Fürst Johann II. lehnt die Sanktionierung des vom Landtag verabschiedeten Gesetzesbeschlusses zur Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts von 1864 ab


Maschinenschriftliches Schreiben der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien, gez. Prinz Eduard von Liechtenstein, an die liechtensteinische Regierung [1]

12.2.1920, Wien

Gesetz, womit eine Nachtragsbestimmung zum § 3 des Gesetzes vom 28.III.1864, L.G.Bl. Nr. 3, über Erwerbung und Verlust des liechtensteinischen Staatsbürgerrechtes geschaffen wird

An die fürstliche Regierung in Vaduz

Ich beehre mich der fürstlichen Regierung mitzuteilen, dass ich im Sinne obigen Auftrages, das obzitierte Gesetz [2] Seiner Durchlaucht dem Fürsten [Johann II.] mit dem Antrag, demselben die hohe Sanktion erteilen zu wollen, unterbreitet habe. Seine Durchlaucht hat jedoch in der Erwägung, dass es dem Interesse des Landes in höheren Masse entspräche, wenn die Begünstigung der Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft für Ausnahmswerber in den liechtensteinischen Staatsverband nicht auf ehemalige liechtensteinische Staatsbürger eingeschränkt würde, sondern im allgemeinen der fürstlichen Regierung das Recht eingeräumt würde, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und ausnahmsweise, von der Entlassung des Petenten aus dem bisherigen Staatsverband abzusehen, wodurch sowohl den in dem bezüglichen Landtagsbeschluss geäusserten Wünschen Genüge getan würde, wie auch in Fällen, wo die Einbürgerung einer Person in hohem Masse im Interesse des Landes liegt, aus bestimmten Gründen die Entlassung derselben aus ihrem bisherigen Staatsverband jedoch nicht möglich ist, eine dem Vorteile des Landes wie der betreffenden Person entsprechenden Lösung möglich würde, zu seinem Bedauern nicht entschliessen können, dem vorgelegten Gesetzentwurf die hohe Sanktion zu erteilen.

Es dürfte sich empfehlen, dem hohen Landtag zu geeigneter Zeit einen entsprechend modifizierten Entwurf vorzulegen [3] und dürfte die Beratung über das Gesetz betreffend die Aufnahmstaxen hiezu einen geeigneten Anlass geben.

Der fürstliche Gesandte:

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[1] LI LA RE 1920/0768 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: Z. 436/3). Verweis auf das Schreiben der Regierung vom 26.11.1919 mit dem Aktenzeichen Zl. 3736/Reg. 
[2] Der Text dieser Regierungsvorlage findet sich in der Tagesordnung des Landtagspräsidiums für die auf den 11.10.1919 anberaumte Landtagssitzung (LI LA LTA 1919/L01). Diese erging mit Schreiben der Regierung vom 10.9.1919 an den Landtag (LI LA LTA 1919/L28), welcher dem Gesetzentwurf in der öffentlichen Sitzung vom 11.10. die Zustimmung erteilte (LI LA LTA 1919/S04).
[3] Eine modifizierte, den Wünschen des Fürsten entsprechende Regierungsvorlage wurde vom Landtag am 22.5.1920 verabschiedet (LI LA LTA 1920/S04). Vgl. LGBl. 1920 Nr. 9.