheiden lassen, was durch Verwendung verschiedener Farbentöne zu erzielen ist; die bereits vorliegenden Pläne sind nach Fertigstellung der Anlage demgemäss richtig zu stellen. Ausser den Detailplänen im Massstabe 1 : 2000 (Massstab der liechtenst. Katasterpläne) ist noch ein Übersichtsplan im Massstabe von mindestens 1 : 75'000 beizubringen. [5]

3) Die Ausführung der Anlage ist genau nach der mit Zuschrift der Bauabteilung Feldkirch des Weizer Elektrizitätswerkes [Franz Pichler & Co.] vom 14 Feber 1906 [6] anher mitgeteilten und in jeder Richtung vollkommen ausreichenden Sicherheitsvorschriften des Verbandes der deutschen Elektrotechniker [7] zu bewerkstelligen.

2) Die Art der Leitungsführung hat gemäss der dem Gesuche des löbl. Magistrates vom 20. Dez. 1905, Zl. 1267, zuliegenden technischen Erläuterung [8] zu erfolgen.

4.) In Bezug auf die gegenwärtig hierlands unter der Verwaltung der k.k. Post- und Telegraphen Direktion Innsbruck befindlichen Telegraphen- und Telephonleitungen wird den bei der kommissionellen Verhandlung vorgebrachten Ausführungen des Vertreters der genannten Direktion gemäss folgendes bestimmt:

Die ins Leben zu rufende Anlage ist in Hinsicht auf die erwähnten Telegraphen- und Telephonleitungen vollkommen störungsfrei herzustellen; auch später auftretende, durch den Betrieb der elektrischen Kraftanlage verursachte Störungen der bezeichneten Leitungen sind jederzeit unverzüglich auf Kosten der Unternehmung zu beheben; welche Erscheinungen als für den Betrieb dieser Leitungen störend zu betrachten sind, entscheidet die Telegraphen- und Telephonverwaltung; Trassenänderungen, Umlegungen, kurz Vorkehrungen jeder Art, welche die Telegraphen- und Telephonverwaltung zum Schutze des Betriebes der von ihr administrierten Anlagen als notwendig oder als im Interesse eines allseits zufriedenstellenden Nebeneinanderbestehens der verschiedenen elektrischen Anlagen gelegen erachtet, müssen, soweit es sich um staatlich administrierte Leitungen handelt, von den betreffenden staatlichen Organen ausgeführt werden, die Kosten hiefür hat jedoch das Kraftwerk zu tragen.

An den Kreuzungsstellen der Eingangs des Punktes 4 erwähnten Leitungen mit den Primärleitungen bezw. Leitungen mit über 250 Volt Spannung sind die letzteren entweder unterirdisch zu verlegen oder es müssen die Starkstromleitungen auf eisernen Gittermasten geführt u. mit einem engmaschigen Schutznetz aus 3 mm. Stahldraht von unten und zu beiden Seiten umgeben werden.

An den Kreuzungsstellen der staatlichen Leitungen mit den Sekundärleitungen, also Leitungen mit weniger als 250 Volt Spannung, sind die Säulendistanzen tunlichst kurz zu nehmen u. es dürfen weder im kreuzenden Spannfelde selbst noch in den ersten anschliessenden Spannfeldern Drahtbünde vorkommen.

Die Kreuzungen sind tunlichst unter rechtem Winkel mit einem Vertikalabstande zwischen Stark- und Schwachstromdrähten von mindestens einem Meter herzustellen u. es sind die Starkstromdrähte oberhalb zu führen. Alle mit den Kraftdrähten auf demselben Gestänge geführten Leitungen wie Betriebstelephonleitungen u. dgl. gelten als Starkstromdrähte u. müssen deshalb in gleicher Weise gesichert werden. Der Draht der Eingangs des Punktes 4 erwähnten Leitungen wird an den Kreuzungsstellen gegen Draht mit Hackethal-Isolation [9] ausgetauscht, dessen Kosten die Unternehmung des Kraftwerkes zu tragen hat.

Die Kosten der infolge Inbetriebsetzung der in Rede stehenden Kraftleitungen in Telegraphen- und Telefonämtern bezw. Sprechstellen notwendig werdenden Abschmelzversicherungen hat gleichfalls die Unternehmung zu tragen.

5) Die Benützung  des landsch. Strassengrundes zur Aufstellung von Leitungsstangen oder Masten u. zur Legung von Fundamenten, Kabelleitungen u. dgl. wird insoweit gestattet, als es ohne Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehres u. insbesondere auch der geregelten Wasserableitung möglich ist; hieran wird jedoch die Bedingung geknüpft, dass die Unternehmung jedesmal auf ihre Kosten den Strassenkörper bezw. Strassengrund wieder in klaglosen Zustande versetze und in solange die nötigen Verbesserungen an den betreffenden Stellen bewerkstellige, als sich Veränderungen zeigen, die zweifellos als eine Folge der ausgeführten Arbeiten anzusehen sind. Weiter wird als Bedingung vorgeschrieben, dass sowohl die gegenwärtig auf den Staatsstrassen bestehenden wie auch die etwa künftig auf diesen Strassen herzustellenden staatlichen Leitungen im Betriebe nicht gestört werden u. dass die Unternehmung die Kosten jener Massnahmen trägt, welche sich zur Hintanhaltung einer solchen Störung als unvermeidlich herausstellen.

6.) Insoweit durch die konzessionierte Anlage die Interessen des k.k. österr. Bahnärars irgendwie berührt werden, ist vor Inangriffnahme der bezüglichen Arbeiten das Einvernehmen mit der k.k. Staatsbahnverwaltung zu pflegen und sind die erfolgte Einwilligung sowie die diesfalls einzuhaltenden Bedingungen seinerzeit der fstl. Regg bekanntzugeben bezw. nachzuweisen.

7.) Die Benützung der Orts- und Feldwege bedingt die Zustimmung der betreffenden Gemeinde u. hat ebenfalls derart zu geschehen, dass öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt werden u. dass insbesondere auch der Wasserabzug nicht in nachteiliger Weise beeinflusst wird; soweit Privatgrundstücke zur Aufstellung von Stangen u. dgl. benützt werden, ist jedesmal die vorgängige Zustimmung des betreffenden Grundeigentümers in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise sicherzustellen.

8.) Die Stadtgemeinde Feldkirch bleibt der Behörde sowie den Privaten gegenüber für jeden Schaden haftbar, welcher während der Montierung des Leitungsnetzes oder während des Betriebes der elektrischen Anlage durch Mangel an Aufsicht oder an Umsicht, durch Verwendung schlechten Materials, durch fehlerhafte Konstruktion oder durch fehlerhafte Behandlung der Anlage u. dgl. mehr an fremdem Eigentum entsteht.

9.) Der Plan, aus welchem ersichtlich ist, welche einzelnen Abgabestellen in das elektrische Leitungsnetz einbezogen sind, ist in doppelter Ausfertigung zur Genehmigung vorzulegen; Änderungen der fertiggestellten Anlage oder Erweiterungen derselben durch Einbeziehung neuer Abgabestellen in das elektrische Leitungsnetz bedürfen stets einer besonderen Genehmigung der fstl. Regierung.

10.) Hinsichtlich der Ausführung u. des Betriebes der Anlage sind im übrigen jene den vorstehenden allgemeinen Bestimmungen nicht widersprechenden Einzelverträge massgebend, welche die Stadtgemeinde Feldkirch bezw. das Elektrizitätswerk derselben mit den betreffenden Gemeinden oder Privaten abzuschliessen findet; die Gemeinde Eschen hat sich speziell das Recht gewahrt, [10] eventuell selbst die Konzession zur Erzeugung elektrischer Energie Behufs Kraft- u. Lichtabgabe zu erwirken, insoweit nicht ein gegenteiliges Abkommen zwischen der Stadtgemeinde bezw. dem Elektrizitätswerk Feldkirch u. der Gemeinde Eschen zu Stande käme.

11.) Die erfolgte Fertigstellung der Anlage ist der fstl. Regierung seinerzeit Behufs Vornahme der Kollaudierung anzuzeigen. [11]

12.) Die hiemit erteilte Konzession gilt zunächst für dreissig (30) Jahre bis Ende 1936.

Je ein mit der Genehmigungsklausel versehenes Exemplar der unter Punkt 1 a) u. b) erwähnten Pläne folgt mit. 

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[1] LI LA RE 1906/0823 ad 0220. Mundiert von Josef Ospelt am 25.5.1906. Abschriften der Konzession ergingen an die k.k. Post- und Telegrafendirektion in Innsbruck, die k.k. Bahnerhaltungssektion in Feldkirch sowie an die Ortsvorstände in Eschen, Mauren, Ruggell, Gamprin und Schellenberg. Landestechniker Gabriel Hiener nahm Einsicht in die Konzession. Die für den Akt ausgefertigte Konzessionsabschrift wurde gemäss Vermerk vom 14.1.1915 dem fürstlichen Landgericht zur Einsicht übergeben. Im Konzeptschreiben ist der Aufgabeschein für die Bahnerhaltungssektion in Feldkirch mit dem Poststempel vom 27.5.1906 eingeklebt. Die Rückscheine des Feldkircher Magistrates sowie der Feldkircher Bahnerhaltungssektion liegen bei. 
[2] Vgl. hiezu das von der liechtensteinischen Regierung in Mauren und Ruggell am 30.4.1906 aufgenommene Verhandlungsprotokoll (LI LA RE 1906/0823 ad 0220). Dem Protokoll ist die schriftliche Stellungnahme des Vertreters der Post- und Telegrafendirektion, k.k. Bauoberkommissär Josef Schuler, beigeheftet.
[3] Vgl. das Konzessionsgesuch des Magistrates der Stadt Feldkirch an die liechtensteinische Regierung vom 20.12.1905 (LI LA RE 1905/2314 ad 1246 (Aktenzeichen des Magistrates: 1267)).
[4] Die von der Stadt Feldkirch mit genanntem Konzessionsgesuch eingereichten Pläne finden sich als Beilagen zu LI LA RE 1905/2314 ad 1246.
[5] Die Mauren betreffenden Pläne finden sich unter LI LA RE 1908/1706 ad 0088.
[6] Vgl. das Begleitschreiben der Bauabteilung Feldkirch des Weizer Elektrizitätswerkes Franz Pichler & Co. im Auftrag der Stadt Feldkirch an die liechtensteinische Regierung vom 14.2.1906 (LI LA RE 1906/0324 ad 0220).
[7] Hg. Verband Deutscher Elektrotechniker: Sicherheitsvorschriften für die Errichtung elektrischer Starkstromanlagen. Berlin 1905 (LI LA RE 1906/ad 0220).
[8] Vgl. die technische Erläuterung der projektierten Führung von elektrischen Starkstromleitungen im Fürstentum Liechtenstein vom Dezember 1905 (LI LA RE 1905/2314 ad 1246 (Beilage)).
[9] Benannt nach dem deutschen Erfinder Louis Hackethal.
[10] Vgl. das Schreiben des Eschner Gemeindevorstehers Johann Gstöhl an die Regierung vom 28.1.1906 unter Bezugnahme auf die Sitzung des Ständigen und Verstärkten Gemeinderates vom 25.1. (LI LA RE 1906/0220). Wie aus dem Schreiben der Regierung an den Feldkircher Magistrat vom 6.2.1906 hervorgeht, hatte innerhalb der am 3.2. zu Ende gegangenen Ediktalfrist lediglich die Gemeinde Eschen Einwendungen erhoben (ebd.).
[11] Landestechniker Hiener teilte der Regierung mit Schreiben vom 30.4.1907 mit, dass die Starkstromleitung von der Landesgrenze nach Mauren erstellt war, die Arbeiten für die Einleitung des elektrischen Lichtes in der Ortschaft selbst beendet waren und somit die Kollaudierung der Anlagen vorgenommen werden konnte (LI LA RE 1907/0802 ad 0060 (Aktenzeichen des Landestechnikers: No. 293)). Wie aus dem Schreiben von Landesverweser In der Maur an den Feldkircher Magistrat vom 29.1.1908 hervorgeht, war die Einbeziehung der anderen Gemeinden des liechtensteinischen Unterlandes "vorläufig" nun doch nicht mehr beabsichtigt (LI LA RE 1908/0088). Der Anschluss der Gemeinde Eschen an das Feldkircher Stromnetz erfolgte erst 1911.